Ein schriftlicher Beschluss setzt die Zustimmung aller Eigentümer zum Umlaufverfahren und zur Beschlussvorlage voraus. Kommt ein Umlaufbeschluss über eine bauliche Veränderung nicht zustande, ist zunächst die Eigentümerversammlung zu befassen. Die Zustimmung eines Eigentümers zu einem schriftlichen Beschluss kann nicht klageweise durchgesetzt werden.
LG München I, Urt. v. 20.4.2015 – 1 S 12462/14 WEG
(AG München – 484 C 1833/14 WEG)
WEG §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1, 23 Abs. 3
Das Problem Die Kläger, Eigentümer einer Sondereigentumseinheit, verlangen von den beklagten anderen Wohnungseigentümern die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung im Umlaufverfahren. Dabei soll die Erlaubsnis zur Errichtung einer Garage durch die Kläger beschlossen werden. Die Kläger sind die einzigen Eigentümer ohne Garage auf dem Grundstück der Eigentümergemeinschaft. Die Garage soll auf einem Grundstücksstreifen errichtet werden, an dem beide Parteien ein gemeinsames Sondernutzungsrecht haben. Die Kläger begründen die Klage damit, dass bis auf die Beklagten alle anderen Eigentümer mit dem Beschluss einverstanden seien und dass sie wegen der Gehbehinderung ihres Sohnes auf die Garage angewiesen seien.
Die Entscheidung des Gerichts Das AG hatte die Klage als unbegründet abgewiesen, das LG weist die Berufung zurück mit der Maßgabe, dass die Klage bereits unzulässig ist. Der Klage fehle nämlich das Rechtsschutzbedürfnis, da die Kläger mit der Frage der Zustimmung zur Errichtung der Garage nicht die Eigentümerversammlung befasst hätten. Eine isolierte Zustimmung einzelner Eigentümer im Klagewege könne keine bauliche Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG legitimieren. Die Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG könne in der Eigentümerversammlung durch Beschlussabstimmung oder im schriftlichen Verfahren erreicht werden. Letzteres setze aber die schriftliche Zustimmung aller Eigentümer sowohl zum Umlaufverfahren als auch zum Beschlussantrag voraus. Verweigere sich ein Eigentümer, sei das Umlaufverfahren gescheitert. Nur nach Vorbefassung der Eigentümerversammlung könne ein positiver Zustimmungsbeschluss nach § 22 Abs. 1 WEG verlangt und erforderlichenfalls mit der Anfechtungsklage gerichtlich durchgesetzt werden. Es gebe keinen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf positive Stimmabgabe im Umlaufverfahren. Trotz der Behinderung des Sohnes sei nicht offensichtlich, dass sich die bauliche Veränderung innerhalb des zumutbaren Maßes nach § 14 Nr. 1 WEG bewege, da den Beklagten ein Sondernutzungsrecht an der betroffenen Fläche zustehe.
Konsequenzen für die Praxis Die Errichtung einer Garage auf dem gemeinschaftlichen Eigentum stellt eine bauliche Veränderung dar, die nach § 22 Abs. 1 WEG zu beurteilen ist (OLG Karlsruhe v. 7.1.2008 – 14 Wx 5/07, ZWE 2008, 149). Danach ist eine Baumaßnahme nur genehmigt, wenn alle Eigentümer zustimmen, die durch die bauliche Veränderung einen Nachteil „über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus“ erleiden (§ 14 Nr. 1 WEG). Dass die Errichtung einer Garage auf dem Gemeinschaftseigentum für alle Eigentümer einen solchen Nachteil bedeutet, ist keineswegs sicher (vgl. BayObLG v. 30.1.2003 – 2Z BR 121/02, NZM 2003, 720; OLG Düsseldorf v. 24.6.1996 – 3 Wx 118/96, ZMR 1996, 568). Dies ist im Einzelfall zu ermitteln, wobei nicht außer Betracht bleiben kann, welchen Eigentümern an der zu bebauenden Fläche ggf. ein Sondernutzungsrecht zusteht.
Die Beschlussfassung nach § 22 Abs. 1 WEG erfolgt i.d.R. gem. § 23 Abs. 1 WEG in einer Eigentümerversammlung, kann aber auch im Umlaufverfahren erfolgen. Dies setzt nach § 23 Abs. 3 WEG die schriftliche Zustimmung aller Eigentümer voraus. Es genügt, dass die in der Eigentümerversammlung Erschienenen mündlich zustimmen und dann die schriftliche Zustimmung der Abwesenden eingeholt wird (KG v. 14.11.1988 – 24 W 4304/88, GE 1989, 361). Nicht genügend sind unverbindliche schriftliche Äußerungen außerhalb eines Umlaufverfahrens (OLG Celle v. 8.6.2006 – 4 W 82/06, NZM 2006, 784). Insofern ist es konsequent, dass das LG München I die Zustimmung aller Eigentümer zum Umlaufverfahren und zur Beschlussvorlage fordert. Selbst wenn Eigentümer einen Anspruch auf bauliche Veränderung haben (vgl. Hügel in BeckOK/BGB WEG § 22 Rz. 15), besteht nach der obigen Entscheidung kein Anspruch auf schriftliche Zustimmung. Denn vorrangig sind die Behandlung des Themas und die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung. Dies dient der Information und gemeinsamen Willensbildung der Eigentümer (LG München I v. 16.11.2009 – 1 S 4964/09, ZMR 2011, 60).
Beraterhinweis Der anwaltliche Berater hat dem Mandanten stets den sichersten Weg zur Erlangung des rechtlichen Ziels zu raten. Scheitert ein Umlaufverfahren, sollte auf die Einberufung der Eigentümerversammlung und die Aufnahme der strittigen Thematik in die Tagesordnung hingewirkt und nicht darauf gehofft werden, dass das Gericht eine Ausnahme von dem gesetzlich vorgegebenen Weg anerkennt. Gegen einen Negativbeschluss der Eigentümerversammlung steht dem Betroffenen dann innerhalb der Monatsfrist die Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 WEG offen.
RA FAMuWR FABauArch Mathias Münch, BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, Berlin
Veröffentlicht in: Der Miet-Rechtsberater MietRB 2015, 371
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