Auch im Rahmen des internen vereinsrechtlichen Ordnungsverfahrens ist ein Minimum an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der an der Entscheidung mitwirkenden Funktionsträger zu fordern, so das Landgericht Bonn.
In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger gegen seinen Ausschluß aus einem Verein geklagt.
Das war geschehen:
Nach § 11 der Satzung des betreffenden Vereins besteht die Möglichkeit, Mitgliederurabstimmungen initiiert durch Mitgliederbegehren herbeizuführen. Das nähere Verfahren regelt gemäß § 11 Nr. 6 der Satzung die Ausführungsbestimmung zur Mitgliederurabstimmung, die von der Mitgliederversammlung beschlossen wird. Nach dieser werden Mitgliederbegehren von einer dreiköpfigen Abstimmungsleitung bearbeitet, der ein Mitglied des Bundesvorstands angehört. Gemäß § 12 der Satzung verfügt der Verein außerdem über eine dreiköpfige Schiedsstelle, deren Aufgabe es unter anderem ist, vereinsinterne Streitigkeiten zu schlichten. Der Schiedsstelle obliegt gemäß § 5 Nr. 4 der Satzung auch die Zuständigkeit für einen Vereinsausschluss, der auf Antrag des Bundesvorstands verhängt werden kann, wenn ein Mitglied gegen die Vereinsziele verstößt oder sich vereinsschädigend verhält. Diese Zuständigkeit hatte ursprünglich bei der Mitgliederversammlung gelegen und war erst durch satzungsändernden Beschluss derselben vom 08.05.2010 auf die Schiedsstelle übertragen worden. Die zu diesem Zweck erfolgte Einberufung der Mitgliederversammlung war ihrer Zeit durch Veröffentlichung der Einladung nebst Tagesordnung in der Vereinszeitschrift „N“ erfolgt. Die Tagesordnung hatte unter anderem die Punkte
„4.6.1. Einrichtung einer vereinsinternen Schiedsstelle […]. Neuaufnahme eines neuen Artikels § 12, der die Einrichtung, Wahlmodalitäten, Rechte und Arbeitsweise einer Schiedsstelle regelt“
und
„6.3. § 5 Ergänzung, teilweise Streichung: […] Änderungen zum Austritt von Mitgliedern“
enthalten. Nach Einberufung und vor Durchführung der Versammlung war jedem Mitglied eine knapp 100 Seiten umfassende Mappe übersandt worden, in der sich unter Bezugnahme auf die genannten Tagesordnungspunkte eine abgedruckte Satzung befand, in der neben einer Vielzahl weiterer Änderungen auch eine Änderung von § 5 Nr. 4 in Hinblick auf die Zuständigkeit der Schiedsstelle für Vereinsausschlüsse verzeichnet war. Die Änderung war am 16.12.2010 in das Vereinsregister eingetragen worden.
Im Zeitraum von 2007 bis 2009 kam es zu Austritten von etwa 1.500 Mitgliedern, die der Kläger auf vereinsinterne Missstände im Zusammenhang mit der Behandlung von Mitgliederbegehren und Mitgliederurabstimmungen zurückführt. Diese nach seinem Dafürhalten existenten Missstände monierte der Kläger in der Folgezeit auf verschiedenen Wegen.
Zum einen legte er gegen eine im Rahmen einer Mitgliederurabstimmung beschlossene Satzungsänderung Beschwerde zum Registergericht C ein. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: 2001/2002 war eine Mitgliederurabstimmung auf Grundlage eines in der Vereinszeitschrift „N“ fehlerhaft abgedruckten Mitgliederbegehrens durchgeführt worden. Das Begehren war zuvor fehlerfrei auf elektronischem Weg übermittelt und ohne Absprache in veränderter Form veröffentlicht worden. Inhaltliche und layoutmäßige Abweichungen im Abdruck im Vergleich zur eingesandten Fassung dieser Mitgliederbegehren waren in der Folgezeit mehrfach Streitthema zwischen den Vereinsorganen und mehreren Mitgliedern. Einer anderen Mitgliederurabstimmung in der Zeit vom 11.06.2010 bis zum 01.07.2010 war ein Mitgliederbegehren vorausgegangen, dem in der Vereinszeitschrift eine optisch hervorgehobene Empfehlung des Vorstands an die Mitgliederversammlung zur Ablehnung des Begehrens beigefügt gewesen war. Die Abstimmungsleitung war darüber hinaus nicht entsprechend der Vorgaben besetzt gewesen. Der Sachverhalt war auf Antrag des Klägers gemäß § 12 der Satzung von der Schiedsstelle geprüft und von dieser waren keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.
Das Amtsgericht wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, die Satzung enthalte weder Regeln über die optische Gestaltung des Abdrucks von Mitgliederbegehren noch über den genauen Ablauf des Abstimmungsverfahrens, so dass das Registergericht hierüber nicht entscheiden könne; da der Kläger sich bereits an die Schiedsstelle als Kontrollorgan gewendet habe, stehe ihm nun gemäß § 12 Abs. 6 der Satzung der Rechtsweg offen. Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht verwarf dieses als unzulässig, da aufgrund einer unrichtigen Sachbehandlung des Registergerichts schon keine beschwerdefähige Entscheidung vorgelegen habe. Der Kläger legte gegen den zuständigen Rechtspfleger des Registergerichts daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde ein. In einem an den für die Rechtsbeschwerde zuständigen Richter gerichteten Brief schrieb der Kläger unter anderem folgendes: „Die Unregelmäßigkeiten werden bei N nicht enden, aber zumindest offene Rechtsbrüche wie bei diesen aktuellen Urabstimmungen wieder sollten gestoppt werden. Es gibt auch eine andere Art von groben Missständen, nicht nur wie sie ja aktuell auch öffentlich diskutiert bei der gemeinnützigen Organisation ‚U C2‘ vorkommen, es ist der totale Wahnsinn!“. Der Verein „U C2“ war zuvor wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in die Schlagzeilen gekommen.
Um eine Verbesserung der Zustände innerhalb des Vereins zu bewirken und die vereinsinterne Willensbildung zu fördern, versuchte der Kläger zum anderen, sechs seiner Meinung nach rechtswidrig durchgeführte Mitgliederurabstimmungen durch Einreichung entsprechender Mitgliederbegehren wiederholen zu lassen. In diesem Zusammenhang kam es zu einer E-Mail des Klägers an mehrere Vereinsmitglieder vom 01.07.2010, die er als „bcc“, also in Blindkopie an mehrere Dutzend weitere Vereinsmitglieder übersandte und in der er unter anderem schrieb: „Es wird Zeit, dass der jahrelange Prozess mit Vereinsschädigung und Betrug bis in die höchsten Kreise bei N-Verantwortlichen ein Ende findet“.
Die Schiedsstelle leitete daraufhin auf Antrag des Bundesvorstands vom 25.05.2011 ein Vereinsausschlussverfahren gegen den Kläger ein und hörte diesen hierzu an. Der Kläger bot der Schiedsstelle ein Schlichtungsgespräch an. Er bat außerdem darum, die Unterlagen des Ausschlussverfahrens vollständig zu veröffentlichen. Noch während des Verfahrens wurde der Kläger aus den Internetforen und Mailinglisten des Vereins ausgeschlossen. Einträge und Eingaben des Klägers wurden entgegen der vereinsinternen Konventionen ohne Begründung gelöscht. Die daraufhin vom Kläger angerufene Schiedsstelle lehnte eine Entscheidung hierzu unter Hinweis darauf ab, dass ein ausgeschlossenes Mitglied keine Rechte geltend machen könne. Mit Beschluss vom 21.09.2011 wurde der Kläger wegen vereinsschädigenden Verhaltens aus dem Verein ausgeschlossen. Zur Begründung stützte sich die Schiedsstelle auf die wiederholten Manipulationsvorwürfe des Klägers gegen einzelne Vereinsorgane und nahm auf die oben zitierten Äußerungen des Klägers in der E-Mail vom 01.07.2010 sowie dem Schreiben an das Oberlandesgericht vom 18.11.2010 Bezug. In diesen erblickte sie Tatsachenbehauptungen, aus denen sie eine „vorsätzliche, auf die Zerstörung des Ansehens des Vereins gerichtete Einstellung“ des Klägers folgerte. Sie warf ihm zudem vor, die von ihm eingelegten Rechtsbehelfe ausschließlich als Plattform für die Verbreitung seiner gegen das Ansehen des Vereins gerichteten falschen Tatsachenbehauptungen zu nutzen. Sie stützte sich weiter auf die Uneinsichtigkeit des Klägers, die sie daraus folgerte, dass er trotz der vorangegangenen Entscheidung der Schiedsstelle und des Registergerichts, aus denen sich ergebe, es seien keine Manipulationen bei den Mitgliederurabstimmungen vorgekommen, gegen diese einen Rechtsbehelf eingelegt hatte. Schließlich habe der Kläger den Rechtsweg, auf den er von dem Registergericht verwiesen worden sei, nicht beschritten.
Der Vereinsausschluss des Klägers wurde in der Vereinszeitschrift, die eine Druckauflage von 6.500 Stück hatte, ganzseitig und unter Angabe der Ausschlussgründe bekannt gemacht. Die Zeitschrift konnte zudem von jedermann im Internet elektronisch abgerufen und eingesehen werden.
Der Kläger war der Ansicht, die Schiedsstelle sei für den Vereinsausschluss unzuständig gewesen, da der satzungsändernde Beschluss der Mitgliederversammlung vom 08.05.2010, mit dem der Schiedsstelle die entsprechende Kompetenz übertragen wurde, wegen mangelnder Bezeichnung des Gegenstandes in der Tagesordnung unwirksam gewesen sei.
Er erhob daher Klage zum Landgericht mit folgendem Begehr:
- festzustellen, dass der Beschluss der Schiedsstelle des Beklagten vom 21.09.2011, durch den der Kläger gemäß den Bestimmungen in § 5 Nr. 3 und 4 sowie § 12 Nr. 3 bis 5 der Satzung aus dem Verein ausgeschlossen wurde, unwirksam ist, sowie
- den Beklagten zu verurteilen, die im Tenor zu 1. getroffene Feststellung in der Vereinszeitschrift des Beklagten „N“ auf einer ganzen Seite und unter Angabe der wesentlichen Entscheidungsgründe zu veröffentlichen.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Bonn gab der Klage statt.
I. Zu den Formalia
1. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 71 Abs. 1 i.V.m. § 23 Nr. 1 GVG i.V.m. §§ 1 ff. ZPO. Der gemäß § 3 ZPO von dem Gericht nach freiem Ermessen festzusetzende Zuständigkeitsstreitwert für den Feststellungsantrag beträgt € 6.500,00. Bei einer Klage auf Feststellung, dass der Ausschluss des Klägers aus einem Idealverein unwirksam ist, handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, wenn der Kläger, wie hier, vorwiegend in seiner Ehre, seiner Achtung und seiner Geltung im Rahmen der Allgemeinheit betroffen ist. Aus dem Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 GKG folgt, dass in diesem Fall als ermessensleitende Erwägungen alle Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen. Vorliegend hat die Kammer zugrunde gelegt, dass der Kläger aktives Vereinsmitglied ist, das sich sowohl vereinsintern als auch nach außen hin für den Verein und dessen Ziele einsetzt, er zu diesem Zweck sogar seine berufliche Vollzeitbeschäftigung auf 80 % reduzierte und durch seine Tätigkeiten auch überregional vielen Mitgliedern bekannt ist. Ferner wurde der Ausschluss nebst Gründen in der Vereinszeitschrift mit einer Druckauflage von 6.500 Stück auf einer ganzen Seite veröffentlicht und damit potentiell jedem Mitglied und durch die zusätzliche Abrufbarkeit der Zeitschrift im Internet auch Dritten bekannt gemacht. Der Streitwerthöhe steht auch nicht die zitierte Entscheidung des OLG Koblenz entgegen. Soweit dieses im Jahr 1989 für einen Vereinsausschluss einen Streitwert von DM 4.000,00 für angemessen gehalten hat, so hatte diese Entscheidung einen für den dortigen Kläger weitaus weniger öffentlichkeitswirksamen Fall zum Gegenstand. Der Betrag wäre heute, nach über 20 Jahren, außerdem schon wegen der Geldwertentwicklung mit mindestens € 4.000,00 anzugeben.
2. Bei einer Vereinsmitgliedschaft handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist darin zu sehen, dass sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis die weiteren Rechte und Pflichten des Klägers gegenüber dem Beklagten ergeben.
3. Die Klage ist nicht gemäß § 1059 Abs. 3 S 1 ZPO verfristet, da der Beschluss der Schiedsstelle keinen Schiedsspruch im schiedsgerichtlichen Verfahren gemäß §§ 1025 ff. ZPO darstellt. Es kann offenbleiben, ob die Schiedsstelle des Beklagten überhaupt als Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO anzusehen ist, woran wegen der hierfür erforderlichen Unparteilichkeit erhebliche Zweifel bestehen dürften. Denn jedenfalls handelt es sich bei dem Vereinsausschluss nicht um eine Entscheidung zur Klärung einer Streitigkeit über ein Rechtsverhältnis (vgl. § 1029 Abs. 1 ZPO). Der Ausschluss hat das hier streitige Rechtsverhältnis vielmehr erst begründet.
4. Da der Ausschluss zur Beendigung der Mitgliedschaft führt, liegt auch keine vereinsinterne Streitigkeit i.S.d. § 12 Nr. 1 der Satzung vor, für die gemäß § 12 Nr. 6 der Satzung der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen wäre.
5. Schließlich ist auch der Leistungsantrag zulässig. In dem Umstand, dass er erst nach Rechtshängigkeit der ursprünglich nur mit dem Feststellungsantrag erhobenen Klage in den Prozess eingeführt wurde, ist eine nachträgliche Anspruchshäufung zu sehen, auf die die Vorschriften über die Klageänderung analog anzuwenden sind. Auf diese hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung widerspruchslos eingelassen (§ 267 ZPO analog), zudem ist sie aufgrund der Prozessökonomie sachdienlich (§ 263 ZPO analog).
II. Zur Wirksamkeit des Beschlusses der Schiedsstelle
1. Der Beschluss der Schiedsstelle vom 21.09.2011, durch den der Kläger aus dem Verein ausgeschlossen wurde, ist unwirksam. Vereinsbeschlüsse, die eine Strafe zum Gegenstand haben, können aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Vereinsautonomie lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie formell rechtmäßig sowie die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen zutreffend ermittelt worden sind, und ob die Strafe weder gesetzeswidrig, sittenwidrig, willkürlich oder offenbar unbillig ist.
a) Der Beschluss ist aufgrund der begründeten Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der Schiedsstelle formell rechtswidrig.
Die formelle Rechtmäßigkeit umfasst auch die Einhaltung allgemeingültiger Verfahrensgrundsätze. Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Vereinsautonomie braucht das vereinsrechtliche Ordnungsverfahren allerdings nicht den vollen Standards gerichtlicher Verfahren zu entsprechen. Zu fordern ist jedoch ein Minimum an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der an der Entscheidung mitwirkenden Funktionsträger. Vorliegend wurde der Kläger noch während des laufenden Ausschlussverfahrens aus den Internetforen und Mailinglisten des Vereins ausgeschlossen, seine Einträge und Eingaben entgegen der vereinsinternen Konventionen ohne Begründung gelöscht. Die von ihm daraufhin angerufene Schiedsstelle lehnte eine Befassung mit der Sache unter Hinweis darauf ab, ein ausgeschlossenes Mitglied könne keine Rechte geltend machen. Hierin ist eine offensichtliche und grobe Missachtung der zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch bestehenden Mitgliedschaftsrechte des Klägers zu sehen, so dass sich der Verdacht aufdrängt, eine unvoreingenommene Sachverhaltsprüfung finde nicht mehr statt und die Schiedsstelle habe sich ihr Urteil bereits vor Abschluss des Verfahrens gebildet.
b) Offenbleiben kann, ob der Beschluss darüber hinaus wegen weiterer formeller Fehler rechtswidrig ist, insbesondere ob die Schiedsstelle für den Vereinsausschluss zuständig war. Soweit der Kläger vorträgt, der der Satzungsänderung vom 16.12.2010 zugrunde liegende Beschluss der Mitgliederversammlung vom 08.05.2010 sei wegen mangelnder Bezeichnung des Gegenstandes in der Tagesordnung unwirksam (vgl. § 32 Abs. 1 S 2 BGB), dürfte dem entgegenstehen, dass im Punkt 6.3 der Tagesordnung auch eine Änderung des § 5 der Satzung, der unter anderem die Zuständigkeit für den Vereinsausschluss regelt, in Hinblick auf die Regeln des Mitgliederaustritts vorgesehen war.
c) Der Beschluss ist auch materiell unwirksam, da er zum einen auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage beruht, zum anderen willkürlich ist.
Der gerichtliche Überprüfungsspielraum vereinsinterner Ausschließungsentscheidungen erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH neben der Frage, ob die Entscheidung unbillig oder willkürlich ist, auch auf den Umstand, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrundegelegt wurden, bei objektiv und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind.
Die Schiedsstelle begründet den Vereinsausschluss unter anderem mit den Äußerungen des Klägers in der E-Mail vom 01.07.2010 sowie dem Schreiben an das Oberlandesgericht vom 11.06.2011. Dabei geht sie davon aus, die vom Kläger eingelegten Rechtsbehelfe vor dem Registergericht und dem Oberlandesgericht betreffend das Verfahren bei der Urabstimmung vom 11.06.2010 bis zum 01.07.2010 ergeben hätten, dass die vom Kläger gegen die Vereinsorgane erhobenen Manipulationsvorwürfe unzutreffend seien. Auf dieser Grundlage macht sie dem Kläger zum Vorwurf, sich uneinsichtig zu zeigen und ungerechtfertigterweise an seinen Behauptungen festzuhalten. Ob die vom Kläger erhobenen Vorwürfe unzutreffend sind, kann jedoch weder der Entscheidung des Registergerichts noch der des Oberlandesgerichts entnommen werden. Das Registergericht war lediglich der Ansicht, die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel hätten keine Regelung in der Vereinssatzung erfahren; soweit das Verfahren auch durch die Satzung geregelt werde, seien diese Vorschriften eingehalten worden. Über die Einhaltung sonstigen Vereinsrechts, insbesondere der unterhalb der Satzung stehenden Ausführungsbestimmung zur Mitgliederurabstimmung, hatte das Registergericht nicht zu befinden. Nichts anderes ergibt sich aus der Zurückweisung der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht. Diese wurde nämlich nicht als unbegründet zurückgewiesen, sondern als unzulässig verworfen, und dies darüber hinaus nicht aus Gründen, die der klägerischen Sphäre entstammen, sondern wegen einer unrichtigen Sachbehandlung des Registergerichts. Vor diesem Hintergrund kann dem Kläger nicht zur Last gelegt werden, sich uneinsichtig zu zeigen.
Die Schiedsstelle geht weiter davon aus, der Kläger habe einen Rechtsweg nicht beschritten, auf den ihn das Registergericht in der genannten Entscheidung verwiesen habe. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Entscheidung nicht entnommen werden, wie der Verweis des Registergerichts zu verstehen war. Den Rechtsweg, wie er in § 12 Nr. 6 der Satzung erwähnt wird, hat der Kläger jedenfalls gerade durch die Anrufung des Registergerichts beschritten.
Die Schiedsstelle trifft ferner die Wertung, der Kläger benutze die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausschließlich als Plattform für die Verbreitung seiner gegen das Ansehen des Vereins gerichteten falschen Tatsachenbehauptungen. Der Vorwurf der Zweckentfremdung wird nicht durch Tatsachen belegt und erscheint vor dem Hintergrund der Nichtöffentlichkeit der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (siehe § 170 S. 1 GVG) sowie der Verschwiegenheitsverpflichtung der beteiligten Amtsträger abwegig.
Ebenso fehlt es an einer hinreichend ermittelten Tatsachengrundlage hinsichtlich des Vorwurfs, der Kläger weise eine auf die Zerstörung des Ansehens des Vereins gerichtete Einstellung auf. So hat der Kläger erklärt, eine Verbesserung der Zustände innerhalb des Vereins bewirken und die vereinsinterne Willensbildung fördern zu wollen. Die Annahme solch vereinsfördernder Zwecke ist jedenfalls nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil Vereinsorgane kritisiert werden, wenn die Kritik, wie hier, der Aufdeckung und Beseitigung von Missständen dient. Gegen eine vereinsfeindliche Einstellung sprechen insbesondere sein Bestreben nach Transparenz im Ausschlussverfahren sowie der Umstand, dass er seine Äußerungen stets in einer Weise getätigt hat, die eine Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit ausschloss, und zwar, wie aufgezeigt, auch vor Gericht.
Der Ausschluss war im Hinblick auf die beiden zuletzt genannten Aspekte zudem auch offenbar unbillig. Ob eine Vereinsstrafe grob unbillig ist, hängt davon ab, ob sachliche Gründe die Verhängung gerade dieser Vereinsstrafe rechtfertigen. Eine offenbare Unbilligkeit wird angenommen, wenn das Mitglied wegen einer Äußerung bestraft wird, die es in Wahrnehmung berechtigter Interessen aufstellen durfte. Die Geltendmachung seiner Anliegen mit verfahrensrechtlich zulässigen Rechtsbehelfen sowie in satzungsmäßig vorgesehenen Mitgliederbegehren zur Herbeiführung von Mitgliederurabstimmungen stellt eine solche berechtigte Interessenwahrnehmung dar. Eine kritischere Auseinandersetzung mit den klägerischen Motiven wäre von der Schiedsstelle wohl auch vor dem Hintergrund, dass es sich der Verein selbst zur Aufgabe gemacht hat, direkte Demokratie zu fördern und sich mit den Möglichkeiten der direkten politischen Einflussnahme auseinanderzusetzen, zumindest wünschenswert gewesen. Schließlich handelt es sich bei den klägerischen Äußerungen, es lägen „offene Rechtsbrüche“, „Vereinsschädigung und Betrug bis in die höchsten Kreise“, „grobe Missstände“ sowie der „totale Wahnsinn“ vor, anders als von der Schiedsstelle in ihrer Begründung ausgeführt, nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungen, deren Äußerung ebenfalls für ein Mitglied eines solchen Vereins noch eine berechtigte Interessenwahrnehmung darstellt. Dies folgt daraus, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung fielen, durch die er andere auf sein Anliegen aufmerksam machen wollte. Als Tatsachenkern stützte er sich hierbei auf die zwischen den Parteien unstreitigen Vorkommnisse in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Mitgliederbegehren und Mitgliederurabstimmungen: das zweimal fehlerhaft veröffentlichte Mitgliederbegehren in den Jahren 2001/2002 sowie die optisch hervorgehobene Empfehlung des Vorstands, ein Begehren abzulehnen, die Besetzung der Abstimmungsleitung mit einem lediglich ehemaligen Vorstandsmitglied und den faktischen Ausschluss eines weiteren Mitglieds der Abstimmungsleitung bei der Urabstimmung im Jahr 2010. Um den von ihm daraufhin mit initiierten Mitgliederbegehren zur Ausräumung der von ihm als solche empfundenen Unregelmäßigkeiten durch Wiederholung von insgesamt sechs Urabstimmungen zum Erfolg zu verhelfen, war er gemäß § 11 Nr. 1 der Satzung auf die Unterstützung von mindestens 100 Mitgliedern angewiesen. In den Rahmen einer Diskussion zur Erlangung solcher Unterstützung kann es auch gehören, die eigene Meinung erkennbar überspitzt darzustellen, um die Aufmerksamkeit anderer Vereinsmitglieder zu erwecken und diese zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik anzuregen. Eine verleumderische Absicht kann hierin schwerlich gesehen werden. Ebenso verhält es sich mit den Äußerungen des Klägers bei dem Registergericht und dem Oberlandesgericht, durch die er die Dringlichkeit seines Anliegens zu verdeutlichen suchte.
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 31 BGB einen Anspruch darauf, dass die Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses nebst deren Gründen in der Vereinszeitschrift „N“ auf einer ganzen Seite veröffentlicht wird. Durch die Veröffentlichung des Vereinsausschlusses auf einer ganzen Seite nebst deren Gründen hat der Beklagte den Kläger adäquat-kausal in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, das als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB allgemein anerkannt ist. Dadurch, dass die Zeitschrift von jedermann im Internet abgerufen und eingesehen werden konnte, wurde nicht nur Vereinsmitgliedern, sondern auch Außenstehenden auf den Kläger stigmatisierende Art und Weise der Eindruck vermittelt, dieser sei aufgrund einer zutreffenden Tatsachenermittlung zu Recht aus dem Verein ausgeschlossen worden. Die Verletzung war auch nicht durch eine Einwilligung des Klägers gerechtfertigt. Der während des Ausschlussverfahrens vom Kläger geäußerte Wunsch nach vollständiger Veröffentlichung der Unterlagen kann nicht so verstanden werden, dass er zugleich um eine Veröffentlichung des Vereinsausschlusses in gerade dieser Form, wie sie erfolgt ist, gebeten hat. Vielmehr muss es als Intention des Klägers angesehen werden, durch Herstellung von Transparenz in dem seiner Meinung nach zu Unrecht geführten Verfahren den Ausschluss gerade zu verhindern. Sowohl dies, als auch die Umstände, die zur Rechtswidrigkeit des Vereinsausschlusses führen, als auch die den Kläger stigmatisierende Wirkung der Veröffentlichung waren für den Beklagten erkennbar, so dass er zumindest fahrlässig gehandelt hat. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat gemäß § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Wäre der Beschluss der Schiedsstelle nebst Gründen nicht abgedruckt worden, wäre die Rechtsgutsverletzung mangels Stigmatisierung des Klägers ausgeblieben. Die Rehabilitation des Klägers kann hier durch einen „actus contrarius“ zur Veröffentlichung des Vereinsausschlusses, also die Veröffentlichung dieser Entscheidung nebst ihren wesentlichen Gründen auf einer ganzen Seite in der Vereinszeitschrift, erreicht werden.
Landgericht Bonn, Urteil vom 08.01.2013 – 18 O 63/12