martina heck

21.11.2013

Negative Einkommensteuer aufgrund haushaltsnaher Dienstleistungen?

Das niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass kein Anspruch auf Auszahlung der Steuervergünstigungen für Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen besteht, wenn bereits ohne solche Aufwendungen keine Einkommensteuer festzusetzen ist.

In dem entschiedenen Fall war streitig, ob für Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG), bei denen sich eine steuerliche Auswirkung nicht ergibt, eine negative Einkommensteuer festzusetzen und an die Kläger auszuzahlen ist.

Der Kläger ist Rentner und bezieht eine Altersrente. Die Klägerin ist Hausfrau und erzielte im Streitjahr keine eigenen Einkünfte. Die Einkünfte der Kläger führten nach Abzug der Sonderausgaben und der Anwendung des Splittingtarifs zu keiner festzusetzenden Einkommensteuer.

Die Kläger hatten zusammen mit ihrer Einkommensteuererklärung u.a. auch die Berücksichtigung von Handwerkerleistungen gemäß § 35a EStG in Höhe von 2.341 € (für 2008) beantragt. Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid darauf hingewiesen, dass die Handwerkerleistungen nicht berücksichtigt worden seien, weil sie sich steuerlich nicht ausgewirkt hätten. Den Einspruch hiergegen hat das Finanzamt zurückgewiesen.

Die Kläger sind aber der Ansicht, die Verweigerung eines entsprechenden Steuerguthabens verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da ihnen verglichen mit einer „Familie Mustermann“ mit höheren Einkünften im Ergebnis der steuerliche Vorteil verwehrt werde. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verhinderung der Schwarzarbeit, die Konjunkturbelebung und der Nutzen von Energiesparmaßnahmen werde auch durch die von ihnen beauftragten Handwerkerleistungen bewirkt. Dann dürfe man sie von den steuerlichen Vorteilen nicht ausschließen. Die Regelung des § 35a EStG benachteilige viele Millionen Steuerpflichtige – möglicherweise bis zu 30 Millionen – mit geringem Einkommen. Diese Benachteiligung wiederhole sich jährlich. Der Bundesfinanzhof habe selbst angedeutet, dass höchstens in einem Veranlagungszeitraum eine ausnahmsweise gerechtfertigte gleichheitswidrige Wirkung entstehen dürfe. Bei Geringverdienerhaushalten könnten ebenfalls jährlich wiederkehrend solche Aufwendungen entstehen und damit fortgesetzt gleichheitswidrige Wirkungen erzeugt werden.

Überdies seien Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, weil die Familie des Klägers insoweit von staatlicher Förderung ausgeschlossen werde und sie ihr Eigentum nicht in gleicher Weise mit finanzieller Unterstützung des Staates erhalten und sanieren könnten.

Mit dieser Begründung erhoben die Kläger Klage, welche aber vom niedersächsischen Finanzgericht abgewiesen wurde

Der Einkommensteuerbescheid ist nämlich rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der FGO), da die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer gesetzlich nicht vorgesehen ist und insoweit auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG im Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Fassung ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen – unter weiteren Voraussetzungen – auf Antrag um 20 %, höchstens 600 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Kommt keine oder nur eine teilweise Steuerermäßigung in Betracht, weil die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, bereits Null beträgt oder unter dem nach Maßgabe des § 35a EStG im Einzelfall berechneten Steuerermäßigungsbetrag liegt, so sieht die Vorschrift keine Leistung in Höhe der „verlorenen“ Steuerermäßigung vor.

Der Ausschluss solcher Rechtsfolgen entspricht gefestigten Grundsätzen des Einkommensteuerrechts. Denn sowohl die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer als auch die hierdurch im wirtschaftlichen Ergebnis bewirkte unmittelbare Gewährung von (Sozial-) Leistungen sind dem Einkommensteuergesetz fremd. Solche Leistungen wollte der Gesetzgeber auch nicht durch die Einführung des § 35a EStG durch das „Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, das auf den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) des Bundestages vom 13.11.2002 beruhte, schaffen. Vielmehr sollte die Förderung ausschließlich durch einen Abzug von der bestehenden Steuerschuld erfolgen. Dies ergibt sich aus der Begründung des Ausschusses für seine Beschlussempfehlung:

„Der private Haushalt erhält bei Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme hauswirtschaftlicher Dienstleistungen einen Abzug von der Steuerschuld. Diese Steuerermäßigung wirkt sich regelmäßig erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer aus, jedoch auch bereits bei der Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen. Damit sich die Steuerermäßigung bei Arbeitnehmern nicht erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer auswirkt, sondern bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren, wird § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe c entsprechend ergänzt, so dass die Steuerermäßigung dabei in einen Freibetrag umgerechnet und vom Finanzamt auf der Lohnsteuerkarte als vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag eingetragen werden kann.“

Diese Intention des Gesetzgebers hat entsprechend Niederschlag im Wortlaut des Gesetzes gefunden, da nach § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG sich beim Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen lediglich die tarifliche Einkommensteuer entsprechend ermäßigt. Der Gesetzgeber wollte im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit insoweit – anders als bei einer auszuzahlenden Sozialleistung – auch nur eine allenfalls geringfügige steuerliche Auswirkung zulassen:

„Pro 100 000 Erwerbstätige, die Mini-Jobs mit einem durchschnittlichen Entgelt von 400 Euro monatlich anmelden, entstehen der Sozialversicherung Beitragsmehreinnahmen von rund 50 Mio. Euro jährlich. Diesen Mehreinnahmen stehen allenfalls geringfügige Mindereinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer gegenüber. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit für viele derartiger Beschäftigungen keine Steuern entrichtet wurden, da die Tätigkeiten in der Illegalität ausgeübt wurden.“

Diese Begründung lässt sich entsprechend auf die haushaltsnahen Dienstleistungen übertragen. Gerade wenn, wie die Kläger geltend machen, insgesamt 30 Millionen Steuerpflichtige betroffen sein würden, besteht jedenfalls kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Auszahlung einer entsprechenden Subvention, weil hier die von den Klägern angesprochenen Steuerpflichtigen durch die bereits mit Null festgesetzte Einkommensteuer gar keine steuerlichen Lasten zu tragen haben und damit im Einkommensteuerrecht gar nicht weiter entlastet werden können. Steuerliche Nachteile entstehen diesem Personenkreis gerade nicht, so dass aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Ansprüche entstehen (können).

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.01.2012 – 3 K 267/11