Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, dass die Anwendung des Zinssatzes von 6 % per anno gem. § 238 Abs. 1 AO auf ausgesetzte Steuerbeträge gem. § 237 AO trotz kontinuierlich gesunkenen Zinsniveaus jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung verstößt.
Die Kläger hatten eine 1996 erworbene Eigentumswohnung im Jahr 2002 wieder veräußert. Gegen die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft legten sie Einspruch ein. Das Finanzamt gewährte ihnen antragsgemäß Aussetzung der Vollziehung und ordnete im Oktober 2004 im Hinblick auf ein Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist das Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 2 AO an. Nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht im Juli 2010 hob das Finanzamt die gewährte Aussetzung der Vollziehung auf und setzte auf den ausgesetzten Steuerbetrag, soweit eine Abhilfe in der Sache nicht erfolgte, gemäß §§ 237, 238 AO Aussetzungszinsen von 6% per anno für den Zeitraum von mehr als sechs Jahren fest
Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, die konkrete Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 237 AO müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie bei überlanger Verfahrensdauer nicht anzuwenden sei und schon gar nicht Zinsen in Höhe von 6% per anno festgesetzt werden dürften.
Dem ist das Finanzgericht Hamburg nicht gefolgt.
Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt und ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden nach Absatz 2 dieser Vorschrift erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 AO für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz.
Der Beklagte hat am 26.10.2004 Aussetzung der Vollziehung der Einkommen-steuer 2002 in Höhe von 29.632,00 € gewährt. Der Einspruch hatte endgültig keinen Erfolg in Höhe eines Steuerbetrages von 15.850 €. Für die Verzinsung dieses Betrages begann der Zinslauf mit der Fälligkeit der Steuer am 11.11.2004 und endete am 21.03.2011. Die hierauf entfallenden, mit dem angegriffenen Zinsbescheid festgesetzten Zinsen betragen 6.023,00 €. Die Zinsfestsetzung entspricht der geltenden Rechtslage.
Die Frage eines eventuellen Zinsverzichts als Billigkeitserweis gem. § 237 Abs. 4 AO i. V. m. § 234 Abs. 2 AO, der für die Kläger wirtschaftlich auf dasselbe Ergebnis hinausliefe, kann nicht in diesem Anfechtungsverfahren geltend gemacht werden, sondern wäre in einem gesonderten Verfahren zu klären.
Das Finanzgericht Hamburg war nicht gehalten, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob die Festsetzung von Aussetzungszinsen entsprechend § 238 AO i. V. m. § 237 Abs. 1 AO verfassungswidrig ist, weil die vorhandenen verfassungsrechtlichen Zweifel gegenwärtig für eine Vorlage nicht ausreichen.
Aussetzungszinsen sind erstmals durch das Steueränderungsgesetz vom 13.07.1961 eingeführt worden. Seit Inkrafttreten der Abgabenordnung am 01.01.1977 regelt § 237 AO die Verzinsung im Falle der Aussetzung der Vollziehung. Der gesetzliche Zinssatz entspricht der bereits zuvor bestehenden Rechtslage nach § 5 Steuersäumnisgesetz. Danach betrugen die Zinsen für jeden Monat einhalb vom Hundert. Sie waren von dem Tag an, an dem der Zinslauf begann, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate blieben außer Ansatz. Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht gem. § 237 AO ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht “an sich” dem Steuergläubiger zusteht. Aussetzungszinsen sind das Gegenstück zu den Prozesszinsen. Wenn von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst werden, soll das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung erreicht werde sollte, unnötige Steuerprozesse zu vermeiden. Das Gesetz zielt insoweit auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers ab; die Aussetzungszinsen haben den Zweck, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt. Der Gedanke des angemessenen Ausgleichs für die erlangten Liquiditätsvorteile durchzieht auch die übrigen Verzinsungsvorschriften, sei es nach der Abgabenordnung (insbesondere § 233a AO) oder anderer Verfahrensordnungen wie der Zivilprozessordnung. Vor diesem Hintergrund bestehen dem Grunde nach keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Verzinsung des im Fall eines späteren endgültigen Unterliegens zu zahlenden und von der Vollziehung zunächst ausgesetzten Betrages.
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den typisierten Zinssatz von 6 Prozent per anno bestehen für den hier streitigen Verzinsungszeitraum November 2004 bis März 2011 im Ergebnis nicht.
In der Rechtsprechung ist die Verzinsungsregelung der AO bislang nicht als verfassungswidrig angesehen worden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 03.09.2009 im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verfassungswidrigkeit von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO, betreffend den Zeitraum 2001 bis 2006, erkannt, dass ein Zinssatz von einhalb Prozent pro Monat nicht wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot zu einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG führe. Bei der Verzinsung handele es sich nicht um eine steuerliche Sanktion. Vielmehr solle nur der potentielle Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen abgeschöpft werden. Zwar ermögliche der aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG folgende Anspruch des Steuerpflichtigen, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Leistung von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen (wie Zinsen) herangezogen zu werden, es ihm auch, hierbei die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips einzufordern. Der Steuerpflichtige dürfe nicht zu einer unverhältnismäßigen Abgabe herangezogen werden. In der Verzinsung mit 6 Prozent pro Jahr liege indes keine Verletzung des Übermaßverbots.
Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf einhalb Prozent pro Monat festgesetzt habe, sei dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stelle insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle der konkrete Zinsvorteil- oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zins-sätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären. In vielen Fällen sei eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhänge, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Zudem sei auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a AO i. V. m. § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirke.
Im Hinblick auf diese Entscheidung hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 20.04.2011 für den dortigen Streitzeitraum 1998 bis 2005 keine Veranlassung gesehen, die Höhe des Zinssatzes (für Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO) in Zweifel zu ziehen. Das Bundesverfassungsgericht sei insbesondere auf die Argumentation eingegangen, dass am Kapitalmarkt in den Jahren 2001 bis 2006 mit einer üblichen Anlageform eine Verzinsung von 6 Prozent per anno am deutschen Kapitalmarkt nicht hätte erreicht werden können.
Die maßgeblichen Grundannahmen des Kammerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts dürften allerdings z. T gegenwärtig nicht mehr zutreffen. Insbesondere bestehen Zweifel, ob die “erheblichen praktischen Schwierigkeiten” bei einer Anpassung des Zinssatzes an den jeweiligen Marktzinssatz oder den Basiszinssatz nach § 247 BGB angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV noch bestehen. Zudem ist fraglich, ob die im Einzelnen nicht ausdifferenzierte Überlegung, dass der typisierende Zinssatz von 6 Prozent per anno nicht unverhältnismäßig sei, gegenwärtig noch aufrecht zu halten ist. Gestützt hat sich das Bundesverfassungsgericht hierbei einerseits auf die Annahme, dass es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhänge, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das für Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende und andererseits zu berücksichtigen sei, dass der hohe Zinssatz von 6 Prozent gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirke.
In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass sich das Zinnsatzniveau im letzten Jahrzehnt kontinuierlich nach unten bewegt hat, und zwar gilt dies sowohl für Haben- wie für Sollzinsen. Beispielsweise hat der Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 2 BGB, der seit Übergang der Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank den Diskontsatz abgelöst hat und jeweils zum 01.01. und zum 01.07. von der Deutschen Bundesbank bekannt gemacht wird, seit 2002 folgenden Verlauf genommen und bewegt sich aktuell im negativen Bereich:
-0,13 % 01.01.2013
0,12 % 01.07.2012
0,12 % 01.01.2012
0,37 % 01.07.2011
0,12 % 01.01.2011
0,12 % 01.07.2010
0,12 % 01.01.2010
0,12 % 01.07.2009
1,62 % 01.01.2009
3,19 % 01.07.2008
3,32 % 01.01.2008
3,19 % 01.07.2007
2,70 % 01.01.2007
1,95 % 01.07.2006
1,37 % 01.01.2006
1,17 % 01.07.2005
1,21 % 01.01.2005
1,13 % 01.07.2004
1,14 % 01.01.2004
1,22 % 01.07.2003
1,97 % 01.01.2003
2,47 % 01.07.2002
Auch Festgeldanlagen mit einer Dauer beispielsweise von 5 Jahren erzielen gegenwärtig Zinssätze zwischen 1,3 Prozent und 2,4 Prozent[1], der Sparbuchindex fiel beispielsweise zwischen Mai 2009 und Mai 2013 von 1,116 auf 0,386.
Auch Sollzinsen sind stetig gefallen, beispielsweise betrugen die Refinanzierungszinsen für mittelgroße und große Industrieunternehmen im Mai 2013 durchschnittlich zwischen 1,25 Prozent und 1,9 Prozent. Auch private Konsumentenkredite sind -abhängig von Bonität, Laufzeit, Höhe des Darlehens und dergl- gegenwärtig bereits zu Zinssätzen unter 4 Prozent zu erlangen.
In Konstellationen wie denen des Streitfalls ist zudem zu beachten, dass es – anders als in dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 03.09.2009 zugrunde liegenden Verfahren wegen Nachzahlungszinsen gem. § 333a AO – um die Festsetzung von Aussetzungszinsen geht. Der durch Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und damit auch auf vorläufigen Rechtsschutz gerät in Gefahr, wenn im Falle eines späteren endgültigen Unterliegens – oder Teilunterliegens wie im Streitfall – eine übermäßige Belastung mit Zinsen auf den ausgesetzten Steuerbetrag droht. Dabei ist auch einzubeziehen, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht nur in den Fällen der vom Steuerpflichtigen beantragten Aussetzung der Vollziehung zum Tragen kommen kann, sondern auch dann, wenn die Finanzbehörde von Amts wegen Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt, obwohl der Steuerpflichtige dies weder beantragt hat noch wünscht, um aus haushalterischen Erwägungen dem Risiko der hohen Verzinsung zu entgehen, sog. aufgedrängte Aussetzung der Vollziehung. Inwieweit der Steuerpflichtige letztendlich erfolgreich gegen einen späteren Bescheid über Aussetzungszinsen für einen “zwangsausgesetzten” Betrag wird vorgehen können, ist derzeit ungewiss und umstritten. Höchstrichterlich ist die Frage bislang nicht geklärt.
Ungeachtet dessen sieht das Finanzgericht Hamburg aber für den streitigen Zinszeitraum 2004 bis 2011 die Grenze zum verfassungswidrigen Übermaßverbot noch nicht als überschritten an.
Der typisierende Zinssatz von 6 Prozent per anno gem. § 258 AO gilt bereits seit über 50 Jahren und damit über einen Zeitraum, in dem erhebliche Zinsschwankungen nach oben und unten auftraten. Beispielsweise lag der Zinssatz von
6 Prozent per anno 1978 erheblich über dem seinerzeit vorgesehenen Zinssatz für Sparguthaben, sodass im Vorfeld der Einführung der Vollverzinsung befürchtet wurde, Steuerpflichtige könnten durch Gestaltungen eine zinsgünstige Anlage beim Finanzamt erreichen. Der Diskontsatz als Orientierungsgröße unterlag seit den 50er Jahren regelmäßigen Schwankungen zwischen Unterwerten von 2,75 Prozent (1959) oder 2,5 Prozent (1988) und Spitzen von 7,5 Prozent (1970), 7,5 Prozent (1980/1981) und 8,75 Prozent (1992). Seit Beginn des neuen Jahrhunderts hat sich der Zinssatz dann kontinuierlich nach unten bewegt, lediglich zwischen 2007 und 2009 ist es zu einem Anstieg von 1,95 Prozent per 01.07.2006 über 2,70 Prozent per 01.01.2007 auf 3,32 Prozent per 01.01.2008 gekommen, um sodann ab Mitte 2009 unter die Ein-Prozent-Grenze zu fallen (0,12 Prozent per 01.07.2009, siehe im Übrigen oben Basiszinstabelle). Ab dem zweiten Halbjahr 2008 hat sich damit gezeigt, dass sich der Trend der sinkenden Zinsen nicht umgekehrt hatte, sondern nach einem kurzen “Zwischenhoch” fortsetzte.
Gleichwohl sieht das Finanzgericht Hamburg den Gesetzgeber von Verfassungs wegen noch nicht als verpflichtet an, bereits für den hier in Rede stehenden Verzinsungszeitraum von Ende 2004 bis Anfang 2011 eine Anpassung des typisierenden Zinssatzes von 6 Prozent per anno an das gesunkene Zinsniveau vorzunehmen. Zwar bedarf eine typisierende Regelung der Korrektur, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung waren, durchgreifend ändern. Anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts mit erheblichen Zinsschwankungen hat sich nunmehr ersichtlich ein Niedrigzinsniveau stabilisiert und haben sich damit die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 6 Prozent per anno entscheidend verändert.
Allerdings führen nach der vornehmlich zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit und werden dem Gesetzgeber zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen eingeräumt. Das ist einmal dann der Fall, wenn der Gesetzgeber sich bei Neuregelung eines komplexen Sachverhaltes zunächst mit einer gröber typisierenden und generalisierenden Regelung begnügt, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen allmählich durch eine entsprechend fortschreitende Differenzierung zu verbessern. Zum anderen gilt dies auch dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse sich im Rahmen einer langfristigen Entwicklung in einer Weise verändert haben, dass die Beseitigung der Unstimmigkeiten durch eine einfache und daher schnell zu verwirklichende Anpassung nicht möglich ist.
Vor dem Hintergrund, dass Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen Schwankungen unterliegen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet haben, ist dem Gesetzgeber danach eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich wird. Besonders gilt dies mit Blick darauf, dass es – wie zuvor dargestellt – Anfang 2007 bis Mitte 2008 zu einem nennenswerten Anstieg des Basiszinssatzes gekommen ist. Deshalb war auch zum Ende des hier streitgegenständlichen Verzinsungszeitraums noch keine Zinsanpassung geboten.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 23.05.2013 – 2 K 50/12 (Revision wurde eingelegt: BFH – IX R 31/13).