Nein, ein Erwerber von Wohnungseigentum haftet nicht für die Hausgeldschulden des Voreigentümers – trotz des Vorrechts der Wohnungseigentümergemeinschaft für Hausgeldrückstände in der Zwangsversteigerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG).
Dies deshalb, so der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung, weil das in § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG enthaltene Vorrecht kein dingliches Recht der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet.
In dem entschiedenen Fall war der Sohn des Beklagten Eigentümer einer Wohnung, die zu der Anlage der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Im April 2010 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte er Hausgelder für die Jahre 2009 und 2010 sowie die Nachzahlung aus der Jahresabrechnung für 2009 in Höhe von insgesamt rund 1.100 € nicht beglichen. Die Klägerin meldete die Forderungen in dem Insolvenzverfahren zur Tabelle an. Mit notariellem Vertrag vom 09.06.2010 erwarb der Beklagte die Wohnung von dem Insolvenzverwalter und wurde kurz darauf in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Auffassung, nunmehr hafte der Beklagte mit dem Wohnungseigentum für die Hausgeldrückstände des Voreigentümers. Ihre Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum wegen der offenen Forderungen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat nun auch die hiergegen gerichtete, vom Landgericht zugelassene, Revision zurückgewiesen.
Nach dem Gesetz haftet ein Erwerber von Wohnungseigentum schuldrechtlich nicht für Hausgeldrückstände des Voreigentümers. Allerdings soll nach inzwischen weit überwiegender Ansicht im Umfang des Vorrechts gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ein dingliches Recht an dem Wohnungseigentum entstehen. Die erfassten Ansprüche seien nicht nur in der Zwangsversteigerung und der Insolvenz bevorrechtigt; vielmehr begründe die Norm eine allgemeine dingliche Haftung des Wohnungseigentums, die wie ein Grundpfandrecht ohne Eintragung einzuordnen sei. Folglich sei auch ein Erwerber, der nicht Hausgeldschuldner ist, im Umfang des Vorrechts zur Duldung der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums verpflichtet.
Nach anderer Ansicht enthält § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG nur ein begrenztes Vorrecht in der Zwangsversteigerung. Dieses begründe zwar gemäß § 49 InsO zugleich ein Absonderungsrecht kraft besonderer gesetzlicher Anord-nung, schaffe aber keine Rechtsgrundlage für ein dingliches Recht.
3. Der Bundesgerichtshof hat den dinglichen Charakter der von dem Vorrecht erfassten Forderungen bislang ausdrücklich offen gelassen. Nur für das Insolvenzverfahren ist höchstrichterlich geklärt, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft im Umfang des Vorrechts ein Absonderungsrecht zusteht. Dies ergibt sich aus der in § 49 InsO enthaltenen Verweisung auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft vor der Insolvenzeröffnung keinen Zahlungstitel erwirkt, kann sie den Insolvenzverwalter wegen der dem Vorrecht unterfallenden Ansprüche auf Duldung der Zwangsversteigerung in Anspruch nehmen (§ 1147 BGB analog).
Der Bundesgerichtshof verneint nun eine dingliche Wirkung des Vorrechts. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG enthält lediglich eine Privilegierung schuldrechtlicher Ansprüche sowohl im Zwangsversteigerungsverfahren als auch in Verbindung mit § 49 InsO im Insolvenzverfahren.
Im Ausgangspunkt macht es für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied, ob das Eigentum freihändig von dem Insolvenzverwalter oder außerhalb von Insolvenz und Zwangsversteigerung erworben wird oder ob der eingetragene Eigentümer in Anspruch genommen werden soll, obwohl Hausgeldschuldner der werdende Wohnungseigentümer ist. In keiner dieser Fallgruppen begründet das Vorrecht eine dingliche Haftung.
Aus dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ergibt sich nicht, dass ein neues dingliches Recht eingeführt werden sollte. Einerseits bezieht sich die Bestimmung auf die Regelungen in § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5 WEG, die die (persönliche) Haftung des Wohnungseigentümers betreffen. Andererseits sollen bei der Vollstreckung in ein Wohnungseigentum „die daraus fälligen Ansprüche (…)“ erfasst werden; nur insoweit knüpft die Norm an das Eigentum an.
Die systematische Stellung der Bestimmung spricht gegen die Einführung einer dinglichen Last. § 10 ZVG begründet als zentrale verfahrensrechtliche Norm für das Zwangsversteigerungsverfahren keine dinglichen Rechte. Die Vorschrift regelt ihrem Eingangssatz zufolge, welche Ansprüche „ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke“ gewähren, ferner deren Reihenfolge durch die Einteilung in Rangklassen. Ein Befriedigungsrecht gewähren sowohl schuldrechtliche (Nr. 1, Nr. 1 a, Nr. 5) als auch dingliche Rechte (Nr. 4, Nr. 6 bis 8).
Ebenso wenig ergibt sich die dingliche Haftung aus dem systematischen Vergleich von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG mit § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG. Im Gegenteil zählen zu den in § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG geregelten Ansprüchen auf Entrichtung öffentlicher Lasten aus dem Grundstück nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nur solche Lasten, deren Rechtsgrundlage eine dingliche Haftung des Grundstücks anordnet; das Zwangsversteigerungsgesetz setzt die dingliche Haftung also voraus, begründet sie aber nicht. Das gilt gleichermaßen für die in § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG geregelten dinglichen Rechte der Grundpfandgläubiger. Für die bis zum 30.06.2007 in § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG geregelten Litlohnansprüche soll die dingliche Wirkung zwar anerkannt gewesen sein, ohne dass dies aber soweit ersichtlich praktische Bedeutung erlangt hätte. Jedenfalls hat der Gesetzgeber diese Regelung aufgehoben und lediglich die freigewordenen Rangstelle genutzt, um Hausgeldforderungen eigenständig zu regeln; es ist auch kein inhaltlicher Bezug zu Litlohnansprüchen erkennbar. Schließlich lässt sich der dingliche Charakter auch nicht § 45 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZVG entnehmen. Nach dieser Norm bedarf es für die Anmeldung der Hausgeldansprüche in dem Zwangsversteigerungsverfahren eines Dritten nicht zwingend eines Titels. Es mag sein, dass eine solche Befugnis im Regelfall nur dinglichen Gläubigern zugutekommt; aus einer verfahrensrechtlichen Erleichterung zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft kann indes nicht geschlossen werden, dass dieser ein materielles dingliches Recht zusteht.
Die Gesetzgebungsgeschichte spricht gegen die Einführung eines neuen dinglichen Rechts. Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ausschließlich eine Änderung des Zwangsversteigerungsverfahrens beabsichtigt und sich demzufolge auf eine verfahrensrechtliche Regelung beschränkt. Dabei wollte er zwar insbesondere mit Blick auf § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG erreichen, dass die genannten Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft „den nachfolgenden dinglich gesicherten Ansprüchen vorgehen“. Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst zu einer dinglich berechtigten Gläubigerin werden sollte, hat er aber nicht erwogen. Insbesondere hat er nicht beabsichtigt, eine begrenzte Haftung des Erwerbers von Wohnungseigentum für die rückständigen Hausgelder des Voreigentümers neu einzuführen. Dies wäre jedoch jedenfalls in den Grenzen des Vorrechts die Folge einer allgemeinen dinglichen Haftung.
Schließlich kann auch die teleologische Auslegung eine dingliche Haftung nicht begründen.
Richtig ist zwar, dass es dem erklärten Ziel des Gesetzgebers entsprach, die übrigen Wohnungseigentümer im Hinblick auf Rückstände anderer Wohnungseigentümer in begrenztem Umfang gegenüber den Grundpfandgläubigern zu privilegieren und damit auch den Werterhalt der Anlage insgesamt sicherzustellen. Zudem könnte nur eine dingliche Haftung bei Hausgeldrückständen eines werdenden Wohnungseigentümers die Vollstreckung in das Wohnungseigentum ermöglichen, weil der werdende Wohnungseigentümer zwar Hausgeldschuldner, aber (noch) nicht eingetragener Eigentümer ist.
Der Umsetzung einer begrenzten dinglichen Haftung im geltenden Recht steht aber schon entgegen, dass der Gesetzgeber für die Verwirklichung seiner Zielsetzung ein bestimmtes Mittel gewählt hat. Er hat nämlich lediglich eine begrenzte bevorrechtigte Beteiligung an dem Veräußerungserlös in der Zwangsversteigerung erreichen wollen. Selbst die Insolvenz des Wohnungseigentümers hat er nicht im Blick gehabt. In der Insolvenz des säumigen Wohnungseigentümers ergibt sich die Bevorrechtigung allerdings aus der in § 49 InsO enthaltenen Verweisung auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Die Einführung eines neuen dinglichen Rechts war dagegen gerade nicht gesetzgeberisches Ziel.
Zudem enthält § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG als verfahrensrechtliche Norm keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine solche Haftung des Wohnungseigentums. Die erforderliche nähere Ausgestaltung einer in dem numerus clausus der Sachenrechte bislang nicht vorgesehenen privaten Last kann nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung erfolgen. Insbesondere ist nicht geregelt, wie ein dingliches Vorrecht au-ßerhalb des Zwangsversteigerungs- und Insolvenzverfahrens eingegrenzt werden sollte. Besondere Probleme ergäben sich – wie das Berufungsgericht richtig erkennt – bei der Begrenzung des Vorrechts in zeitlicher Hinsicht.
Welche Forderungen bevorrechtigt sind, bestimmt sich in der Zwangsversteigerung durch eine Rückrechnung von der Beschlagnahme an (§ 20 Abs. 1, § 22 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG). Fehlt es an der Beschlagnahme, ist darunter die Insolvenzeröffnung zu verstehen. Außerhalb des Zwangsversteigerungs- und Insolvenzverfahrens fehlte es dagegen an einem zeitlichen Anknüpfungspunkt. Entgegen der Auffassung der Revision müsste bereits im Erkenntnisverfahren feststehen, wegen welcher Ansprüche das Grundstück haftet; denn aus dem Titel muss sich ergeben, dass und inwieweit der Eigentümer die Zwangsversteigerung dulden muss. Keinesfalls könnte ein Erwerber für Rückstände herangezogen wer-den, die durch Zeitablauf nur noch in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG Berücksichtigung finden könnten.
Als zeitlicher Anknüpfungspunkt ungeeignet wäre sowohl eine gegen den Voreigentümer gerichtete Beschlagnahme im Rahmen einer Zwangsversteigerung als auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen; beides kann keine bleibende dingliche Last entstehen lassen und die in diesem Zeitpunkt bevorrechtigten Rückstände gewissermaßen „einfrieren”. Denn es war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, insbesondere im Hinblick auf die Interessen der nachrangigen Grundpfandgläubiger nur ein überschaubares, zeitlich und höhenmäßig begrenztes Vorrecht zu schaffen. Dem entspricht der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG (Satz 2: „Das Vorrecht erfasst…“; Satz 3: „Das Vorrecht (…) ist begrenzt…).
Maßgeblich könnte danach nur eine Beschlagnahme gegenüber dem Erwerber sein; diese erfolgte aber – wenn überhaupt – erst bei der Vollstreckung des zu schaffenden Duldungstitels (§ 20 Abs. 1, § 22 Abs. 1 ZVG). Im Erkenntnisverfahren findet sich hierfür keine funktionelle Entsprechung. Ist der Eigentümer zugleich Hausgeldschuldner, stellt sich dieses Problem nicht, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft ihre Zahlungsansprüche wegen der persönlichen Haftung uneingeschränkt titulieren lassen kann; erst das Vollstreckungsgericht prüft, inwieweit die titulierten Ansprüche im Zeitpunkt der Beschlagnahme (noch) bevorrechtigt sind. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ist – wegen seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung – so konzipiert, dass sich der Umfang des Vorrechts erst in dem Zwangsversteigerungsverfahren konkretisiert. Ein Auseinanderfallen von Eigentümer- und Schuldnerstellung ist im Gesetz demgegenüber nicht angelegt.
Die Beschlagnahme kann gegenüber dem Erwerber auch nicht etwa mit der Rechtshängigkeit der Duldungsklage oder der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz gleichgesetzt werden. Dies wäre mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar, nach der sich der Zeitablauf zwischen der Titulierung und der Beschlagnahme zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft auswirken kann. Entfallen die Rückstände nämlich wie hier auf länger zurückliegende Zeiträume, können sie die Bevorrechtigung noch in der nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens verstreichenden Zeit verlieren.
Zudem kann das Vorrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in demselben Zwangsversteigerungsverfahren nur einmal in Anspruch genommen werden, weil die betragsmäßige Begrenzung nach der Vorstellung des Gesetzgebers dem Schutz der nachrangigen Gläubiger dienen soll. Eine solche Begrenzung wäre außerhalb eines Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzverfahrens kaum zu verwirklichen.
Mit der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs steht die Auffassung des erkennenden Senats nicht im Widerspruch.
Der IX. Zivilsenat hat sich sowohl in seinem Beschluss vom 12.02.2009 als auch in seinem Urteil vom 21.07.2010 ausschließlich mit der Auslegung der in § 49 InsO enthaltenen Verweisung auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG befasst und diesen Normen in wertender Betrachtung ein insolvenzrechtliches Absonderungsrecht für die dem Vorrecht unterfallenden Ansprüche entnommen. Mit der Frage, ob außerhalb des Insolvenzverfahrens eine dingliche Haftung besteht, hat er sich dagegen nicht befassen müssen; seine Entscheidungen enthalten zu dieser Rechtsfrage keine Aussage. Sie sind vielmehr so zu verstehen, dass in der Insolvenz ein Absonderungsrecht kraft der in § 49 InsO i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG enthaltenen gesetzlichen Anordnung besteht.
Absonderungsrechte begründen ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung eines Anspruchs des Gläubigers aus einem zu der Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand. Sie sind zwar im Regelfall dinglicher Natur. Zwingend ist dies aber nicht. Auch Inhaber schuldrechtlicher Ansprüche können aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers zur Absonderung berechtigt sein. So begründet etwa ein schuldrechtliches Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen auf eine (bewegliche) Sache (z.B. § 1000 Satz 1 BGB) ein Recht zur Absonderung (§ 51 Nr. 2 InsO). Ebenso wie das Vorrecht für Haus-geldrückstände werden diese schuldrechtlichen Ansprüche in der Insolvenz aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers privilegiert, ohne dass ihnen deshalb dingliche Wirkung zukäme.
Ob und wie das Absonderungsrecht bei einer freihändigen Veräuße-rung durch den Insolvenzverwalter abzugelten ist, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.09.2013 – V ZR 209/12