martina heck

24.10.2013

Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung und der Vorsteuerabzug

Eine Rechnungsberichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück, sofern die Abrechnung die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthält, so das Niedersächsische Finanzgericht im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuerbescheiden.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a MwStSystRL.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung erfolgen kann, ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Pannon Gép zu berücksichtigen. In dieser Entscheidung führt der EuGH Folgendes aus:

Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (…), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen“.

Ob sich hieraus eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten.

Mehrere Finanzgerichte gingen in der Folge davon aus, dass einer Rechnungsberichtigung auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils „Pannon Gép“ keine Rückwirkung zukomme, weil sich der EuGH nicht ausdrücklich zu dieser Problematik geäußert habe. Teile des Schrifttums habe sich dieser Auffassung angeschlossen.

Andere wiederum verstehen die Entscheidung „Pannon Gép“ dahingehend, dass der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für den Fall zulassen wollte, dass dem Finanzamt vor Erlass des (ablehnenden) Steuerbescheids die berichtigte Rechnung bereits vorgelegen hat.

Die Finanzverwaltung lehnt eine rückwirkende Rechnungskorrektur ab. Als Begründung führt sie eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2004 an, wonach der Vorsteuerabzug davon abhängig ist, dass dem Steuerpflichtigen eine ordnungsgemäße Rechnung mit Umsatzsteuerausweis vorliegt. Neben dem BMF-Schreiben vom 16.03.2011 ist auf zwei Verfügungen aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt zu verweisen. Die letztere Verfügung gewährt Ruhen des Verfahrens (§ 363 AO) unter Berufung auf das anhängige Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof, jedoch keine Aussetzung der Vollziehung.

Der Bundesfinanzhof hat zwischenzeitlich in zwei Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz ernstliche Zweifel geäußert, ob der Vorsteuerabzug aus einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn diese Rechnung später berichtigt wird, sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt, gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) an eine Rechnung erfüllt.

Die Unsicherheit in der Bewertung der „Pannon-Gep“-Entscheidung beruht im Wesentlichen darauf, dass hier keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem „Terra-Baubedarf“-Urteil stattfindet, so dass unklar ist, ob der EuGH ggf. seine Auffassung geändert hat, oder ob beide Entscheidungen grundsätzlich miteinander vereinbar sind. Der Bundesfinanzhof scheint nun in die zuletzt genannte Richtung zu tendieren, da er jedenfalls bestimmte Mindestmerkmale in einem Rechnungsdokument verlangt, damit dieses einer rückwirkenden Berichtigung offensteht. Dies würde dem „Terra-Baubedarf“-Urteil entsprechen, in dem gerade keine Rechnung mit Steuerausweis in dem Zeitpunkt vorgelegen hatte, in dem der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug begehrte.

Mit der Entscheidung „Petroma Transports“ präzisiert der EuGH nunmehr seine Haltung zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Aus der Abgrenzung in Rn. 34 und 35 ist zu entnehmen, dass der EuGH in seiner Pannon-Gep-Entscheidung tatsächlich die rückwirkende Berichtigung anerkennen wollte. Er nimmt nämlich auf die Pannon-Gep-Entscheidung Bezug und wiederholt ausdrücklich die dort bereits enthaltene Aussage, die Rechnungsberichtigung müsse vor Erlass der Entscheidung der Steuerbehörde ergehen. Eine Berichtigung oder Ergänzung von Rechnungsangaben nach diesem Zeitpunkt reicht dagegen nicht aus.

Demnach können Rechnungen nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts rückwirkend (ex tunc) berichtigt werden,

  • sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt, gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) an eine Rechnung erfüllt und
  • solange noch keine abschließende Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde über den Vorsteuerabzug vorliegt.

Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 01.10.2013 – 5 V 217/13