martina heck

03.01.2013

Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ab 2011 begrenzt und für die Jahre davor unbegrenzt steuerfrei sind.

Der Kläger war von einem Amtsgericht in einer Reihe von Fällen als Betreuer bestellt worden und hatte dafür Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB von bis zu 323 € pro Jahr und betreuter Person bezogen. Das Finanzamt erfasste diese Aufwandsentschädigungen als Einnahmen. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kam nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil die Aufwandsentschädigungen nicht ausdrücklich als solche im Haushaltsplan ausgewiesen waren.

Der Bundesfinanzhof folgte aber im Ergebnis der Auffassung des Klägers, dass die Aufwandsentschädigungen steuerfrei seien.

Im Ausgangspunkt sind Finanzamt und Finanzgericht, so der Bundesfinanzhof, allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Einnahmen des Klägers aus seiner Betreuertätigkeit grundsätzlich steuerbar sind. Rechtsgrundlage dafür ist aber nicht § 15 EStG (wie vom FG angenommen) oder § 22 Nr. 3 EStG (wie von der Finanzverwaltung angenommen), sondern § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Denn Betreuer i.S. des § 1896 BGB erzielen nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Einkünfte, die der vermögensverwaltenden Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen sind.

Die Einnahmen aus der ehrenamtlich ausgeübten Betreuertätigkeit sind aber nach § 3 EStG steuerfrei.

Für die – in dem entschiedenen Fall nicht betroffenen – Veranlagungszeiträume ab 2011 folgt die – allerdings betraglich begrenzte – Steuerfreiheit aus § 3 Nr. 26b EStG. Nach dieser durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 eingefügten Vorschrift sind “Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs” steuerfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen im Sinne der Nr. 26 den Freibetrag nach Nr. 26 Satz 1 nicht überschreiten.

Für frühere Veranlagungszeiträume – wie für die Streitjahre 2001 bis 2004 – folgt dies entgegen der Ansicht des Finanzamtes, des Finanzgerichts und des BMF aus § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG. Danach sind solche Bezüge steuerfrei, die aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlt werden und

“in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden”.

Auf diese Regelung kann sich der Kläger ungeachtet dessen berufen, dass sie das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.11.1998 für verfassungswidrig erklärt hat.

Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nur auf die Anwendbarkeit bei Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen dienstlicher Tätigkeit in Dienststellen der sog. neuen Bundesländer beschränkt und vom Bundesfinanzhof entsprechend (nur) auf solche Zulagen für Landesbeamte erstreckt. Zulagen dieser Art gleichen nämlich – so das BVerfG – nicht tatsächlich entstandenen Erwerbsaufwand aus, sondern erhöhen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für sie ist die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschädigungen, nicht zu rechtfertigen.

Inwieweit dies auch für andere Zahlungen aus öffentlichen Kassen gilt, kann für den Streitfall dahinstehen. Denn für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, wird die Steuerfreiheit i.S. des § 3 Nr. 12 EStG als verfassungskonform angesehen.

Um solche Aufwendungen handelt es sich bei der hier streitigen Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB. Sie setzt schon nach dem Wortlaut der Regelung voraus, dass dem Betreuer – dem Regelfall des § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend – kein Anspruch auf Vergütung zusteht und soll geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, und damit auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlasten.

Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind im Streitfall gegeben.

Die Bezüge des Klägers aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer beruhen zunächst auf einer Festsetzung als Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz.

Denn § 1835a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1908i BGB setzt den Anspruch eines Betreuers (ohne Vergütungsansprüche) auf Aufwendungsersatz ausdrücklich “als Aufwandsentschädigung” fest und bemisst diese Aufwandsentschädigung je Jahr als Festbetrag mit dem Neunzehnfachen des Höchstbetrages der Zeugenentschädigung je Stunde versäumter Arbeitszeit i.S. des § 22 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes.

Des Weiteren ist es für die Steuerfreiheit der streitigen Zahlungen unerheblich, dass in dem für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung maßgeblichen Haushaltstitel des Haushaltsplans der Begriff “Aufwandsentschädigung” nicht verwendet wird. Dafür sprechen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

Der Wortlaut des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG lässt sechs Möglichkeiten für steuerbegünstigte Festsetzungen als Aufwandsentschädigung zu, nämlich

  • -  die Festsetzung in einem Bundesgesetz,
  • -  die Festsetzung in einem Landesgesetz,
  • -  die Festsetzung aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung,
  • -  die Festsetzung aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung,
  • -  die Festsetzung durch die Bundesregierung oder
  • -  die Festsetzung durch eine Landesregierung.

Die in der mündlichen Verhandlung nachhaltig vorgetragene Auffassung des Finanzamtes und des BMF, für alle dieser sechs Möglichkeiten sei gleichermaßen zusätzlich eine entsprechende Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, folgt nicht zwingend aus dem Wortlaut und der Struktur der Regelung, so der Bundesfinanzhof.

Denn das Gebot der Ausweisung im Haushaltsplan (“und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden”) kann angesichts der “oder”- Verknüpfungen zwischen den sechs Möglichkeiten steuerfreier Aufwandsentschädigungen gleichermaßen nur auf die letzte oder die beiden letzten Alternativen (Festsetzung durch die Bundes- oder Landesregierung) bezogen sein.

Für diese Auslegung spricht schon der Zweck der Bindung an eine Ausweisung im Haushaltsplan, mit ihr “eine Mitwirkung der parlamentarischen Organe zu gewährleisten”. Einer solchen – weiteren – Mitwirkung bedarf es nämlich ersichtlich nicht für solche Aufwandsentschädigungen, die bereits durch Gesetz – wie im Streitfall in § 1835a BGB – und damit bereits unter Mitwirkung der parlamentarischen Organe als Aufwandsentschädigung normiert worden sind.

Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat das Erfordernis einer Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan erst mit § 3 Nr. 12 EStG 1957 “zur Klarstellung in Zweifelsfällen” in das EStG eingestellt. Alleiniger Grund für diese Klarstellung war die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in den Urteilen vom 22.09.1955 und vom 24.07.1956 zu § 3 Nr. 11 EStG a.F., dass Ministerialzulagen ohne entsprechende ausdrückliche normative Regelung nicht als Aufwandsentschädigungen im Sinne dieser Vorschrift steuerfrei seien, sondern zum Arbeitslohn gehörten.

Danach sind “Zweifelsfälle” im Sinne der Motive des Gesetzgebers ersichtlich nur solche Sachverhalte, bei denen sich der Charakter einer Zahlung als Aufwandsentschädigung nicht schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ergibt er sich bereits aus dem Gesetz, bedarf es infolgedessen nicht einer zusätzlichen entsprechenden Ausweisung der Zahlungen im Haushaltsplan des jeweiligen Bundes- oder Landeshaushaltsgesetzgebers. Denn in diesem Fall ist dem Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Behandlung als Aufwandsentschädigung (typisierender Ersatz von Erwerbsaufwendungen) zu gewährleisten, bereits umfassend Rechnung getragen.

Ob und in welchem Umfang die hier streitigen Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 3 Nr. 26a EStG (eingefügt durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007, zuletzt geändert durch das JStG 2010) sowie in § 3 Nr. 26b EStG i.d.F. des JStG 2010 (weiterhin) in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fallen oder ob dieser Regelung die neuen Vorschriften der Nrn. 26a und 26b als Sondervorschriften ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorgehen, kann der Senat offenlassen. Denn im Streitfall sind nur die vor diesem Zeitpunkt liegenden Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004 betroffen.

Mit seiner Auffassung, dass nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG kraft Gesetzes festgesetzte Aufwandsentschädigungen unabhängig von einer entsprechenden Ausweisung im Haushaltsplan steuerfrei sind und eine solche Ausweisung nur für durch die Bundesregierung oder durch Landesregierungen festgesetzte Aufwandsentschädigungen erforderlich ist, weicht der entscheidende Senat entgegen der Auffassung des Finanzamtes und des BMF nicht von der Rechtsprechung anderer Senate ab.

Nach bisheriger Rechtsprechung greift § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG allerdings nicht ein, wenn die gezahlte Vergütung weder in einem Bundes- oder Landesgesetz noch in einer Bestimmung, die auf einer Ermächtigung in einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer Rechtsverordnung beruht, noch durch die Bundesregierung oder eine Landesregierung festgesetzt worden ist und die Leistung nicht aus einem Titel geleistet worden ist, der ausdrücklich als “Aufwandsentschädigung” bezeichnet wurde und Empfänger und Höhe der zu leistenden Entschädigungen nennt.

Diese Rechtsprechung bezieht sich indessen nur auf Fälle, in denen ohne eine solche ausdrückliche Bezeichnung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine solche Zuordnung zu steuerfreien Aufwandserstattungen gegeben wäre.

Insbesondere ergibt sich eine Abweichung nicht aus den vom BMF in Bezug genommenen BFH-Urteilen vom 24.08.1973 und vom 09.10.1992.

Auf dieser Grundlage bedarf es einer ausdrücklichen Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht, weil sich der streitige Aufwandsentschädigungsanspruch unmittelbar aus einem Bundesgesetz, nämlich § 1835a BGB ergibt.

§ 1835a BGB ist nach dem Wortlaut der Regelung wie auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht auf eine Vergütung der Betreuungstätigkeit gerichtet. Vielmehr soll er ausschließlich in begrenztem Umfang geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, ihnen durch die Pauschalierung die Mühe abnehmen, solche Aufwendungen wie kleinere Porto- oder Telefonkosten durch Belege nachzuweisen und damit auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlasten.

Auch die geringe Höhe der Aufwandsentschädigung je betreuter Person (monatlich etwa 27 EUR nach der Rechtslage im Jahre 2004) bietet darüber hinaus ersichtlich keinen Anlass zu Zweifeln, dass die dem pauschalen Werbungskostenansatz des Gesetzgebers zugrunde liegende Annahme eines regelmäßig in dieser Höhe zu erwartenden Aufwandes sachgerecht ist.

Dies unterscheidet die streitige Aufwandsentschädigung von anderen öffentlich-rechtlichen Zahlungen wie Ministerialzulagen und oberstgerichtlichen Zulagen, die regelmäßig nicht ausschließlich auf die Abgeltung von Sonderaufwand ausgerichtet sind. Für Zulagen dieser Art wäre – so das BVerfG in BStBl. II 1999, 502 – die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschädigungen sachlich verfehlt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.10.2012 – VIII R 57/09