Das Kammergericht Berlin hatte mal wieder über eine Streitigkeit aus dem Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaften zu entscheiden.
Das Kammergericht hat entschieden, dass aus den §§ 18, 19 WEG auch dann kein eigener Räumungs- und Herausgabeanspruch der Miteigentümer gegen den nach Veräußerung ausgeschiedenen früheren Eigentümer folgt, wenn der Besitz des ursprünglichen Eigentümers die Ursache der Störung war und damit eine Entscheidung des Landgerichts Berlin bestätigt.
Die – zurückgewiesene – Klage von Miteigentümern war auf ein Hausverbot gegen die Beklagten gerichtet, deren Wohnungseigentum zuvor entzogen und zwangsversteigert worden war.
Den Klägern steht ein Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung des Betretens und der sonstigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums aus § 1004 BGB nicht zu. Auch wenn durch die Beklagten eine Störung des Miteigentums der Kläger zu 1. und 2. an den Gemeinschaftsflächen vorliegt und diese die Verfolgung ihres Abwehranspruches wirksam durch Beschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG auf die Klägerin zu 3. übertragen haben, können die Kläger die Beklagten von der Nutzung des Gemeinschaftseigentums nicht völlig ausschließen.
Von einem Störer kann grundsätzlich nur Unterlassung im Kern gleichartiger Verletzungshandlungen verlangt werden. Unterlassungsansprüche der Kläger können daher hier nur bezogen auf konkrete Störungen gegeben sein, die von den Beklagten über ihre bloße Anwesenheit hinaus ausgehen. Solche Ansprüche, wie z. B. auf das Unterlassen von Beleidigungen oder die Gewährung von Zugang zur von den Beklagten in Besitz genommenen Gemeinschaftsfläche, können die Kläger im einzelnen geltend machen und gegebenenfalls auch vollstrecken, was sie zumindest teilweise auch getan haben. Der Umstand, dass die Vollstreckung durch Ordnungsmittel nach § 890 ZPO offenbar bisher nicht ausgereicht hat, um die Beklagten von der Fortsetzung der störenden Handlung abzuhalten, kann eine vollständige Zutrittsuntersagung nicht rechtfertigen.
Zwar kann gemäß § 1 GewSchG der Aufenthalt an bestimmten Orten untersagt werden. Die Kläger machen aber nicht geltend, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen, und dies ist auch, wie das Kammergericht Berlin bereits mit Beschluss vom 20.8.2014 ausgeführt hat, tatsächlich nicht der Fall. Das begehrte umfassende Zutrittsverbot erscheint zum Schutz der Kläger vor Gewalt und Nachstellungen nicht erforderlich. Die Körperverletzung, deretwegen der Beklagte zu 2. am 23.2.2010 strafgerichtlich verurteilt worden ist, liegt etliche Jahre zurück. Gleiches gilt für die Drohung vom 29.3.2009, u. a. deretwegen dem Beklagten zu 2. mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 24.1.2012 bereits auferlegt worden ist, für drei Jahre ab Rechtskraft Distanz zur Klägerin zu 1. und deren Wohnung zu halten.
Im Übrigen würde durch das Hausverbot gegenüber den Beklagten in den Kernbereich des Wohnungseigentums der Erwerberin der Wohnung eingegriffen. Denn es ist grundsätzlich allein Sache des jeweiligen Sondereigentümers, darüber zu entscheiden, wie er die Wohnung nutzt. Dieses Recht umfasst auch den ungehinderten Zugang Dritter zu der Wohnung des Eigentümers. Ist ein Zugang zu der Wohnung ohne Nutzung von Gemeinschaftsflächen nicht möglich, wovon hier mangels gegenteiligen Vortrags auszugehen ist, gehört auch diese Nutzung der Gemeinschaftsflächen zu dem unantastbaren Kernbereich des Wohnungseigentums. Unerheblich ist insoweit, ob die Erwerberin die Wohnung an die Beklagten vermietet hat und ob ein etwaiger Mietvertrag wirksam wäre. Denn jede im Einverständnis des Eigentümers erfolgende Nutzung der Wohnung durch Dritte ist Bestandteil seines Eigentumsrechts. Dass die weitere Nutzung der Wohnung durch die Beklagten gegen den Willen der Erwerberin erfolgt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist unstreitig, dass die Erwerberin keine Maßnahmen zur Räumung und Herausgabe der Wohnung durch die Beklagten ergriffen hat, obwohl sie hierzu aufgefordert wurde.
In den Kernbereich des Eigentumsrechts des Wohnungseigentümers dürfen die Miteigentümer grundsätzlich nicht durch Ausübung eines Hausrechtes hinsichtlich der Gemeinschaftsflächen gegen den Mieter oder sonst von dem Wohnungseigentümer berechtigten Nutzer eingreifen. Das Anliegen der Kläger erscheint auch nicht von solch überragender Dringlichkeit, dass durch eine Verurteilung der Beklagten in das Eigentumsrecht der Erwerberin einzugreifen wäre, die ihre Rechte im vorliegenden Verfahren nicht vertreten kann.
Ein Anspruch der Kläger auf Unterlassung des Betretens der Gemeinschaftsflächen gegen die Beklagten kommt auch nicht aufgrund früherer wohnungseigentumsrechtlicher Verbundenheit in Betracht.
Ein solcher Anspruch lässt sich § 18 WEG nicht entnehmen, selbst wenn Grund für die Verpflichtung zu der Veräußerung des Wohnungseigentums eine Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens der Wohnungseigentümer miteinander war. Denn § 18 WEG sieht auch für diesen Fall allein die Verpflichtung zur Veräußerung des Wohneigentums vor. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch der Miteigentümer gegen den nach Veräußerung ausgeschiedenen früheren Eigentümer beinhaltet diese Regelung nicht. Vielmehr folgt ein solcher Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 WEG in Verbindung mit § 93 ZVG nur für den Erwerber. Für einen eigenen Räumungs- und Herausgabeanspruch der Miteigentümer gegen den ursprünglichen Wohnungseigentümer über den Gesetzeswortlaut des § 19 WEG hinaus für den Fall, dass der Besitz des ursprünglichen Eigentümers die Ursache der Störung war, besteht auch kein Bedürfnis. Denn im Falle eines Verstoßes des Nutzers der Wohnung gegen die Pflichten des § 14 Nr. 1 WEG besteht ein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer gegen den Erwerber aus § 14 Nr. 2 WEG dahin, dass dieser Maßnahmen ergreift, die geeignet sind, von dem Nutzer die Einhaltung der Pflichten zu erreichen. Damit haben die übrigen Wohnungseigentümer die Möglichkeit, die mit § 18 WEG bezweckte Beendigung der Störung zu erreichen. Diese Regelung ist auch sachgerecht, da so die Durchsetzung von Rechten und Pflichten in den jeweiligen Rechtsbeziehungen erfolgt (zwischen den Wohnungseigentümern untereinander einerseits und zwischen dem Erwerber als Wohnungseigentümer und dem die Wohnung weiter nutzenden früheren Eigentümer andererseits). Denn die Frage, ob dem Besitzer ein Recht zum Besitz im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 ZVG zusteht und in welcher Art und Weise die ordnungsgemäße Räumung und Herausgabe der Wohnung zu erfolgen hat, kann nur aus dem Rechtsverhältnis des Erwerbers zu dem Besitzer heraus beurteilt und auch nur für diese rechtlich bindend festgestellt werden. Folglich sind die Ansprüche der Miteigentümer auf die Durchsetzung der Zwangsversteigerung bezogen. Mit Zuschlag wird der Erwerber nach § 90 ZVG Eigentümer des Sondereigentums. Die Geltendmachung und Durchsetzung der sich aus diesem Eigentum ergebenden Rechte, insbesondere der Herausgabe, obliegt ihm. Tut er dies nicht, stehen den Miteigentümern die Rechte aus dem Gemeinschaftsverhältnis, gegebenenfalls wiederum die Möglichkeit der Entziehungsklage nach § 18 WEG zur Verfügung.
Das Recht auf freien Zugang zu dem Sondereigentum auch für Dritte, denen der Eigentümer die Räume zur Nutzung überlässt, und für seine Besucher ist Bestandteil des Kernbereichs des Wohnungseigentumsrechtes. Dem steht nicht entgegen, dass die Wohnungseigentümer Vereinbarungen zu einer Gebrauchsregelung auch dahin treffen können, dass eine Vermietung untersagt oder angeordnet wird. Denn eine solche Vereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG, die hier nicht vorliegt, setzt ein Einvernehmen der Wohnungseigentümer voraus und betrifft nicht den Fall einer Gebrauchsbeschränkung gegen den Willen eines betroffenen Eigentümers. Gebrauchsregelungsbeschlüsse nach § 15 Abs. 2 WEG dürfen dagegen in den Kernbereich des Sondernutzungsrechtes gerade nicht eingreifen. Dabei begrenzt § 14 Nr. 1 WEG nicht den Kernbereich, sondern vielmehr der Kernbereich die Befugnis zur Regelung des § 14 Nr. 1 WEG unterfallenden Gebrauchs.
Dieser Kernbereich ist hier auch betroffen. Denn auch die Kläger bestreiten nicht, dass der Zugang zu der von den Beklagten genutzten Wohnung nur über die Gemeinschaftsfläche möglich ist.
Dass die Nutzung der Wohnung durch die Beklagten nicht gegen den Willen der neuen Eigentümer der Wohnung erfolgt, ergibt sich über den in dem Hinweisbeschluss benannten Aspekt hinaus auch daraus, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 15.09.2014 zur Erhebung der vorliegenden Klage nicht einstimmig ergangen ist.
Zutreffend ist, dass bei der Frage eines Unterlassungsanspruches der übrigen Wohnungseigentümer gegen Störungen durch die Beklagten auch das Eigentumsrecht der übrigen Wohnungseigentümer zu berücksichtigen ist. Diese sind mit den vorstehend benannten betroffenen Eigentumsrechten der Erwerberin der Wohnung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu einem für alle möglichst schonenden Ausgleich zu bringen, ohne dass eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird. Gerade weil durch die Verwehrung des Zutritts zu dem Gemeinschaftseigentum wie ausgeführt in den Kernbereich des Eigentumsrechts der Erwerberin eingegriffen wird, kann dabei nicht auf die Störung des Eigentums allein durch das Betreten abgestellt werden, sondern nur auf die konkrete, hierüber hinaus gehende Störung. Dabei besteht eine Vermutung für die erforderliche Wiederholungsgefahr nach der Rechtsprechungg des Bundesgerichtshofs gerade nicht generell für jede Form der Störung, sondern nur für im Kern gleichartige Verletzungsformen. Eine Abwägung der betroffenen Eigentumsrechte kann deshalb nicht den vollständigen Ausschluss der Beklagten von der Nutzung der Gemeinschaftsflächen zum Ergebnis haben, sondern nur die Verpflichtung, bestimmte Formen der darüber hinaus gehenden Störung der Eigentümer zu unterlassen.
Auch aus der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 18 WEG folgt kein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer auf Besitzaufgabe durch den von der Eigentumsentziehung betroffenen Eigentümer. Denn Voraussetzung des § 18 WEG ist gerade nicht die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens, sondern die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Eigentümergemeinschaft. Dies ist aber nicht identisch. Denn die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Eigentümergemeinschaft kann auch allein aus Aspekten folgen, die mit dem Zusammenleben nicht zusammenhängen. Beschränkt sich das unzumutbare Verhalten des Miteigentümers auf die Auseinandersetzung innerhalb der Eigentümergemeinschaft, wie in dem Fall des Regelbeispiels des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, so besteht nach Entzug des Eigentums kein Grund für einen Anspruch auch auf Aufgabe des Besitzes, wenn der Erwerber diesen weiter einräumt. Dies zeigt, dass ein solcher Anspruch nicht unmittelbar aus § 18 WEG folgen kann, sondern allein aus einem Recht zur Abwehr konkreter Störungen.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 10.09.2015 – 8 U 94/15