Der Bundesfinanzhof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Urteil einer Prozesspartei per Telefax und gegen Empfangsbekenntnis wirksam zugestellt werden kann.
Bei der Klägerin handelte es sich um eine im Bereich des Metallhandels tätige GmbH. Sie wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil eines Finanzgerichts vom 21.03.2013, das in öffentlicher Sitzung verkündet worden ist.
Ein erster Versuch, das mit Gründen versehene Urteil am 10.04.2013 an die – zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene – Klägerin zuzustellen, scheiterte. Nach Angaben des Zustellers sei die Klägerin unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln.
Daraufhin erfolgte am 26.04.2013 eine Übersendung der “Ausfertigung des Urteils … zur Kenntnis” per Fax gegen Empfangsbekenntnis an die Klägerin. Ein entsprechendes Empfangsbekenntnis ist in den Finanzgerichtsakten nicht enthalten.
Die Klägerin hat ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet.
Der Bundesfinanzhof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen ist, da eine Entscheidung über die Beschwerde ohne ordnungsgemäße Zustellung des Urteils des Finanzgerichts nicht ergehen kann.
Die Beschwerde kann trotz fehlender Begründung nicht als unzulässig verworfen werden.
Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bundesfinanzhof einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Bei einem – wie hier – verkündeten Urteil kann die Beschwerde schon vor Zustellung eingelegt werden.
Die Beschwerdebegründungsfrist beginnt auch bei verkündeten Urteilen erst mit Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils (§ 104 Abs. 1 Satz 2 FGO). Daran fehlt es hier.
1. Die vom Finanzgericht gewählte Zustellung an die Klägerin per Telefax gegen Empfangsbekenntnis war nicht zulässig.
Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO, § 174 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Urteil per Telefax (gegen Empfangsbekenntnis) nur an einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts zugestellt werden.
Die Klägerin zählt jedoch nicht zu dem genannten Personenkreis. Sie ist insbesondere keine Gesellschaft, die durch Angehörige der oben genannten Berufe handelt. Auch kann bei ihr nicht aufgrund ihrer Tätigkeit von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden, da sie weder standesrechtlich gebunden noch in den Organismus der Justiz eingebunden ist.
2. Der Zustellungsmangel ist nicht gemäß § 189 ZPO geheilt. Eine Heilung tritt danach nur ein, wenn der Klägerin das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich zugegangen ist. Davon kann aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden.
Wegen der verschiedenen Möglichkeiten von Unterbrechungen und Störungen der Datenübermittlung im öffentlichen Netz, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden, kann durch ein Telefax-Sendeprotokoll weder der Zugang des Telefax bewiesen noch ein Anscheinsbeweis für einen Zugang erbracht werden, so der Bundesfinanzhof.
Anhaltspunkte dafür, die Klägerin habe das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich erhalten, ergeben sich im Streitfall nicht. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschrift ist weder eine Kopie des Urteils beigefügt noch enthält sie eine Begründung, die auf die Kenntnis der vollständigen Urteilsgründe schließen lässt.
Eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO kommt nicht in Betracht. Die fehlende Zustellung des Urteils stellt zwar einen Verfahrensfehler dar. Auf diesem kann das in öffentlicher Sitzung vom 21.03.2013 verkündete Urteil jedoch nicht beruhen.
Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre. Daran fehlt es aber bei einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, die die Zustellung eines ordnungsgemäß niedergelegten und der Geschäftsstelle übergebenen vollständig abgefassten Urteils (§ 105 Abs. 4 FGO) betreffen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.10.2013 – V B 54/13