martina heck

27.06.2014

Vorfälligkeitsentschädigung und Werbungskosten

Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs kann ein Steuerpflichtiger, der seine Darlehensschuld vorzeitig ablöst, um sein bisher vermietetes Objekt lastenfrei übereignen zu können, die dafür an den Darlehensgeber zu entrichtende Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.

In dem entschiedenen Fall veräußerte die Klägerin im Streitjahr (2010) ein von ihr im Jahre 1999 erworbenes und seitdem zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutztes Immobilienobjekt; nach den Bestimmungen des notariell beurkundeten Veräußerungsvertrages war die Klägerin zur lastenfreien Übertragung des Grundstückes verpflichtet. Im Zuge der Ablösung einer Restschuld aus zwei Darlehen in Höhe von 48.773 EUR, die die Klägerin zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Immobilienobjekts aufgenommen hatte, zahlte sie an die Darlehensgläubigerin Vorfälligkeitsentschädigungen im Gesamtbetrag von 3.479,07 EUR, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen im Ergebnis nicht.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg; die Revision zum Bundesfinanzhof ebenfalls nicht.

Die von der Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen sind nämlich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht zu berücksichtigen.

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Zu den Werbungskosten zählen auch Schuldzinsen, soweit sie mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG). Maßgeblich ist insoweit, ob die Darlehensvaluta, auf die Schuldzinsen gezahlt werden, zur Erzielung von Vermietungseinkünften aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist; ein bloßer rechtlicher Zusammenhang reicht nicht aus.

Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital.

Nach diesen Maßstäben hat das Finanzgericht zutreffend den begehrten Abzug der Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten wegen des fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Vermietungstätigkeit der Klägerin versagt.

Nach den oben genannten Grundsätzen ist die Vorfälligkeitsentschädigung zwar Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals; sie beruht mithin – ebenso wie die vertraglich vereinbarten Darlehenszinsen – auf dem Darlehensvertrag als Rechtsgrund. Allerdings ist die Vorfälligkeitsentschädigung wirtschaftlich gesehen das Ergebnis einer auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Darlehensvertrages. Erst mit dieser Modifizierung des Vertragsinhalts steht dem Darlehensgeber eine seine Interessen wahrende Vorfälligkeitsentschädigung zu.

Diese vertragliche Änderungsvereinbarung ist steuerrechtlich das “auslösende Moment” für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung. Besteht die Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vertragliche Änderungsvereinbarung und, damit einhergehend, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen, gerade deshalb, weil für eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung eine Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist, liegt ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks vor.

Bei der Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Zuge der Veräußerung von Immobilien wird daher der ggf. bestehende – durch die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Anschaffungskosten einer der Vermietung dienenden Immobilie begründete – wirtschaftliche Zusammenhang mit einer bisherigen Vermietungstätigkeit überlagert bzw. ersetzt von einem neuen, durch die Veräußerung ausgelösten Veranlassungszusammenhang. Ist dieser Veräußerungsvorgang – etwa nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG – steuerbar, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten in die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes oder -verlustes einzustellen. Ist der Veräußerungsvorgang nicht steuerbar, kann die Vorfälligkeitsentschädigung nicht “ersatzweise” als Werbungskosten im Zusammenhang mit der bisherigen steuerbaren Tätigkeit (im Streitfall der Vermietung) geltend gemacht werden. Soweit der Bundesfinanzhof Vorfälligkeitsentschädigungen in Veräußerungsfällen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu den Werbungskosten gezählt hat, hält er an dieser Rechtsprechung mit Blick auf die überzeugende Rechtsprechung des VIII. Senats zum Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften nicht länger fest.

Nach den den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil des Finanzgerichts ist die von der Klägerin geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung durch die Grundstücksveräußerung veranlasst. Denn die Klägerin hat ihre Darlehensschuld vorzeitig abgelöst, um das veräußerte Grundstück lastenfrei übereignen zu können; in diesem Fall tritt der durch die Änderung des Darlehensvertrages begründete wirtschaftliche Zusammenhang mit der einkommensteuerrechtlich unerheblichen Vermögensumschichtung an die Stelle der Veranlassung der Darlehensaufnahme durch die frühere Einkunftsart.

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.06.2012 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Bundesfinanzhof in der genannten Entscheidung den Abzug von durch die Einkünfteerzielung veranlassten Schuldzinsen auch nach einer (steuerbaren) Veräußerung der Immobilie als nachträgliche Werbungskosten zugelassen, weil die Darlehensverbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden konnten. Die der Entscheidung zu Grunde liegende Surrogationsbetrachtung, welche besagt, dass sich der wirtschaftliche Zusammenhang eines – zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Vermietung bestimmten Grundstücks aufgenommenen – Darlehens mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter bestimmten Voraussetzungen am Veräußerungserlös oder – ggf. darüber hinaus – an dem Vermögensgegenstand fortsetzt, der mit dem Veräußerungserlös erworben wird, wenn dieser wiederum steuerrechtlich bedeutsam genutzt wird, greift im Streitfall jedoch nicht. Denn im Streitfall hat die Klägerin keine anderweitige, steuerrechtlich bedeutsame Erwerbsgrundlage angeschafft; überdies konnte sie die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten vollständig durch den Veräußerungserlös tilgen. In einem solchen Fall endet indes der Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Darlehen tatsächlich ablöst oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig privat verwendet und das Darlehen bestehen lässt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2014 – IX R 42/13