martina heck

17.09.2013

Leinen- und Maulkorbzwang bei Halterwechsel

Übergang der Polizeipflicht aus Zustandsverantwortlichkeit des Hundehalters auf den Rechtsnachfolger

Was passiert mit dem angeordneten Leinen- und Maulkorbzwang, wenn der Hund von einem neuen Eigentümer gehalten wird? Hierüber hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu befinden und hat entschieden, daß, wenn diese Anordnung wegen der von einem Hund ausgehenden Gefahr bestandskräftig angeordnet worden ist, die Zustandsverantwortlichkeit für das Tier bei einem Eigentumswechsel oder einer Übertragung der Sachgewalt auf den Rechtsnachfolger übergeht, wenn diesem gegenüber die bestehende Polizeipflicht durch Verwaltungsakt bekannt gegeben wird.

In dem entschiedenen Fall ist der Antragsteller seit dem 01.05.2012 Halter eines Boxer-Staffordshire-Mischlingsrüden mit dem Namen „B.“. Zuvor war der Sohn des Antragstellers Halter dieses Hundes. Dem Sohn gab der damals zuständige Landkreis Schaumburg mit bestandskräftigem Bescheid vom 17.03.2011 gemäß § 13 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 12.12.2002, geändert durch Gesetz vom 30.10.2003 – NHundG a. F. -, unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, B. außerhalb nicht ausbruchsicher eingezäunter Grundstücke im öffentlichen Verkehrsraum ausschließlich mit Halsband, stabiler Leine von max. 2 Meter und mit Maulkorb zu führen (Anordnung zu 1.), und den Hund im öffentlichen Verkehrsraum nur von Personen führen zu lassen, die körperlich geeignet sind, das Tier, wie unter 1. ausgeführt, sicher zu beherrschen (Anordnung zu 2.). Zur Begründung der getroffenen Maßnahmen wurde darauf verwiesen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Es sei bereits zu mehreren Beißvorfällen zum Nachteil anderer Hundehalter und deren Tieren gekommen. B. zeige zudem seinem Halter gegenüber keinerlei Unterordnung und Gehorsam. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.04.2012 untersagte die Stadt Bückeburg dem Sohn des Antragstellers die Haltung von B..

Mit Bescheid vom 21.09.2012 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Anordnungen zu 1. und zu 2. des Bescheides des Landkreises Schaumburg vom 17.03.2011 mit. Die Antragsgegnerin führte weiter aus, dass die Anordnungen dieses bestandskräftigen Bescheides auch von dem Antragsteller als neuem Hundehalter zu befolgen seien.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21.09.2012 anzuordnen, ist, so das Oberverwaltungsgericht, unzulässig. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur statthaft, wenn ein gegenüber dem Antragsteller noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt, der entweder kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 VwGO) oder kraft behördlicher Vollziehungsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sofort vollziehbar ist. Der Antragsteller wendet sich mit seiner Klage gegen einen Verwaltungsakt. Die dagegen gerichtete Klage hat nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung. Ein Fall des § 80 Abs. 2 VwGO, in dem die aufschiebende Wirkung entfällt, liegt nicht vor.

Mit dem an den Antragsteller adressierten Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.09.2012 wird die Fortdauer einer Polizeipflichtigkeit hinsichtlich des Hundes B. festgestellt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich dabei nicht um eine neue Sachentscheidung, mit der eine von dem Hund ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abgewehrt werden soll. Haftet die „Polizeiwidrigkeit“ an einer Sache und wird in Bezug auf diese Sache eine Polizeipflicht durch Verwaltungsakt bestandskräftig konkretisiert, geht die Zustandsverantwortlichkeit für die Sache bei einem Eigentumswechsel oder einer Übertragung der Sachgewalt auf den Rechtsnachfolger über. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der Hund B. war vor Erlass des bestandskräftigen Bescheides des Landkreises Schaumburg vom 17.03.2011 mehrfach durch Beißattacken gegen andere Hunde auffällig geworden. Von ihm ging daher eine Gefahr aus, die den Landkreis Schaumburg veranlasste, gemäß § 13 NHundG a.F. gegenüber dem Sohn des Antragstellers, dem damaligen Halter des Tieres, die oben näher bezeichneten Einzelmaßnahmen anzuordnen. Die Anordnungen beruhten insbesondere auf der Gefährlichkeit des Tieres, das seinem Halter gegenüber den Gehorsam und die Unterordnung vermissen ließ, und begründeten deshalb eine Zustandshaftung des Sohnes des Antragstellers als Halter des Hundes. Polizeirechtlich werden Tiere wie Sachen behandelt (vgl. § 90 a BGB, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG).

Die von dem Landkreis Schaumburg gegenüber dem Sohn des Antragstellers angeordneten Polizeipflichten sind auf den Antragsteller übergegangen. Ob dies bereits mit dem Halterwechsel am 01.05.2012 geschehen ist oder ob es dazu zusätzlich einer Bekanntgabe der die Polizeipflicht begründenden Anordnungen gegenüber dem Rechtsnachfolger bedarf, muss in dem vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Denn die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Ziffern 1. und 2. des Bescheides des Landkreises Schaumburg vom 17.03.2011 mit dem Bescheid vom 21.09.2012 gemäß §§ 41, 43 VwVfG bekanntgegeben. Hierzu war die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr nach dem Niedersächsischen Gesetz über das Halten von Hunden vom 26.05.2011 übertragenen Zuständigkeit (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 NHundG) befugt. Mit der Bekanntgabe werden die von dem Landkreis Schaumburg getroffenen Anordnungen auch gegenüber dem Antragsteller verbindlich durch Verwaltungsakt festgestellt. Eine neue Sachentscheidung ist damit nicht verbunden. Insbesondere hat die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid nicht eine eigenständige Entscheidung zur Gefahrenabwehr nach § 17 Abs. 4 Satz 2 NHundG getroffen.

Die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 21.09.2012 hat aufschiebende Wirkung. Diese Rechtsfolge nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO tritt nach Satz 2 der Vorschrift auch ein, wenn sich die Klage – wie hier – gegen einen feststellenden Verwaltungsakt richtet. Eine Fallkonstellation nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Abs. 2 Satz 2 VwGO, in der die aufschiebende Wirkung entfällt, ist hier nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat auch nicht die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 21.09.2012 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Eine solche Anordnung muss ausdrücklich erfolgen und darf hinsichtlich ihres Charakters nicht zweifelhaft sein. Der Bescheid vom 21.09.2012 enthält nicht ansatzweise eine Erklärung, die als Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgelegt werden könnte. Eingangs des Bescheides werden die Anordnungen zu 1. und 2. des Bescheides vom 17.03.2011 wiedergegeben. Es folgt die Regelung, dass diese bestandskräftigen Anordnungen von dem Antragsteller als neuem Hundehalter weiterhin zu befolgen seien. Der Bescheid schließt mit der Rechtsmittelbelehrung. Mit dem Übergang der Pflichten aus dem Bescheid vom 17.03.2011 auf den Antragsteller lebt auch nicht die in diesem Bescheid angeordnete sofortige Vollziehung der hunderechtlichen Anordnungen wieder auf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der genannte Bescheid bestandskräftig ist und sich damit dessen sofortige Vollziehbarkeit erledigt hat.

Mit der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht die Rechtsfolge verbunden, dass der Antragsteller nunmehr vorläufig die ursprünglich seinem Sohn aufgegebenen Pflichten nicht mehr zu befolgen hat. Ein Verwaltungsakt, mit dem eine bestandskräftig konkretisierte Pflicht, die aus der Zustandsverantwortlichkeit herrührt, dem Rechtsnachfolger bekanntgegeben wird, ist nur hinsichtlich des Überganges dieser Pflicht anfechtbar und deshalb beispielsweise mit dem Einwand fehlender Rechtsnachfolge angreifbar. Den dem Rechtsvorgänger aufgegebenen Pflichten ist uneingeschränkt nachzukommen. Der Antragsteller ist deshalb verpflichtet, den Hund B. außerhalb ausbruchsicher eingezäunter Grundstücke im öffentlichen Verkehrsraum ausschließlich mit Halsband, stabiler Leine mit einer Länge von max. 2 Meter und mit Maulkorb zu führen. Das Verwaltungsgericht verweist zu Recht darauf, dass dem Antragsteller diese Pflicht schon aufgrund der bestandskräftigen Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheides vom 17. März 2011 obliegt. Denn dort wird ausdrücklich ausgesprochen, dass der Leinen- und Maulkorbzwang nicht nur für den Sohn des Antragstellers, sondern auch für andere Personen, die den Hund führen, gilt.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 25.03.2013, 11 ME 34/13