martina heck

28.07.2014

Keine Verhaltensprüfung oder wie Ignoranz alles verschlimmert

Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe als Revisionsinstanz zu den Sorgfaltspflichten des Halters eines sogenannten Kampfhundes Stellung genommen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe muss der Halter eines “Kampfhundes” im Sinne des § 1 Abs. 2 PolVogH BW, bei dem die rassespezifisch begründete Vermutung besonderer Gefährlichkeit nicht durch eine Verhaltensprüfung widerlegt ist, damit rechnen, dass der Hund jederzeit auch ohne vorherige Warnzeichen Menschen anfällt.

In dem entschiedenen Fall war der Angeklagte Halter eines zuvor noch nicht gegenüber Menschen aggressiv gewordenen Hundes, bei dem es sich jedenfalls um einen American Staffordshire Terrier-Mischling handelte. Diese Einordnung des Hundes war dem Angeklagten aufgrund eines entsprechenden bestandskräftigen Bescheids der als Ortspolizeibehörde zuständigen Gemeinde Friesenheim bekannt. Eine Verhaltensprüfung des Hundes hatte der Angeklagte nicht vornehmen lassen. Als der Vermieter in Begleitung seiner damals neun Jahre alten Tochter den Angeklagten in seiner Wohnung aufsuchte, sprang der Hund das Kind, das den Arm nach dem Hund ausgestreckt hatte, unvermittelt an und biss es – mit erheblichen Verletzungsfolgen – ins Gesicht. Der Kindesvater, der zum Schutz seiner Tochter eingriff, wurde in den Arm gebissen.

Das Amtsgericht Ettenheim hatte den Hundehalter freigesprochen, das Landgericht Freiburg hatte dieses Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen (mit der Folge, dass diese Vorstrafe im Bundeszentralregister eingetragen wird) verurteilt.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Revision nun als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Halter eines Hundes ist verpflichtet, diesen zu überwachen und so abzusichern, dass Verletzungen oder sonstige Schädigungen Dritter verhindert werden. Ein Hund stellt eine Gefahrenquelle dar, da er in seinem Verhalten nicht vernunftgesteuert und im Allgemeinen unberechenbar ist. Die hiernach im Einzelfall zu treffenden Vorkehrungen richten sich danach, welche Anforderungen im Hinblick auf die konkreten Umstände nach der Verkehrsauffassung und im Rahmen des Zumutbaren an einen verständigen, umsichtigen und in vernünftigen Grenzen vorsichtigen Hundehalter zu stellen sind, um eine Schädigung Dritter durch das Tier tunlichst abzuwenden. Grundsätzlich ist dabei zwar die bisherige Führung des Hundes von besonderer Bedeutung, weil sie die Grundlage für die Annahme sein kann, dass er die Unberechenbarkeit, die im Allgemeinen im Verhalten eines Tieres zu beobachten ist, überwunden und sich als gutartig erwiesen hat oder er im Gegenteil bereits durch erhöhte Aggressionsbereitschaft oder gar Bösartigkeit aufgefallen ist. Daneben spielen aber auch das Alter und die Rasse des Hundes eine Rolle.

Handelt es sich um einen Kampfhund, werden die Sorgfaltspflichten des Tierhalters durch § 4 PolVOgH konkretisiert. Während die Pflichten des Tierhalters lediglich beim besonders gefahrenträchtigen Führen eines solchen Hundes außerhalb des befriedeten Besitztums in § 4 Abs. 2 bis 5 PolVOgH im Einzelnen geregelt sind, statuiert § 4 Abs. 1 PolVOgH im Übrigen, dass diese Tiere so zu halten und zu beaufsichtigen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Menschen, Tiere oder Sachen ausgehen kann. Für die Beurteilung des Falles spielt dabei weiter eine Rolle, dass bei Kampfhunden aufgrund ihrer rassespezifischen Merkmale eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit vermutet wird, diese Vermutung jedoch durch eine Verhaltensprüfung widerlegt werden kann (§ 1 Abs. 1 und 2 PolVOgH).

Nachdem der Angeklagte eine Verhaltensprüfung des Hundes nicht vorgenommen hatte, musste der Angeklagte danach allein aufgrund der rassespezifischen Gefährlichkeit des Hundes damit rechnen, dass dieser auch ohne vorherige Warnzeichen Menschen anfallen könnte und dagegen Vorkehrungen treffen. Gerade beim Zusammentreffen mit Kindern, bei denen aufgrund ihrer altersbedingten Unerfahrenheit mit nicht sachgerechtem Umgang mit Hunden zu rechnen ist, war erhöhte Vorsicht geboten. Der Angeklagte wäre deshalb gehalten gewesen, den Hund in Anwesenheit des Kindes entweder anzuleinen oder ihn während des Besuchs des Kindes in einem anderen Raum einzusperren, um jegliche Gefährdung des Kindes durch den Hund auszuschließen. Die Missachtung dieser Sorgfaltspflichten, die vorhersehbar – wie geschehen – zu durch den Hund verursachten Verletzungen führen konnte, begründet nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe den Vorwurf fahrlässigen Handelns, wobei dem Angeklagten auch die nachfolgende Verletzung des um den Schutz seiner Tochter bemühten Vaters zuzurechnen ist.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 02.07.2014 – 2 (7) Ss 318/14