1. Die Fälligkeit des Werklohnanspruchs setzt – auch nach einer Kündigung des Bauwerkvertrages – grundsätzlich die Abnahme bzw. Abnahmefähigkeit des Werks voraus. Unabhängig von der Abnahme oder Abnahmefähigkeit wird der Werklohn fällig, wenn der Besteller keine Nacherfüllung mehr verlangt, die Abnahme ernsthaft und endgültig verweigert oder bereits die Ersatzvornahme durchgeführt hat.
2. Ist der Werklohnanspruch wegen fehlender Abnahme bzw. Abnahmefähigkeit nicht fällig, so ist die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen. Eine Verurteilung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung kommt nicht in Betracht.
OLG Frankfurt, Urt. v. 29.9.2014 – 1 U 283/12 (Münch, jurisPR-PrivBauR 5/2015 Anm. 2)
Problemstellung
Das OLG Frankfurt hatte die Frage zu entscheiden, ob ein gekündigter Bauwerkvertrag einer Abnahme bedarf bzw. inwieweit ein Werklohnanspruch nach der Kündigung des Vertrages durch den Besteller trotz fehlender Abnahme und Abnahmereife fällig werden kann. Das Gericht hatte sich des Weiteren mit der zivilprozessualen Frage zu beschäftigen, ob der Besteller bei Verneinung der Fälligkeit zur Zahlung des Werklohns Zug um Zug gegen die Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten verurteilt werden kann.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte, eine Architektin, hatte das klagende Bauunternehmen mit einem privaten Bauvorhaben beauftragt, diesen Bauwerkvertrag vorzeitig außerordentlich gekündigt und der Klägerin ein Baustellenverbot erteilt. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte das Landgericht die Beklagte zur Zahlung restlichen Werklohns Zug um Zug gegen die Beseitigung gerügter Mängel verurteilt.
Das OLG Frankfurt gab der Berufung der Beklagten statt und wies die Klage als derzeit unbegründet ab, ebenso wie die Anschlussberufung der Klägerin. Anspruchsgrundlage des Bauwerklohns sei § 631 BGB und nicht § 649 BGB, da die Klage nicht auf den vereinbarten Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen, sondern auf die Vergütung der erbrachten Teilleistungen gerichtet war. Der Werklohnanspruch sei aber infolge von Mängeln und fehlender Abnahme nicht fällig geworden. Die Fälligkeit des Werklohnanspruchs setze grundsätzlich, auch nach einer Kündigung durch den Besteller, die Abnahme bzw. Abnahmefähigkeit des Werks voraus. Abnahmefähig sei ein Werk, das im Wesentlichen mangelfrei ist. Bei der Frage der Wesentlichkeit der Mängel können einerseits mehrere, isoliert betrachtet weniger gewichtige Mängel zu berücksichtigen sein, die zusammen eine wesentliche Mangelhaftigkeit begründen. Zum anderen hätten Sachverständigengutachten vorliegend wesentliche Mängel ergeben, nämlich Mängel an der Wärmedämmung und der Drainage, so dass die Beklagte nicht zur Abnahme verpflichtet gewesen sei. Im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung sei festzustellen, dass die Wärmedämmung erhebliches Gewicht für die Verhinderung von Feuchtigkeit und Schimmel im Gebäude habe und dass die Drainage wesentlich für die Trockenhaltung des Gebäudes sei.
Die Abnahme oder Abnahmefähigkeit sei für das Fälligwerden des Werklohnanspruchs dann entbehrlich, wenn der Besteller keine Nacherfüllung mehr verlangt, die Abnahme ernsthaft und endgültig verweigert oder bereits die Ersatzvornahme durchgeführt hat. Zur Entbehrlichkeit der Abnahme habe die Klägerin aber nichts vorgetragen.
Eine Verurteilung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung komme nicht im Betracht, weil der Anspruch auf Vergütung der Teilleistung nicht fällig ist. Damit komme es auch auf die Höhe des Werklohnanspruchs und die Berechtigung der von der Beklagten vorgenommenen Abzüge von der Schlussrechnung nicht an.
Kontext der Entscheidung
Dass die Vergütung im Werkvertragsrecht bei der Abnahme des Werkes zu entrichten ist, also mit der Abnahme fällig wird, besagt § 641 Abs. 1 BGB ausdrücklich. Die Verpflichtung zur Abnahme setzt nach § 640 Abs. 1 Sätze 1, 2 BGB ein im Wesentlichen mangelfreies Werk voraus, so dass unwesentliche Mängel die Abnahmereife nicht hindern. Zum Abnahmeerfordernis nach erfolgter bestellerseitiger Kündigung hatte der BGH im Jahr 2006 eine Änderung der bis dahin herrschenden Rechtsprechung eingeleitet: Auch beim gekündigten Bauwerkvertrag wird die Vergütung grundsätzlich erst mit der Abnahme der bis dahin erbrachten Teilleistungen fällig (BGH, Urt. v. 11.05.2006 – VII ZR 146/04 – BauR 2006, 1294 = NJW 2006, 2475). Dabei ist zwischen noch nicht erbrachten Leistungen und mangelhaften Leistungen zu unterscheiden.
Die Abnahme ist jedoch in folgenden Fällen entbehrlich:
1. Verlangt der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages, also Herstellung eines mangelfreien Werks, sondern stattdessen die Minderung des Werklohns, so wandelt sich das Erfüllungsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis. Der – ggf. geminderte – Werklohn wird dann ohne vorherige Abnahme fällig (BGH, Urt. v. 16.05.2002 – VII ZR 479/00 – BauR 2002, 1399 = MDR 2002, 1188).
2. Ebenso wird die Werklohnforderung fällig, wenn der Besteller nicht mehr die Fertigstellung bzw. Mangelbeseitigung fordert, sondern dem Vergütungsanspruch nur noch eigene, mangelbedingte Schadensersatzansprüche entgegensetzt. Wenn nur noch die Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche offen ist, kommt es auf die Abnahme des Werks nicht mehr an (BGH, Urt. v. 22.09.2005 – VII ZR 117/03 – BauR 2005, 1913 = MDR 2006, 293).
3. Der Abnahme ist die ernsthafte und endgültige Ablehnung des Werks gleichgestellt: Entzieht der Besteller, etwa durch Entfernung des Werks, das Werk dem tatsächlichen Zugriff des Unternehmers und macht er dem Unternehmer dadurch die Mängelbeseitigung unmöglich, bringt er dadurch zum Ausdruck, dass er das Vertragsverhältnis für beendet ansieht und weitere vertragliche Leistungen des Unternehmers ablehnt (BGH, Urt. v. 03.03.1998 – X ZR 4/95 – NJW-RR 1998, 1027); eine Nacherfüllung ist damit ausgeschlossen.
4. Hat der Besteller die Mängel bereits im Wege der Ersatzvornahme erfolgreich beseitigen lassen, kann er sich nicht mehr darauf berufen, ursprünglich zur Abnahmeverweigerung berechtigt gewesen zu sein (BGH, Urt. v. 11.05.2006 – VII ZR 146/04 – BauR 2006, 1294 = NJW 2006, 2475). Denn eine Nachbesserung kommt auch in diesem Fall nicht mehr infrage.
5. Auch wenn der Unternehmer eine mit unverhältnismäßigen Kosten verbundene Nacherfüllung nach § 635 Abs. 3 BGB verweigert, wird der Werklohn ohne Abnahme fällig (Werner/Pastor, Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rn. 1787).
Umstritten ist, ob auch ein Annahmeverzug des Bestellers, den das OLG Frankfurt vorliegend nicht thematisiert hat, den Werklohn fällig werden lässt.
Fällig ist ein Anspruch zu dem Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung fordern kann, § 271 BGB. Eine Verurteilung des Schuldners zu einer noch nicht fälligen Leistung ist an die Voraussetzungen der §§ 257 bis 259 ZPO gebunden. Bei Entgeltforderungen ist die Verurteilung zu einer erst zukünftig fällig werdenden Leistung möglich, soweit die Leistung nicht von einer Gegenleistung abhängig ist oder es sich um eine wiederkehrende Leistung handelt. Eine Verurteilung Zug-um-Zug findet dagegen gerade dann statt, wenn die geschuldete Leistung von einer Gegenleistung abhängt, der Gläubiger der Leistung mit seiner Gegenleistung aber nicht vorleistungsverpflichtet ist, §§ 320 Abs. 1, 322 Abs. 1 BGB. Der Bauunternehmer kann den (restlichen) Werklohn aber erst dann fordern, wenn er das Werk mangelfrei hergestellt hat; er ist insoweit vorleistungspflichtig. Die Lösung des erstinstanzlich entscheidenden Landgerichts, bei einem mangels Abnahme/Abnahmereife nicht fälligen Werklohnanspruch den Schuldner zur Leistung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung zu verurteilen, findet im Gesetz somit keine Stütze.
Richtig ist dagegen der Weg, den das OLG Frankfurt gegangen ist: Die Klage auf eine noch nicht fällige Leistung ist als „zur Zeit unbegründet“ oder „derzeit unbegründet“ abzuweisen, um klarzustellen, dass der Anspruch nicht endgültig unbegründet ist und damit einer späteren, nach Fälligkeit eingereichten Klage nicht die Rechtskraft der ersten Entscheidung entgegensteht. Der Gläubiger soll die Fälligkeitsvoraussetzungen später noch schaffen und erneut klagen können (BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – BGHZ 140, 365 = BauR 1999, 635).
Auswirkungen für die Praxis
Das OLG Frankfurt hat die Rechtsprechung des BGH konsequent umgesetzt, das Urteil verdient Zustimmung. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass es für den Beklagten einer Werklohnforderung günstig sein kann, auf Erfüllung zu bestehen und nicht durch Geltendmachung von Minderung und/oder Schadensersatz in das Abrechnungsstadium einzutreten. Der Besteller kann also durch geschicktes Verhalten die Abweisung der Klage als derzeit unbegründet erreichen, das Vorliegen wesentlicher Mängel vorausgesetzt.
Die Klägerin hatte sich vorliegend allzu sehr auf das Bestreiten der Mängel konzentriert und nicht ausreichend zur Fälligkeit ihres Werklohnanspruchs und zur Entbehrlichkeit der Abnahme vorgetragen. Insbesondere ein Baustellenverbot kann für den Besteller gefährlich werden: Zwar bedeutet ein Baustellenverbot nicht zwingend, dass der Besteller die später verlangten Mängelbeseitigungsarbeiten nicht zulässt. Allenfalls kommt es zu einem Annahmeverzug des Bestellers, der in dem Zeitpunkt beendet ist, in dem er sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass er zum Zwecke der Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zulässt (BGH, Urt. v. 08.07.2004 – VII ZR 317/02 – BauR 2004, 1616 = MDR 2004, 1410). Verhält sich der Besteller allerdings widersprüchlich und erhält er das Baustellenverbot auch dann noch aufrecht, nachdem er sich auf Leistungsverweigerung berufen hat, kann der Nachbesserungsanspruch verwirkt und die Vergütung fällig sein.
Rechtsanwalt Mathias Münch, BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, Berlin
Veröffentlicht in: juris PraxisReport jurisPR-PrivBauR 5/2015 Anm. 2
Quelle des Artikelbildes: © Thorben Wengert / pixelio.de
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