martina heck

09.04.2015

Zollrechtliche Mitwirkungspflichten des Fahrzeugherstellers beim Reimport?

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass über Art. 2 ZKDVO (Zollkodex-Durchführungsverordnung) hinaus keine Verpflichtung des Hauptzollamtes besteht, die für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen für Rückwaren erforderlichen Daten von Amts wegen zu erheben.

Dabei betont der Bundesfinanzhof, dass der Beibringungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 ZK den Amtsermittlungsgrundsatz und damit auch die Mitwirkungspflichten Dritter verdrängt und dass Hersteller und Ausführer einer Ware an ihrer Wiedereinfuhr nicht ohne Weiteres i.S. des Art. 14 ZK mittelbar beteiligt sind.

In dem konkreten Fall hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Zollbehörde den Hersteller ausgeführter Kraftfahrzeuge nicht verpflichten kann, zugunsten des Reimporteurs der Fahrzeuge, der diese als Rückwaren anmeldet, um von Einfuhrabgaben befreit zu werden, an der Sachaufklärung mitzuwirken.

Hintergrund der Entscheidung ist folgender:
Wird eine aus der Europäischen Union (EU) ausgeführte Ware später wieder in die EU eingeführt, kann sie auf Antrag des Einführers unter bestimmten Voraussetzungen von den Einfuhrabgaben befreit werden (sog. Rückware). Handelt es sich dabei um (gemeinhin als Reimport bezeichnete) Kraftfahrzeuge, die in der EU hergestellt wurden, werden in diesen Fahrzeugen allerdings häufig Teile eingebaut sein, bei denen es sich um zuvor in die EU importierte Drittlandsware handelt, die nicht zur EU-Ware geworden und später als Bestandteil des Fahrzeugs wieder aus der EU ausgeführt worden sind. Diese Teile können bei einem Reimport der Fahrzeuge nicht als Rückwaren abgabenfrei in die EU eingeführt werden, müssen also gleichsam “herausgerechnet” werden.

Im Streitfall waren von einem deutschen Fahrzeughersteller in ein Drittland exportierte Kraftfahrzeuge durch einen Dritten von dort wieder in die EU importiert und zur Abfertigung als Rückware angemeldet worden. Der Reimporteur konnte der Zollbehörde jedoch keine Angaben machen, in welchem Umfang die Kraftfahrzeuge aus Teilen bestanden, bei denen es sich nicht um vormalige EU-Waren handelte.

Das Hessische Finanzgericht hatte geurteilt, die Zollverwaltung sei verpflichtet, bei der Wiedereinfuhr der Fahrzeuge zugunsten des Reimporteurs zu ermitteln, in welchem Umfang in den zur Wiedereinfuhr in die EU anmeldeten Fahrzeugen Teile europäischen Ursprungs und Drittlandswaren verbaut worden waren. Es gab deshalb dem für den Reimporteur zuständigen Hauptzollamt auf, bei dem Fahrzeughersteller die für die Inanspruchnahme der zollrechtlichen Vergünstigungen relevanten Daten zu erheben.

Hiergegen wehrte sich der Fahrzeughersteller. Er machte geltend, er könne nicht verpflichtet sein, zugunsten eines Konkurrenten aufwändige Ermittlungen anzustellen und Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren. Außerdem könne es nicht sein, dass immer dann, wenn eine vormalige EU-Ware in die EU wieder eingeführt werde, ihr jeweiliger Hersteller verpflichtet sei, Angaben über die Verwendung von Bauteilen aus Drittländern in dem konkreten Produkt und ihre zollrechtliche Behandlung zu machen.

Der Bundesfinanzhof gab dem Fahrzeughersteller nun Recht.

Das Hauptzollamt ist nämlich bereits vor Erlass des angefochtenen Auskunftsverlangens seiner Ermittlungspflicht vollständig nachgekommen.

Aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folgt keine Pflicht des beklagten Hauptzollamtes zur Beschaffung der von der Anmelderin benötigten Daten. Nach Art. 185 Abs. 1 ZK werden Rückwaren nur auf Antrag von den Einfuhrabgaben befreit. Nach Art. 6 Abs. 1 ZK muss der Antragsteller alle Angaben und Unterlagen beibringen, welche die Zollbehörde für die Entscheidung über die Abgabenbefreiung benötigt. Der Beibringungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 ZK verdrängt insoweit den allgemeinen Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) und damit die Mitwirkungspflichten Dritter nach §§ 93 und 97 AO. Es ist deshalb vorliegend nicht streitentscheidend, ob die nur beschränkte Eingriffe ermöglichenden §§ 93 und 97 AO für an Dritte – weder mittelbar noch unmittelbar Beteiligte – gerichtete Auskunftsverlangen durch Art. 14 ZK überlagert werden oder nicht, wie dies die AO-DV Zoll (VSF S 03 00) annimmt.

Auch der vom Hessischen Finanzgericht in der angefochtenen Entscheidung angeführte sog. Wirtschaftszollgedanke – wenn er überhaupt als das Unionsrecht prägender Leitgedanke angesehen werden könnte – rechtfertigt die Erhebung von Einfuhrabgaben bei der Anmelderin, denn er besagt, dass der Zollanspruch des Einfuhrlands an den Eingang einer Ware in den Wirtschaftskreislauf dieses Lands anknüpfen soll. Das ist hinsichtlich reimportierter Ware gegeben, weil sie durch Ausfuhr zu Nicht-Unionsware geworden ist.

Gemäß Art. 2 ZKDVO sind die Zollbehörden verpflichtet, von Amts wegen die Unterlagen und Angaben zu liefern, die ihnen zur Verfügung stehen, wenn eine Person, die eine Entscheidung beantragt, nicht in der Lage ist, alle für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dabei haben die Abfertigungszollstellen das vorgeschriebene Verfahren der Zusammenarbeit der Verwaltungen anzuwenden, wenn der Anmelder u.a. nachgewiesen hat, dass es sich bei den eingeführten Waren um Veredelungserzeugnisse handelt, auf die gemäß Art. 185, 187 ZK, Art. 848 ZKDVO die Rückwarenregelung Anwendung finden kann, es ihm aber nicht möglich ist, sämtliche Angaben zu liefern, die für die Berechnung der Abgaben erforderlich sind. Wenn eine Behörde ohnehin über die erforderlichen Unterlagen oder Daten verfügt, ist es nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, diese Informationen vom Zollanmelder zu verlangen. Dabei soll es unter bestimmten Voraussetzungen nicht von Zufälligkeiten der Zollorganisation abhängen, ob die Informationen gerade bei der Behörde verfügbar sind, die für die Wareneinfuhr zuständig ist.

Im Streitfall ist das Hauptzollamt dieser Verpflichtung zur Erhebung der behördenintern vorliegenden Daten durch Übersendung des INF 1 an das Hauptzollamt Y nachgekommen, allerdings ohne das von der Anmelderin erhoffte Ergebnis.

Eine Verpflichtung, zugunsten eines Anmelders die für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen für Rückwaren erforderlichen Daten erst noch zu erheben, folgt weder aus Art. 2 ZKDVO noch aus dem genannten EuGH-Urteil. Zwar meinte der Generalanwalt in seiner Stellungnahme vom 13.02.2003 in der Sache C-56/02 – Rebmann – u.a., dass sich die Verwaltung die betreffenden Angaben, sofern sie ihr zugänglich seien, ggf. beschaffen müsste – zumindest -, wenn sie in einem Zollarchiv vorhanden seien. Der EuGH hat diese – auslegungsbedürftige – Formulierung nicht übernommen und sich auch im Übrigen gegenüber umfangreichen Ermittlungspflichten der Behörden zurückhaltend gezeigt. Dem ist zuzustimmen. Liegen Daten nicht bei einer Zollbehörde vor, gilt Art. 6 ZK uneingeschränkt.

Das Hauptzollamt ist auch nicht berechtigt, von der Klägerin die angeforderten Unterlagen und Auskünfte zu verlangen.

Die Voraussetzungen des Art. 14 ZK liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin ist nicht wenigstens mittelbar an der Einfuhr der PKW beteiligt.

“Unmittelbar oder mittelbar an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligt” bedeutet, dass der Betreffende an den konkreten Vorgängen des Warenverkehrs beteiligt ist, auf die die Zollbehörde zollrechtliche Vorschriften anwenden will (“zur Anwendung des Zollrechts”).

Für die Sondervorschrift zur nachträglichen Prüfung (nach Überlassung der Waren) von Zollanmeldungen gemäß Art. 78 ZK hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28.01.2014 den Erwerber einer Einfuhrware als geschäftlich mittelbar beteiligte Person angesehen. Damit lässt sich der Streitfall jedoch nicht vergleichen, denn in jenem Fall ging es um für den Zollwert bedeutsame Zahlungen, die bei einem Einfuhrvorgang erfahrungsgemäß von verschiedenen Personen geleistet werden, wie dies z.B. in einer Käuferkette der Fall sein kann. Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach entschieden, dass insoweit der gesamte wirtschaftliche Einfuhrvorgang zu betrachten ist. Deshalb ist es in solchen Fällen auch gerechtfertigt, einen späteren Käufer als mittelbar am Einfuhrgeschäft beteiligt anzusehen.

Im Streitfall gibt es indes keine Feststellung des Finanzgerichts, die es rechtfertigen könnte, die Ausfuhr der PKW durch die Klägerin und ihre Wiedereinfuhr durch die Anmelderin wirtschaftlich als einheitlichen Einfuhrvorgang anzusehen. Die Klägerin hat die Fahrzeuge insbesondere nicht mit der Absicht des Reimports ausgeführt, so dass Aus- und Wiedereinfuhr auch nicht in einer Gesamtbetrachtung als einheitlicher Vorgang angesehen werden können. Mit der Ausfuhr der PKW aus dem Zollgebiet der Union sind sie zu Nicht-Unionswaren geworden.

Auf die allgemeine Berechtigung zur Sachverhaltsklärung nach § 88 AO und damit auf die §§ 93 und 97 AO kann sich das Hauptzollamt im Streitfall nicht stützen. Das Auskunftsverlangen ist zur Erfüllung der dem Hauptzollamt im Rahmen der Abgabenerhebung obliegenden gesetzlichen Aufgaben nicht erforderlich. Wenn sich das Hauptzollamt entschließt, über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus Sachaufklärung zu betreiben, kann es für derartige Ermittlungen jedenfalls keinen Dritten verpflichten.

Im Streitfall wäre die Inpflichtnahme der Klägerin unter Abwägung des vom Hauptzollamtes erstrebten Ziels und der Schwere des Eingriffs bei der Klägerin auch unzumutbar. Das Hauptzollamt ist zwar nicht grundsätzlich gehindert, ein Unternehmen zu unterstützen, soweit das ihre personellen und finanziellen Kapazitäten unter Beachtung des Gebots, alle Anmelder gleich zu behandeln, zulassen, was mit Blick auch auf zu erwartende Nachahmungsfälle zweifelhaft erscheint. Allerdings kann sie von einem Unternehmen nicht verlangen, nur zum Zweck der Begünstigung eines Reimporteurs mit erheblichem Aufwand Daten zusammenzustellen und für Importzwecke aufzubereiten.

Eine Berechtigung des Hauptzollamtes, gegenüber der Klägerin die angeforderten Unterlagen und Auskünfte zu verlangen, folgt auch nicht aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 06.06.2011, denn an diesem Verfahren war die Klägerin nicht beteiligt. Gerichtliche Entscheidungen sind – von im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen – für am Verfahren unbeteiligte Dritte regelmäßig nicht bindend. Darüber hinaus kann der Beschluss auch nicht zu einer Ausweitung der Befugnisse der ersuchten Behörde führen (§ 114 Abs. 1 AO).

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2014 – VII R 21/12