martina heck

28.05.2014

Und der Miniatur-Bullterrier ist und bleibt immer noch ein Miniatur-Bullterrier

Wir hatten bereits hier über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen berichtet, in der klargestellt wurde, dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine gegenüber dem Bullterrier eigenständige Rasse handelt.

Nun hat sich mit dieser Thematik auch das Verwaltungsgericht Gera beschäftigt.

In diesem Fall streiten die Beteiligten um die Frage, ob der vom Kläger gehaltene Miniatur-Bullterrier von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürTierGefG (Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung von Tiergefahren) erfasst wird, wonach Bullterrier kraft Gesetzes zu den gefährlichen Hunden gehören. Der Kläger war am 13.02.2012 durch Bedienstete der Stadt Altenburg (Beklagte) mit seinem Miniatur-Bullterrier im Stadtgebiet der Beklagten angetroffen worden. Der Hund trug weder einen Maulkorb noch konnte eine entsprechende Erlaubnis vorgelegt werden. Der Kläger wies darauf hin, dass der Hund nicht zu den Kampfhunden zähle. Der Hund sei in X gemeldet. Halter sei sein Vater. Im Rahmen der Prüfung dieser Angelegenheit erhielt die Beklagte von X die Auskunft, dass der Miniatur-Bullterrier zur Hundesteuer angemeldet und die Chippung und die Haftpflichtversicherung angezeigt worden sei. Ferner teilte am 20.02.2012 das Thüringer Landesverwaltungsamt der Beklagten mit, dass das Thüringer Innenministerium auf der Grundlage eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Halle vom 25.01.2011 den Miniaturterrier zu den in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG gelisteten Hunden zähle. Seit dem 23.12.2011 sei der Miniatur-Bullterrier durch den Internationalen Dachverband der Hundezucht (F.C.I.) in der Nomenklatur der Hunderassen in Gruppe 3 (Terrier), Sektion 3 (Bullartiger Terrier) unter der Standard-Nr. 359 als eigenständige Rasse aufgeführt. Im Hinblick auf Anfragen von Hundehaltern sei das Thüringer Innenministerium um Stellungnahme gebeten worden, ob die Gefährlichkeit des Miniatur- Bullterriers weiterhin damit begründet werden könne, dass er als kleinere (Mini)Ausgabe des Bullterriers von der bisherigen Auflistung der Rassen umfasst sei oder ob es erforderlich sei, den Miniatur-Bullterrier als eigenständige Rasse gemäß den FCI-Regelungen durch eine Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 4 ThürTierGefG als gefährlich zu bestimmen. Bis zur Entscheidung des Thüringer Innenministeriums wurde um das Ruhen etwaiger Verfahren gebeten.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 23.02.2012 die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 ThürTierGefG, nachdem er den Hund am 01.02.2012 aus X von seinem Vater übernommen hatte. Mit Schreiben vom 27.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Thüringer Innenministerium in dem an alle Kommunen und Landkreise Thüringens gerichteten Schreiben vom 17.10.2011 den Miniatur-Bullterrier als Bullterrier und damit als gefährlichen Hund gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürTierGefG einstufe und sich an dieser Einordnung nichts geändert habe. In dem Schreiben vertrat das Thüringer Innenministerium die Auffassung, dass der Miniatur-Bullterrier zu den in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürTierGefG gelisteten Hunden gehöre und zur Rasse der Bullterrier zu rechnen sei. Dies entspreche der Auslegung des Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetzes des Bundes.

Der Kläger legte mit nicht datiertem Schreiben gegen diese Einordnung seines Hundes als gefährlichen Hund gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürTierGefG Widerspruch ein und wies darauf hin, dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine eigenständige Rasse handele, die in der FCI mit der Rasse Standard-Nr. 359 geführt werde. Mit Schreiben vom 07.03.2012 teilte die Beklagte dem mittlerweile bestellten Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass bislang noch kein angreifbarer Bescheid erlassen worden sei.

Mit Schreiben vom 10.04.2012 teilte das Thüringer Innenministerium dem Thüringer Landesverwaltungsamt mit, dass es keiner gesonderten Begründung einer Gefährlichkeit eines sogenannten Miniatur-Bullterriers bedürfe. Es handele sich hierbei um eine Kreuzung im Sinne des dortigen Gesetzes, wie das zuständige Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt zutreffend ausgeführt habe. Die Rechtslage in Thüringen entspreche der in Sachsen-Anhalt. Die entsprechende Einordnung des Miniaturbullterriers sei auch auf Grund der in der FCI-Standard Nr. 359 beschriebenen Eigenschaften eines solchen Hundes in der Sache gerechtfertigt, dessen Verhalten als mutig und lebhaft beschrieben werde und darüber hinaus das Tier als sehr eigensinnig eingeordnet werde. Hinzu komme, dass ein Miniatur-Bullterrier von einem normalen Bullterrier im Hinblick auf die Größe kaum zuverlässig abzugrenzen sei.

Selbst der entsprechende Rasse-Standard gehe beim Miniatur-Bullterrier davon aus, dass die Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschritten werden “soll”. Eine Gewichtsgrenze soll es ebenfalls nicht geben. Da der FCI-Standard für den Bullterrier als Rasse keine Größengrenze und keine Gewichtsgrenze enthalte, könne davon ausgegangen werden, dass es einen mehr oder weniger gleitenden Übergang vom Bullterrier zum Miniatur-Bullterrier gebe. Schließlich würden sowohl der Bullterrier und der Miniatur-Bullterrier beide in die Gruppe 3 (Terrier), Sektion 3 (bullartige Terrier) eingeordnet. Ferner werde in der Beschreibung ausgeführt, dass bei einem Miniatur-Bullterrier der Standard der gleiche sei wie der des Bullterriers mit Ausnahme der Größenbegrenzung. Eine Gesamtbetrachtung dieser Beschreibung des Miniatur-Bullterriers rechtfertige es unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes, auch Hunde mit dieser Klassifikation unter § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürTierGefG zu subsumieren. Dabei könne letztlich offen bleiben, ob man den Tatbestand einer Kreuzung für gegeben halte oder unmittelbar den Miniatur-Bullterrier unter der Bezeichnung Bullterrier fasse. Die Auslegung des Thüringer Tiergefahrengesetzes könne nicht allein nach Maßgaben entsprechend der Standards eines privaten Interessenverbandes erfolgen. Der Listung des Hundes in einer Verordnung im Sinne von § 3 Abs. 4 ThürTierGefG bedürfe es daher nicht.

Mit Schriftsatz vom 22.05.2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Miniatur-Bullterrier weiterhin als gefährlich im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG einzuordnen sei. Zur Begründung wurde auf das beiliegende Schreiben des Thüringer Innenministeriums Bezug genommen. Die Haltung des Miniaturbullterriers sei daher erlaubnispflichtig (§ 3 Abs. 1 ThürTierGefG). Ferner unterliege er dem Zucht- und Handelsverbot (§ 11 ThürTierGefG).

Der Kläger hat daraufhin Feststellungsklage erhoben.

Es handele sich, so der Kläger, bei seinem Hund um einen reinrassigen Miniatur-Bullterrier. Die Klage sei zulässig, da der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens einer Erlaubnispflicht sowie eines Zuchtverbotes für seinen Hund begehre. Es bestehe insoweit ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die Feststellungsklage sei auch nicht subsidiär, weil insbesondere bislang keine anfechtbaren Verwaltungsakte vorlägen. Der Kläger verfüge auch über das erforderliche berechtigte Interesse, da es ihm nicht zumutbar sei, eine Geldbuße wegen entsprechender Verstöße zu riskieren. Eine Verpflichtung zur Unfruchtbarmachung sowie das Zuchtverbot lasse zudem unwiederbringliche Nachteile und Eingriffe in Art. 14 GG besorgen. Die Klage sei auch begründet. Der Miniatur-Bullterrier sei kein Bullterrier im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 TierGefG. Der Rassestandard des Bullterriers (FCI-Standard Nr. 11) sei wohl am 24.06.1987 veröffentlich worden, während der Standard des Miniatur-Bullterriers mit der FCI-Standard-Nr. 359 am 23.12.2011 veröffentlicht worden sei. Der Internationale Dachverband der Hundezucht, der FCI, gehe folglich eindeutig und unzweifelhaft davon aus, dass es sich bei den gegenständlichen Hunderassen um zwei unterschiedliche Rassen handele, ebenso wie dies etwa bei Mittel- und Riesenschnauzern der Fall sei. Dies sei auch in der nationalen wie internationalen Hundezucht allgemein anerkannt. Die überwiegende Rechtsprechung gehe ebenfalls davon aus, dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine eigenständige Rasse handele. Sowohl der Verband für das deutsche Hundewesen e.V. (VDH) als auch der Internationale Verband FCI gingen von einer gesonderten Rasse bei dem Miniatur-Bullterrier aus. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium habe in einer Auswertung einer Beißstatistik vom 12.04.2010 den Miniatur-Bullterrier nicht dem Standard Bullterrier gleichgesetzt, sondern ihn der Rasse der sogenannten kleinen Hunde zugerechnet. Die entsprechende Einstufung sei durch den Verband für das deutsche Hundewesen beispielsweise durch Schreiben vom 11.07.2000 und 13.07.2011 bestätigt worden. Der nationale Zuchtverband in Großbritannien bestätige ebenfalls die Eigenständigkeit des Miniatur-Bullterriers. Folglich könne nicht der Beklagte hingehen und den Miniatur-Bullterrier als Standardbullterrier behandeln. Dies sei mit den Grundsätzen der Normenklarheit und -bestimmtheit unvereinbar. Wenn gesetzlich nur der Bullterrier als gefährlicher Hund bezeichnet werde, unterliege auch nur diese Rasse dem Handlungsregime des ThürTierGefG. Der Miniatur-Bullterrier könne auch nicht als Bullterriermischling oder Kreuzung im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG angesehen werden. Denn ein reinrassiger Hund könne nicht gleichzeitig eine Kreuzung oder ein Mischling sein. Folglich benötige der Kläger für seinen Hund keine Erlaubnis und müsse ihn nicht sterilisieren lassen. Es sei auch nicht so, dass diese Erkenntnis, wie der Beklagte meint, erst seit 2011 bestehe. In der Hundezucht sei seit jeher klar gewesen, dass es sich um zwei unterschiedliche Rassen handele. Deshalb sei es falsch, dass der Miniatur-Bullterrier auf Grund der jüngsten Entscheidung des FCI erst nachträglich aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes gefallen sei. Vielmehr sei er auf Grund einer unzulässigen erweiternden Auslegung bzw. analogen Anwendung der Vorschrift durch die Exekutive unter das Gesetz gefasst worden. Dies verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Dies gelte umso mehr, als von der entsprechenden Rechtsanwendung auch strafrechtliche Konsequenzen für den Hundehalter abhingen.

Die Stadt Altenburg sah das natürlich ganz anders:

Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Hunderasse der Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden in den Katalog derjenigen Hunde aufgenommen habe, deren Gefährlichkeit auf Grund genetischer Veranlagung unwiderlegbar vermutet werde. Vorliegend bestehe die Besonderheit, dass der FCI-Standard-Nr. 359 für die Hundezuchtrasse des Miniatur-Bullterriers erst am 05.07.2011 publiziert und unter dem 23.12.2011, also zeitlich nach Inkrafttreten des ThürTierGefG veröffentlicht worden sei, so dass die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG nicht erhellen könne, ob die streitgegenständliche Hundezuchtrasse der gesetzlich unwiderlegbaren Gefährlichkeitsvermutung unterliege. Allerdings könne der Entstehungsgeschichte entnommen werden, dass der Gesetzgeber bereits damals die Auffassung vertreten habe, dass die von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG erfassten Hundegruppen nicht abschließend seien. So sei im Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drs. 5/1707 (Seite 16) ausgeführt worden, dass Nr. 1 eine beispielhafte Aufzählung besonders gefährlicher Hunderassen enthalte, wobei die genannten vier Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden als unwiderlegbar gefährlich im Sinne des Gesetzes gelten. Die Aufzählung sei nicht abschließend, da nicht auszuschließen sei, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen andere Rassen ein in gleicher Weise erhöhtes Gefahrenpotential besäßen. Im Übrigen würden die für die Beantwortung der hier anstehenden Rechtsfragen erfolgten Anerkennungen von Zuchthunderassen durch nationale sowie internationale kynologische Dachverbände nichts hergeben. Vielmehr lege eine teleologische Auslegung der Vorschrift nahe, dass sich die besondere Gefährlichkeit der aufgezählten Hundegruppen nicht auf physiologische Eigenschaften wie Größe, Gewicht oder Beißkraft begründe, sondern auf einer zuchtgeschichtlichen bzw. durch Selektion bedingten, genetisch veranlagten Verhaltensstörung beruhe, die ein Missbrauchspotential zur Erzeugung gefährlicher Hunde darstelle. Diesem Missbrauchspotential einer genetisch veranlagten Verhaltensstörung sollte auch durch das umfassend geregelte Zucht-, Vermehrungs- und Handelsverbot begegnet werden, wie sich aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung ergebe. Der Subsumtion des Miniatur-Bullterriers unter den Begriff des Bullterriers stehe auch nicht der Grundsatz der Normenklarheit und -bestimmtheit entgegen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses (beim Thüringer Innenministerium) hat darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens der Miniatur-Bullterrier nicht als eigene Hunderasse behandelt worden sei. Vom Weltverband der Züchter (FCI) sei der Miniatur-Bullterrier erst seit dem 23.12.2011, also nach dem Inkrafttreten des ThürTierGefG am 01.09.2011 als eigene Rasse geführt worden. Weder der Gesetzgeber noch das zuständige Fachministerium hätten deshalb anders gehandelt, eine Differenzierung zwischen dem sogenannten Standard-Bullterrier und dem sogenannten Miniatur-Bullterrier, die beide als Kampfhunde gezüchtet worden seien, vorzunehmen. Nach Auffassung des Thüringer Innenministeriums könne der Miniatur-Bullterrier nicht nachträglich im Wege der Auslegung aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG herausgenommen werden. Hierfür sei eine gesetzliche Regelung erforderlich. Hinzu komme, dass es sich bei der Einstufung einer Hunderasse als eigene Rasse um eine Einschätzung eines privaten Hundeverbandes handele, bei der allein züchterische und nicht Gefahrengesichtspunkte im Vordergrund stünden.

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht Gera hat der Klage stattgegeben.

Die Klage ist zulässig und als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten keine Rechtsbeziehung dergestalt besteht, dass der Hund des Klägers einer Erlaubnispflicht gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 ThürTierGefG unterliegt und ein Zucht- und Handelsverbot für gefährliche Hunde gemäß § 11 ThürTierGefG nicht besteht. Das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich unzweifelhaft daraus, dass die Beklagte gegenteiliger Auffassung ist, so dass der Kläger sich nach dieser Auffassung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 ThürTierGefG ordnungswidrig verhält. Folglich besteht ein Interesse an der Klärung der unterschiedlichen rechtlichen Einordnung des Hundes des Klägers. Die Feststellungsklage ist auch nicht subsidiär. Eine vorrangig zu erhebende Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, da ein belastender Verwaltungsakt seitens der Beklagten bislang nicht ergangen ist. Insbesondere ergibt sich aus der Mitteilung der Beklagten vom 27.02.2012 kein feststellender Verwaltungsakt bezüglich der Einordnung des Hundes des Klägers. Hiervon geht auch die Beklagte aus. Eine anderweitige Gestaltungs- und Leistungsklage kommt ebenfalls ersichtlich nicht in Betracht, um eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen.

Die Klage ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Gera auch begründet. Der Hund des Klägers ist kein gefährlicher Hund gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG, so dass er der Erlaubnispflicht gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 ThürTierGefG und dem Zucht- und Handelsverbot gemäß § 11 ThürTierGefG nicht unterliegt. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG gelten als gefährliche Hunde im Sinne dieses Gesetzes neben den dort genannten Hunderassen Hunde der Rasse Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört der Hund des Klägers nicht zur Rasse der Bullterrier. Vielmehr handelt es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine eigenständige Hunderasse, die in der genannten Vorschrift nicht erwähnt wird. Zu diesem Ergebnis ist das Verwaltungsgericht Gera nach Durchführung einer Beweisaufnahme gelangt.

Hinsichtlich des Begriffs der „Rasse“ sind mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Gesetz die Rassebeschreibungen der entsprechenden Zuchtverbände maßgeblich. Aufgrund der in den verschiedenen Stellungnahmen der Zuchtverbände angeführten Abgrenzung zwischen dem Standard-Bullterrier und dem Miniatur-Bullterrier ist letzterer nicht lediglich als kleine, aber annähernd gleich gefährliche Variante des Standard-Bullterriers einzuordnen, sondern als eigenständige Rasse zu führen. Dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine vom Standard-Bullterrier unterschiedliche Rasse handelt, ergibt sich zunächst aus dem Rassestandard des Bullterriers, dem F. C. I.-Standard Nr. 359, des Internationalen Dachverbands der Hundezucht (F.C.I.). Zu dem gleichen Ergebnis gelangt der Verband für das Deutsche Hundewesen e. V. (VDH), der in seinem Schreiben vom 11.07.2000 davon ausgeht, dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine eigenständige Rasse handelt, welche nicht identisch mit dem Bullterrier ist. Ferner wird danach für die Rasse des Miniatur-Bullterrier innerhalb des VDH ein eigenes Zuchtbuch geführt und sie dürfen nicht mit der Rasse Bullterrier gekreuzt werden. Seit dem 23.12.2011 führt der FCI den Miniatur-Bullterrier unter einer eigenständigen Rassestandard-Nummer (FCI-Standard-nummer 359).

Die entsprechende Einordnung des Miniatur-Bullterriers als eigenständige Rasse durch die genannten Verbände bestätigte das eingeholte Sachverständigengutachten. Insbesondere führte der Sachverständige aus, das es keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse bzw. Stellen gibt, nach denen andere Kriterien der Rasseabgrenzung bestimmt werden bzw. die andere Rasse-Abgrenzungskriterien vertreten, als die genannten Zuchtverbände. Auch in zoologischer Hinsicht ist danach bei der zu entscheidenden Frage, ob es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine eigene Rasse handelt, allein auf die phänotypischen Merkmale anhand der Kriterien der Zuchtverbände abzustellen. Ferner stellte der Sachverständige klar, dass allein anhand der phänotypischen Merkmale die Rasse eines Hundes festzustellen ist und nicht etwa nach der genetischen Veranlagung, wie die Beklagte meint. Die Abgrenzungskriterien nach äußeren Erscheinungsmerkmalen sind danach auch nicht ungeeignet, um eine Rasse zu bestimmen. Insbesondere stellte der Gutachter klar, dass ein Miniatur-Bullterrier, der beispielsweise eine Widerristhöhe erreicht, die normalerweise ein Standard-Bullterrier aufweist, ohne weiteres als Miniatur-Bullterrier für den Fachmann zu erkennen ist, da in diesem Falle hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes die Proportionen des Hundes nicht passen. Hiervon ausgehend kann es nicht weiterführen, das im Grundsatz zwischen dem Standard-Bullterrier und dem Miniatur-Bullterrier keine wesentlichen phänotypischen Unterscheidungen vorhanden sind und sie sich im Wesentlichen in der Widerristhöhe unterscheiden, die sich beim Miniatur-Bullterrier im Bereich von 35,5 cm bis 37,5 cm bewegt, während der Standard-Bullterrier Widerristhöhen von 42 cm bis 50 cm (im Mittel 46 cm) aufweist. Nach alledem ist der Hund des Klägers nach geeigneten Abgrenzungskriterien eine von dem Standard-Bullterrier zu unterscheidende Rasse. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Miniatur-Bullterrier über eine erhebliche Beißkraft bzw. rassespezifische Verhaltensweisen verfügen kann, die einem Standard-Bullterrier entsprechen können. Hierzu hat die Beweisaufnahme ergeben, dass für eine entsprechende Abgrenzung der einzelnen Rassen nicht das Aggressionspotential oder sonstige Verhaltensweisen des Tieres maßgebend sind, sondern allein phänotypische Merkmale.

Nichts anderes folgt für die Auslegung des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG daraus, dass erst nach dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren am 01.09.2011 der Miniatur-Bullterrier durch den FCI unter einer eigenen Rasse-Standardnummer beschrieben wurde und der Landesgesetzgeber die zeitlich erst später erfolgte Erfassung des Miniatur-Bullterriers durch den Internationalen Zuchtverband FCI nicht zur Kenntnis nehmen konnte. Daraus folgt nicht, dass der Gesetzgeber den Miniatur-Bullterrier als eigenständige Hunderasse noch nicht wahrgenommen und als Standard-Bullterrier eingeordnet hat. Denn es bestand schon während des Gesetzgebungsverfahrens die Problematik, ob der Miniatur-Bullterrier als gefährlicher Hund einzuordnen ist bzw. eine vom Standard-Bullterrier zu unterscheidende Rasse darstellt (vgl. Auswertung der Berichte über die Statistik der in den Jahren 2008 bis 2009 in Nordrhein-Westfalen behördlich erfassten Hunde vom 12. April 2010). Dort wird auf Seite 5 der Miniatur-Bullterrier unter „kleine Hunde“ erfasst und festgestellt, das seit dem Jahre 2009 die Rasse der „Miniatur-Bullterrier“ bezüglich Beißvorfälle erstmals gesondert erfasst worden sei. Ferner wurde dort darauf hingewiesen, dass der Phänotyp der Rasse – abgesehen von der Größe – dem des Bullterriers nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW entspreche. Folglich wurde auch dort eine eigenständige Rasse angenommen, von der allerdings keine Gefahr ausgegangen sei. Zudem ergibt sich aus der Stellungnahme des VDH, also des Nationalen Zuchtverbandes, dass es sich bei dem Miniatur-Bullterrier um eine seit Jahrzehnten bestehende Hunderasse handelt. Daraus folgt, dass dem Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass ihm im Hinblick auf die erst Ende 2011 durch den FCI erfolgte Erfassung des Miniatur Bullterrier als eigene Rasse eine Unterscheidung der beiden Rassen nicht bekannt war und er den Miniatur-Bullterrier deshalb der Rasse des Standard-Bullterriers zugehörig ansah. Folglich sind die Gesetzesmaterialien für eine Auslegung des § 3 ThürTierGefG hinsichtlich der hier zu entscheidenden Frage unergiebig.

Die Konzeption des Tiergefährdungsgesetzes erfordert es ebenfalls nicht, den Miniatur-Bullterrier zu den Bullterriern gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG zu zählen, bzw. die dort erfolgte Aufzählung der gefährlichen Hunderassen als nicht abschließend anzusehen. Das Gesetz soll Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorbeugen und abwehren, die mit dem Halten und Führen von gefährlichen Hunden und anderen Tieren verbunden sind. Sollten entsprechende Statistiken eine Gefährlichkeit des Miniatur-Bullterriers belegen, steht es dem Verordnungsgeber gemäß § 3 Abs. 4 ThürTierGefG frei, den Miniatur-Bullterrier in die danach vorgesehene Rechtsverordnung aufzunehmen. Aus Gründen der Gesetzessystematik überzeugt es deshalb nicht, dem § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG keinen abschließenden Regelungsgehalt hinsichtlich der dort genannten gefährlichen Hunderassen beizumessen, so dass der Hund des Klägers auch nicht durch eine weitergehende Auslegung von der Vorschrift erfasst wird. Zwar ist dem Gesetzentwurf noch zu entnehmen, dass es sich bei den genannten Hunderassen in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG (im Entwurf noch § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG) um eine bespielhafte Aufzählung handeln sollte. Hierfür gibt aber neben der systematischen Auslegung auch der Wortlaut der Bestimmung nichts her. Dem Wortlaut muss aber unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Norm maßgebliche Bedeutung zukommen, da die Vorschrift Grundlage für strafbewehrte Pflichten des Hundehalters ist.

Der Hund des Klägers ist auch keine Kreuzung mit einer der in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG genannten gefährlichen Hunderassen. Die Beweisaufnahme hat hierzu ergeben, dass der Hund des Klägers eindeutig als reinrassiger Miniatur-Bullterrier einzuordnen ist. Dies ergibt sich nachvollziehbar aus den Feststellungen des Sachverständigen, der den Hund des Klägers in Augenschein genommen hat. Das Gutachten ist insoweit von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen worden. Die für den Hund vorgelegte Ahnentafel des „Deutscher Club für Bullterrier E. V.“ vom 06.01.2012 wurde durch den Sachverständigen geprüft, der bestätigte, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen reinrassigen Miniatur-Bullterrier handelt, der nicht aus einer entsprechenden Kreuzung mit den in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ThürTierGefG genannten gefährlichen Hunden oder anderen Hunden hervorgegangen ist.

Verwaltungsgericht Gera, Urteil vom 06.01.2014 – 2 K 513/12 (rechtskräftig)