Die Parteien eines Bauvertrages können vereinbaren, dass ein Sicherungseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft abgelöst werden kann, in der der Bürge auf die Einrede der Anfechtbarkeit (§ 770 Abs. 1 BGB) verzichtet. Auch durch AGB ist dies möglich, so das LG Köln in seinem erstinstanzlichen Urteil vom 8.7.2014.
LG Köln vom 8.7.2014 – 27 O 16/14
Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers oder Bauherrn (Bestellers), dass ein Gewährleistungs-Sicherungseinbehalt von der Schlussrechnung nur gegen Bürgschaft abgelöst werden kann, die unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB erteilt werden muss, ist wirksam.
Fertigstellungssicherheit – Gewährleistungssicherheit
In Bauverträgen ist es üblich, dass der Bauherr/Auftraggeber sich eine Sicherheit für die Fertigstellung des Bauwerks geben lässt, z.B. als Einbehalt von 10% der jeweiligen Zwischenrechnung oder eine entsprechende Bürgschaft. Ist das Bauwerk fertiggestellt und abgenommen, kann eine Sicherheit für die Zeit der Gewährleistung (BGB-Bauvertrag: 5 Jahre, VOB/B-Vertrag: 4 Jahre bzw. vertragliche Verjährungsfrist) in Höhe von bis zu 5% vereinbart werden, zu leisten entweder als Einbehalt von der Schlussrechnung oder als Bürgschaft. Die Sicherheiten sollen das Risiko des Auftraggebers minimieren, dass der Bauunternehmer leistungsunwillig oder leistungsunfähig werden könnte.
Austausch Sicherungseinbehalt gegen Bürgschaft
Für VOB/B-Werkverträge sieht § 17 Abs. 3 VOB/B vor, dass derjenige, der die Sicherheit zu leisten hat, die Wahl zwischen Einbehalt bzw. Hinterlegung von Geld oder Übergabe eine Bürgschaft hat. Er kann z.B. auch einbehaltenes Geld gegen eine Bürgschaft ablösen.
Beschränkung der Bürgenrechte durch AGB?
Dem Bürgen stehen dem Gläubiger gegenüber grundsätzlich alle Einwendungen zu, die auch dem Hauptschuldner zustehen, § 768 BGB. Er kann sich z.B. darauf berufen, dass der Hauptschuldner das Geschäft anfechte könnte (§ 770 Abs. 1 BGB), dass er mit fälligen Gegenforderungen aufrechnen könnte (§ 770 Abs. 2 BGB) oder dass der Gläubiger zunächst den Hauptschuldner verklagen und gegen ihn die Zwangsvollstreckung versuchen müsste (Einrede der Vorausklage, § 771 BGB). Häufig wird eine so genannte „Bürgschaft auf erstes Anfordern“ verlangt, also eine Bürgschaft, in der der Bürge praktisch auf alle Rechte der §§ 768 ff BGB verzichtet. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann der Sicherungsempfänger allerdings keine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangen, das würde eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers bedeuten, § 307 BGB. Allerdings kann per AGB eine Bürgschaft wirksam vereinbart werden, nach der auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet wird, solange zumindest die Aufrechnung mit unstreitigen (anerkannten) oder gerichtlich festgestellten Forderungen möglich bleibt. Ebenso ist die Vereinbarung einer Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage AGB-rechtlich unbedenklich. Ob eine Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit wirksam vereinbar werden kann, wurde bislang noch nicht entschieden; das LG Köln hat diese Frage nunmehr bejaht.
Zu Recht: Es ist nicht einzusehen, warum auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) oder der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 2 BGB) wirksam verzichtet werden könnte, auf die Einrede der Anfechtbarkeit (§ 770 Abs. 1 BGB) aber nicht. Aus Sicht des Bauherrn ist es plausibel, dass er sich nicht mit den Banken des Bauunternehmers über die Frage auseinandersetzen möchte, ob dieser den Bauvertrag eventuell anfechten könnte. Aus welchem Grund das den Bauunternehmer unangemessen benachteiligen sollte, ist nicht ersichtlich. Der Entscheidung ist deshalb zuzustimmen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann noch mit der Berufung angefochten werden.
Rechtsanwalt Mathias Münch
AKD Dittert, Südhoff & Partner, Berlin
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