martina heck

30.07.2013

Pfändbarkeit von Betriebskostenerstattungen

Der Bundesgerichtshof hat aktuell entschieden, dass der Erstattungsanspruch des Mieters aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters unpfändbar ist, wenn der Mieter Arbeitslosengeld II bezieht und die Erstattung deshalb im Folgemonat die Leistungen der Agentur für Arbeit für Unterkunft und Heizung des Hilfeempfängers mindert

Zu der Entscheidung kam es aufgrund eines Drittschuldnerprozesses, in welchem die Klägerin die Forderung ihres Vollstreckungsschuldners (Mieter) auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens gegen die Beklagte (Vermieterin) geltend machte. Der Vollstreckungsschuldner ist seit 2008 Wohnungsmieter der Beklagten. Mieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen werden von der Agentur für Arbeit direkt an die Beklagte überwiesen, weil der Vollstreckungsschuldner Arbeitslosengeld II bezieht.

Im September 2010 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner die Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2009 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 131,68 € minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2010. Am 26.04.2011 erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem auch die rückständigen, gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte auf Auszahlung von Überschüssen aus Nebenkostenab-rechnungen gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen wurden. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten am 23.06.2011 zugestellt. Im Oktober 2011 rechnete die Beklagte gegenüber dem Vollstreckungsschuldner über die Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2010 ab. Um das in der Abrechnung ausgewiesene Guthaben von 33,76 € minderte die Agentur für Arbeit die Mietzahlung an die Beklagte für den Monat November 2011.

Die Klägerin hat zunächst mit ihrer Drittschuldnerklage die Forderung auf Zahlung der beiden Betriebskostenguthaben sowie einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € rechtshängig gemacht. Sie hat in erster Instanz den Rechtsstreit wegen des Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 in Höhe von 131,68 € einseitig für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht Dresden hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landgericht Dresden hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, welche vom Bundesgerichtshof nun zurückgewiesen wurde.

Das Landgericht Dresden hat angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung der Betriebskostenguthaben sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Klägerin könne aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Auszahlung der Betriebskostenguthaben von der Beklagten nicht verlangen, weil die Pfändung der Heiz- und Betriebskostenrückzahlungen hier entsprechend § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I verboten sei. Der Vollstreckungsschuldner sei Bezieher von Arbeitslosengeld II, so dass vom Sozialleistungsträger nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Betriebskostenguthaben von den laufenden Mietzahlungen im Folgemonat abgezogen werden, ohne dass es einer Aufrechnung bedürfe. Es bestehe daher die Gefahr für den Mieter, dass ihm ein Teil der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums entzogen werde, wenn einerseits die Sozialleistungen gekürzt würden und andererseits der Vollstreckungsgläubiger auf das Betriebskostenguthaben zugreife, während gleichzeitig für den Kürzungsmonat die laufende Miete in voller Höhe geschuldet sei. Die vorgerichtlich entstandenen Kosten seien der Klägerin nicht zu erstatten. Die Beklagte habe der Klägerin in der Drittschuldnererklärung die Verrechnung des Betriebskostenguthabens aus dem Mietjahr 2008/09 mit der späteren Miete mitgeteilt. Zu weitergehenden Angaben sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, so dass der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustehe.

Dem hat sich der Bundesfinanzhof angeschlossen.

Erst nach Verkündung des Berufungsurteils ist das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.10.2012 bekannt geworden, nach welchem Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung gegen einen Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Teil II unterliegen. Der Bundesfinanzhof schliesst sich in seiner Entscheidung der Auffassung des Bundessozialgerichts an, weil diese Rückzahlung von öffentlichen Leistungen gemäß § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB II nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II (früher § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) die Leistungen des Folgemonats an den Hilfeempfänger mindert. Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig, wür-de sie nach dem Gesetz zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, die dem Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Solchen Vollstreckungsmaßnahmen ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon bisher entgegengetreten. Der Bundesgerichtshof sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Ob sich dieses Ergebnis mit dem Berufungsgericht hier auch durch eine Analogie zu § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I begründen lässt, kann offenbleiben.

Wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, steht der Klägerin schon infolge der Unwirksamkeit ihrer Pfändung gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder aus anderem Rechtsgrund zu.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2013 – IX ZR 310/12