Der Bundesgerichtshof hat aktuell entschieden, dass Streitigkeiten mit Nießbrauchern oder sonstigen Fremdnutzern nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG fallen und die Regelungen des § 14 Nr. 3 u. 4 WEG kein Vorgehen gegen
Fremdnutzer rechtfertigen.
In dem entschiedenen Fall bewohnen die Beklagten als Nießbraucher eine Eigentumswohnung, die
zu einer Wohnungseigentumsanlage gehört. Auf einer im April 2013 durchgeführten Eigentümerversammlung wurde zu dem Tagesordnungspunkt 2 (TOP 2) u.a. die Sanierung von Terrassen und Balkonen beschlossen. Darüber hinaus wurde die Verwalterin der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft mit Beschluss zu TOP 5 ermächtigt, gerichtliche Schritte gegen „Eigentümer“ einzuleiten, die die Durchführung baulicher Maßnahmen behindern oder den Zugang zu den zu sanierenden Stellen verweigern sollten, sowie bevollmächtigt, zu diesem Zweck einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Beklagten verweigerten das Betreten der von ihnen bewohnten Einheit zum Zwecke der Sanierung und sprachen gegen die beauftragten Firmen und den Architekten ein Hausverbot aus.
Gestützt auf eine entsprechende Anwendung von § 14 Nr. 4 WEG möchte die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Duldung näher bezeichneter Sanierungsarbeiten und zur Gestattung des Zutritts zur Wohnung erreichen.
Das Amtsgericht Mettmann hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das für die in § 72 Abs. 2 GVG genannten Wohnungseigentumssachen zuständige Landgericht Düsseldorf durch Urteil als unzulässig verworfen.
Die Revision der Beklagten hatte beim Bundesgerichtshof Erfolg.
I. Zuständigkeit des Landgerichts / Verwerfung der Berufung
Zunächst hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Verwerfung der Berufung durch das Landgericht Düsseldorf als unzulässig keinen Bestand haben kann.
Allerdings verneint das Berufungsgericht seine Zuständigkeit jedenfalls im Ergebnis mit Recht. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 GVG liegen nicht vor. Die alleine in Betracht kommenden Nr. 1 und 2 des § 43 WEG – je nachdem, welchem Tatbestand man Klagen zuordnet, die die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich als gesetzliche Prozessstandschafterin nach § 10 Abs. 6 WEG führt sind nicht einschlägig. Zwar sind § 43 Nr. 1 u. 2 WEG weit auszulegen, so dass es für die Normanwendung nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage ankommt, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. Erforderlich ist jedoch stets, dass die Streitigkeit in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis steht oder der Insolvenzverwalter die Forderung einklagt – dies aber nur deshalb, weil die Verschiebung der Rechtszuständigkeit bei der Abtretung bzw. die Verlagerung nur der Prozessführungsbefugnis in den übrigen Fällen an dem einmal gegebenen Gemeinschaftsbezug nichts ändert.
Gemessen daran fallen Klagen gegen Fremdnutzer von Wohnungseigentum nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG. Diese stehen als Dritte weder zur Wohnungseigentümergemeinschaft noch zu den Wohnungseigentümern in einer Rechtsbeziehung, die den notwendigen gemeinschaftsbezogenen Gehalt aufweist. Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof eine gegen den Mieter einer Eigentumswohnung gerichtete Klage, die auf die Verurteilung zur Unterlassung der Nutzung von Gemeinschaftsflächen gerichtet war, als allgemeine zivilprozessuale Rechtsstreitigkeit eingeordnet hat. Entgegen der Auffassung der Revision genügt es danach für die Annahme einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG nicht, dass der Fremdnutzer „statt des Wohnungseigentümers“ in Anspruch genommen wird.
Das gilt umso mehr, als ein Vorgehen gegen den Wohnungseigentümer zumindest nach § 14 Nr. 2 WEG möglich bleibt und Prozesse, an denen Dritte beteiligt sind, nach der gesetzlichen Systematik nur unter den – hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen von § 43 Nr. 5 WEG als Wohnungseigentumssache zu qualifizieren sind, aber selbst dann nicht die besondere – nur in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG eröffnete – Berufungszuständigkeit gemäß § 72 Abs. 2 S. 1 GVG gegeben ist.
Eine hiervon abweichende rechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Nießbraucher teilweise in die dingliche Rechtsstellung einrückt, die sonst allein dem Wohnungseigentümer zukommt. Denn damit geht kein Eintritt in die verbandsrechtliche Rechtstellung des Wohnungseigentümers einher, die eine notwendige Voraussetzung für den nach § 43 Nr. 1 u. 2 WEG erforderlichen Gemeinschaftsbezug bildet. Folgerichtig steht dem Nießbraucher weder ein Stimmrecht in der Versammlung der Wohnungseigentümer noch die Befugnis zur Anfechtung gefasster Beschlüsse zu; auch § 43 Nr. 4 WEG ist nicht einschlägig. Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass der Nießbraucher auf der Passivseite materiellrechtlich zumindest teilweise in die verbandsrechtliche Rechtsstellung des Wohnungseigentümers eintritt; auch eine Verlagerung der passiven Prozessführungsbefugnis auf den Nießbraucher findet durch die Einräumung des Nießbrauchs nicht statt.
Im rechtlichen Ausgangspunkt zu Recht geht das Landgericht Düsseldorf sodann davon aus, dass bei Fehlen einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit die Berufung zulässigerweise nur bei dem für allgemeine Zivilsachen zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden kann (§ 72 Abs. 1 GVG), dass etwas anderes nur dann gilt, wenn die Frage, ob eine solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann, und der Berufungskläger sodann entsprechend § 281 ZPO (hilfsweise) die Verweisung an das nach Auffassung des angerufenen Gerichts zuständige
Berufungsgericht beantragt.
Ob das Berufungsgericht die Frage des Vorliegens einer Ausnahmekonstellation zu Recht im Hinblick darauf offen gelassen hat, dass die Klägerin im zweiten Rechtszug keinen Verweisungsantrag gestellt hat, erscheint im Hinblick auf die von der Revision auf § 139 ZPO gestützte Verfahrensrüge zweifelhaft, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Denn die Klägerin hat die Antragstellung zulässigerweise im Revisionsverfahren nachgeholt, so dass die Anforderungen, die an eine entsprechende Anwendung des § 281 ZPO zu stellen sind, von dem Bundesgerichsthof zu prüfen sind. Diese sind erfüllt, weil sich über die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob Streitigkeiten der vorliegenden Art in den Normbereich des § 43 WEG fallen, mit guten Gründen streiten lässt. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben (§ 562 ZPO).
Die bei dieser Sachlage grundsätzlich von dem Bundesgerichtshof auszusprechende Verweisung an das zuständige Berufungsgericht scheidet vorliegend aus, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt, nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO) und der Bundesgerichtshof nach der Geschäftsverteilung des Bundesgerichtshofs auch für allgemeine zivilprozessuale Streitigkeiten der vorliegenden Art das zuständige Revisionsgericht ist.
II. In der Sache
Die Berufung ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs begründet. Der Klage bleibt damit der Erfolg versagt.
Die Regelungen des § 14 Nr. 3 u. 4 WEG rechtfertigen kein Vorgehen
gegen Fremdnutzer.
Die für einen Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt
nicht vor. Dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur Wohnungseigentümer passivlegitimiert sind, beruht auf keinem Versehen des Gesetzgebers (vgl. BR-Drucks. 75/51, S. 17: „§ 14 umschreibt die aus der Gemeinschaft erwachsenen Pflichten der Wohnungseigentümer …“). Die Regelung ist in den mit „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ bezeichneten 2. Abschnitt des Wohnungseigentumsgesetzes eingebettet. An dieser sind Fremdnutzer nicht beteiligt. Auch dadurch wird deutlich, dass die Vorschrift das Vorhandensein gemeinschaftsbezogener Rechtsbeziehungen voraussetzt, die zwischen Wohnungseigentümern und Fremdnutzern bzw. zwischen diesen und der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft aber nicht bestehen. Vor diesem Hintergrund greift auch hier das Argument zu kurz, der Fremdnutzer werde lediglich anstelle des Wohnungseigentümers in Anspruch genommen.
Ob – wozu der Bundesgerichtshof neigt – Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Fremdnutzer in Betracht kommen, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Eine auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klage betrifft einen anderen Streitgegenstand als der dem Gericht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 14 Nr. 4 WEG unterbreitete. Eine solche Klage ist vorliegend nicht (auch) erhoben worden.
Für diese Auslegung des Klagebegehrens spricht schon, dass eine verständige Partei regelmäßig keine (teilweise) unzulässige Klage erheben möchte, der Klägerin aber für Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB die Prozessführungsbefugnis fehlte. Anders als bei Ansprüchen aus § 14 Nr. 3 u. 4 WEG, bei der eine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG) mit der Folge gesetzlicher Prozessstandschaft besteht, handelt es sich bei Ansprüchen aus § 1004 Abs. 1 BGB um Individualansprüche der Wohnungseigentümer, bei der der Gemeinschaft die Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis nur dann zuwächst, wenn die Ansprüche durch sog. Ansichziehen vergemeinschaftet worden sind (gekorene Ausübungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 S. 3 Halbsatz 2 WEG ).
Von einer Vergemeinschaftung kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der zu TOP 5 gefasste Beschluss betrifft bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung nur die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Wohnungseigentümer, nicht aber gegen Fremdbesitzer.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 194/14