Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen, so das Niedersächsische Finanzgericht, nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist.
Geklagt hatte der Betreiber einer Pferdezucht mit 30 eigenen Pferden. Zusätzlich unterhält er eine Pferdepension für ca. 70 Pferde. Im Rahmen dieser Pension bietet er folgende Dienstleistungen an:
- Belegung der Stuten durch künstliche Besamung
- Abfohlung
- Aufzucht und Ausbildung der Fohlen
- Präsentation und Ausbildung für Pferdeschauen und Leistungsprüfungen
- Beratung über die Zuchtmöglichkeiten
- Betreuung (Futter, Stall, Auslauf, Tierarzt während der Trächtigkeit und bei und nach der Geburt)
- Hilfe beim Kauf oder Verkauf von Pferden.
Der Kläger hat mit den jeweiligen Pferdeeinstellern Pensionsverträge abgeschlossen. Der monatliche Pensionspreis betrug durchschnittlich € 185,00 pro Stute. Sofern – wie regelmäßig – zusätzliche Leitungen vom Kläger oder von Dritten (z. B. Hufschmied) erbracht wurden, sind diese jeweils monatlich vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt worden. Die Tierarztleistungen sind den Pferdeeinstellern regelmäßig direkt in Rechnung gestellt worden.
Zu den Kunden des Klägers zählen Landwirte, gewerbliche Pferdezüchter, Privatpersonen und ausländische Bürger aus EU-Staaten.
Beim Kläger fand eine landwirtschaftliche Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beurteilte die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen an Nichtlandwirte als einheitliche Pensionsleistung, die außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erbracht und damit nicht der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Die darauf entfallenden Umsätze unterwarf er der Regelbesteuerung. Die Umsätze aus der Unterbringung von Pferden, deren Eigentümer Land- und Forstwirte sind, wurden vom Prüfer unverändert der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen.
Bei der Ermittlung der Vorsteuern wurde im Vorfeld geklärt, dass 30 v. H. der gesamten Vorsteuern auf die eigene Pferdezucht und -haltung entfallen. Auf den Gesamtbereich der untergestellten Fremdpferde entfallen damit 70 v. H. Da der Kläger aus dem Ankauf von Heu, Hafer und Grundfutter zu Unrecht 16 v. H. (statt 7 v. H.) herausgerechnet hatte. nahm der Prüfer eine entsprechende Korrektur der Vorsteuern vor. Außerdem wurde bei den Vorsteuern ein Abzug von 10,91 v. H. vorgenommen. Diese Quote entsprach dem Verhältnis der Pensionsumsätze (brutto) der landwirtschaftlichen zu den nichtlandwirtschaftlichen Pferdeeinstellern.
Gegen den aufgrund der Prüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Klage abgewiesen, da das Finanzamt zu Recht die streitbefangenen Umsätze als der Regelbesteuerung und dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Umsätze behandelt hat. Die Voraussetzungen des § 24 UStG liegen bezüglich der Umsätze aus der „Pensionspferdehaltung“ nicht vor.
1. Die Durchschnittssatzbesteuerung gilt gemäß § 24 UStG grundsätzlich für alle “im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze”. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
“1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören“.
§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs richtlinienkonform entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. 05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen.
2. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung “Hüten, Zucht und Mästen von Vieh”.
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung. Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen. Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist. Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen. Als “landwirtschaftliche Dienstleistungen” sind daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen.
3. Der Kläger hat gegenüber den Einstellern der Pensionspferde zu Zuchtzwecken keine Lieferungen, sondern jeweils einheitliche sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG) erbracht.
Nach § 3 Abs. 1 UStG, der Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, sind Lieferungen eines Unternehmens Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Werden mehrere unterschiedliche Leistungen zusammenhängend erbracht, so liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen.
Im Streitfall hat der Kläger gegenüber den Einstellern zum einen die für Pensionspferdehaltung üblichen Leistungen wie Unterbringung und Versorgung der Tiere in Form der Fütterung, des Tränkens, der Fell- und Hufpflege und der Bewegung der Tiere erbracht. Zum anderen hat er – und dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der üblichen Pferdepension zu Reitsportzwecken – züchterische Leistungen erbracht. Beide Leistungen (Pensions- und Zuchtleistungen) stellen unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden. So konnte der Kläger die Zuchtleistungen an den Fremdpferden der Einsteller nur erbringen, wenn er deren Tiere in Pension nimmt. Pension und Zuchtleistungen sind besonders aufeinander abgestimmt (spezielles Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen, etc.) und untrennbar miteinander verbunden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Pension ein fester monatlicher Betrag geschuldet und zusätzliche Zuchtleistungen vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt wurden.
In diese vom Kläger erbrachte einheitliche „Pensionsleistung“ zu Zuchtzwecken geht sowohl die von ihm erfolgte Lieferung von selbst erzeugtem oder zugekauftem Futter, als auch die evtl. Lieferung auf dem Hof produziertem Heu und Stroh unter. Die Lieferungen sind lediglich Teil der Gesamtleistung “Pensionsleistungen” zu Zuchtzwecken und versetzen den Kläger (lediglich) in die Lage, seinen Pflichten aus den “Pensionsverträgen” unter optimalen Bedingungen nachzukommen. Sie stellen damit unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung dar und teilen deren Schicksal.
4. Der Kläger hat mit den „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Nach Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG („Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen“) gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
- Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens;
- Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
- Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
- Hüten, Zucht und Mästen von Vieh;
- Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken;
- technische Hilfe;
- Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen;
- Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen;
- Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen.
a) Die vom Kläger gegenüber den Einstellern jeweils erbrachte (einheitliche) sonstige Leistung/Dienstleistung gehört nicht zu den in dem Katalog aufgeführten Dienstleistungen. Auch die unter Spiegelstrich 4 aufgeführten Leistungen „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ sind nicht einschlägig, denn nach dem Einleitungssatz zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen (nur) solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zudem ist zu beachten, dass – wie bereits ausgeführt – die Vorschrift restriktiv auszulegen ist. Der EuGH hat in dem Urteil vom 26.05.2005 ausgeführt, dass eine Dienstleistung, die keinem landwirtschaftlichen Zwecken dient und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel bezieht, weder der Art noch dem Ziel der Regelung entspricht.
Nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts setzt das Tatbestandsmerkmal „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der jeweilige Leistungsempfänger der „Pensionsleistung“, mithin im Streitfall der jeweilige Einsteller der Pferde, selbst ein landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ist, denn eine „Pensionsleistung“ an einen Nichtlandwirt trägt nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei, dient keinen landwirtschaftlichen Zwecken.
Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten solche Betriebe, die eine der in Art. 25 Abs. 2 Spiegelstrich 1 und 2 i. V. m. Anhang A der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, d. h. die unter anderem Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betreiben. Eine private bzw. gewerbliche Tierzucht der Einsteller ohne Bodenbewirtschaftung fällt hingegen nicht unter die Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung. Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Recht die Einstellumsätze, die an Nichtlandwirte erbracht wurden, der Regelbesteuerung unterworfen.
b) Die „Pensionsleistungen“ des Klägers sind nicht „Teil seiner eigenen Pferdezucht“ und stehen mit dieser auch nicht unmittelbar in Verbindung.
Zwar betreibt der Kläger mit seinen eigenen Pferden eine landwirtschaftliche Pferdezucht. Unstreitig ist auch, dass der eigene Tierbestand zusammen mit den eingestellten Fremdpferden die nach der Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebs (ca. 30 ha) mögliche Zahl der Vieheinheiten (276 VE) nicht übersteigt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vom Kläger durchgeführte Zucht von fremdem Vieh nicht als eigene landwirtschaftliche Erzeugung sondern als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen ist. Anders als bei der eigenen Zucht stehen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Fohlen) aus dem „Pensionszuchtbetrieb“ auch nicht dem Kläger sondern dem jeweiligen Einsteller zu.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 281/11