martina heck

04.06.2014

Zur Absetzbarkeit umgekehrter Familienheimfahrten

Sind Fahrtkosten einer Ehefrau im Rahmen der Werbungskosten des Klägers bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen?

Über diese Frage hatte das Finanzgericht Münster zu entscheiden.

In dem entschiedenen Fall ist der Kläger verheiratet und wird im Streitjahr mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er erzielt als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dabei ist er weltweit auf wechselnden Baustellen eingesetzt, im Streitjahr u.a. in Australien und in den Niederlanden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz auf der Baustelle in den Niederlanden machte der Kläger neben eigenen Familienheimfahrten Kosten für 3 Fahrten seiner Ehefrau zur niederländischen Baustelle als umgekehrte Familienheimfahrt im Rahmen der Werbungskosten mit insgesamt 468,00 € (520 km x 0,30 € x 3 Fahrten) geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Familienheimfahrten nicht selbst durchführen können. Im Rahmen des Klageverfahrens legte er in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vor. Dort heißt es:

„Bescheinigung

Hiermit bescheinigen wir Herrn A, dass seine Anwesenheit auf der Baustelle im Streitjahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich war.“

Diese Aufwendungen berücksichtigte das Beklagte Finanzamt im Einkommensteuer-Bescheid nicht.

Gegen den Einkommensteuer-Bescheid erhob der Kläger nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, da diese Kosten beruflich veranlasst gewesen seien, weil er von der Baustelle unabkömmlich gewesen sei und deshalb an der Familienheimfahrt gehindert gewesen sei.

Das Finanzamt vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Fahrtkosten seien als privat veranlasste Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig.

Die Klage zum Finanzgericht Münster hatte Erfolg.

Der Beklagte hat es nämlich zu Unrecht abgelehnt, die geltend gemachten Fahrtkosten der Ehefrau zum Beschäftigungsort des Klägers als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.

Ein Arbeitnehmer, der an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten seinen Beruf ausübt und am Ort einer derartigen auswärtigen Tätigkeitsstätte vorübergehend eine Unterkunft bezieht, begründet keine doppelte Haushaltsführung. Die Frage des Ansatzes von Kosten für Familienheimfahrten oder umgekehrte Familienheimfahrten als Teil des Aufwandes einer doppelten Haushaltsführung stellt sich nicht mehr.

Die geltend gemachten Fahrtkosten sind jedoch nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Dazu gehören sämtliche Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.

Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 S. 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Aufwendungen z.B. für Wohnung, Verpflegung und Bekleidung sind typische unter § 12 Nr. 1 EStG zu subsumierende Lebensführungskosten. Kosten, die untrennbar sowohl privat als auch beruflich veranlasst sind, werden der steuerrechtlich erheblichen Berufssphäre zugeordnet, wenn die Aufwendungen so stark durch die berufliche/betriebliche Situation geprägt sind, dass der private Veranlassungsbeitrag bei wertender Betrachtung unbedeutend ist. Bei Vorliegen einer Auswärtstätigkeit werden z.B. Mehraufwendungen für Verpflegung in bestimmtem Umfang zum Werbungskostenabzug zugelassen (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Auch Mobilitätskosten im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung werden als Werbungskosten anerkannt (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG).

Entsprechend dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung lässt die Rechtsprechung privat veranlasste Aufwendungen wegen der Überlagerung durch berufliche Gründe zum Werbungskostenabzug zu. Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesfinanzhof auch Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zugeordnet, weil er ihn als ganz überwiegend durch den beruflichen Veranlassungszusammenhang geprägt und nur in ganz untergeordnetem Umfang von Momenten der privaten Lebensführung beeinflusst ansah.

Von einer derartigen Überlagerung privat veranlasster Aufwendungen durch berufliche Gründe geht das Finanzgericht Münster auch im Streitfall aus. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind beruflich veranlasst. Der Kläger selbst konnte die Fahrt zum Familienwohnsitz, die beruflich veranlasst wäre und zu abzugsfähigen Werbungskosten geführt hätte, nicht durchführen. Dienstliche Notwendigkeiten erforderten seine Anwesenheit an dem Ort, wo er die Errichtung eines Ziegelwerkes durch seine Arbeitgeberin begleitete. Die Arbeitgeberin hat seine Unabkömmlichkeit in der Bescheinigung bestätigt. Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geht der Gesetzgeber von der beruflichen Veranlassung einer Familienheimfahrt pro Woche aus. Die Rechtsprechung lässt den Aufwand für entsprechende umgekehrte Familienheimfahrten durch den Ehegatten zum Werbungskostenabzug zu, wenn der Steuerpflichtige die Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht selbst durchführen kann. Im Streitfall kann die Wertung nicht anders ausfallen, als sie der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung im Fall der Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung vorgenommen hat. Muss der Steuerpflichtige also im Rahmen einer Beschäftigung an ständig wechselnden Arbeitsstätten im Ausland aus betrieblicher Notwendigkeit vor Ort bleiben und kann er nicht selbst an den Familienwohnort reisen, sind die Fahrtkosten Werbungskosten, die durch die Fahrt des Ehegatten an den Einsatzort des Ehemannes entstehen. Über den Rahmen einer Familienheimfahrt pro Woche, wie sie im Bereich der doppelten Haushaltsführung werbungskostenwirksam möglich ist, geht der vom Kläger geltend gemachte Fahrtaufwand für seine Ehefrau nicht hinaus.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.08.2013 – 12 K 339/10