Im Rahmen eines Leasingvertrages ist in der Regel vereinbart, dass der Leasingnehmer an den Leasinggeber nach der Rückgabe des Fahrzeugs einen Ausgleich für den durch nicht vertragsgemäße Nutzung entstandenen Minderwert des Fahrzeugs leistet.
Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass diese Zahlung beim Leasinggeber nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
In dem entschiedenen Fall ist die Klägerin Leasinggeberin von Geschäftsfahrzeugen. Ihre Kunden verpflichten sich vertraglich, das Fahrzeug nach Ablauf des Vertrags in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben, wobei normale Verschleißspuren nicht als Schäden gelten. Wenn das Fahrzeug bei Rückgabe dem vereinbarten Zustand nicht entspricht, muss der Leasingnehmer für den Minderwert einen entsprechenden Ausgleich an die Klägerin leisten. Im Streitfall wies das Fahrzeug bei Rückgabe u.a. Lackschäden, eine fehlende Funktion der Lenkhilfe sowie eine Beschädigung des Panzerrohres auf. Der Leasingnehmer leistete den vereinbarten Minderwertausgleich an die Klägerin.
Die Klägerin war der Meinung, dass dieser Betrag nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei und teilte dies dem Finanzamt mit. Das Finanzamt behandelte demgegenüber den sog. Minderwertausgleich als eine leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber und erhöhte die Umsatzerlöse der Klägerin entsprechend.
Die hiergegen gerichtet Klage hatte beim Finanzgericht und Bundesfinanzhof Erfolg.
Der Bundesfinanzhof folgt damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der bereits entschieden hat, dass der Minderwertausgleich ohne Umsatzsteuer zu berechnen ist.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Entgelt ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.
Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich der Bundesfinanzhof angeschlossen hat, im Wesentlichen folgende unionsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen:
Zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde.
Dabei bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet.
Echte Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind demgegenüber kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen stellt der im Streitfall vom Leasingnehmer gezahlte Minderwertausgleich eine nicht steuerbare Entschädigung dar und ist daher nicht als Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG zu behandeln.
Bei dem zwischen der Klägerin und dem Leasingnehmer geschlossenen Leasingvertrag ergibt sich die fehlende Steuerbarkeit des Minderwertausgleichs indes nicht schon daraus, dass die Beteiligten die Zahlung des Leasingnehmers in Abschnitt XVI Ziffer 3 der Leasingbedingungen als “Schadensersatz” bezeichnet haben. Denn im Umsatzsteuerrecht, das von unionsrechtlich einheitlichen Begriffen ausgeht, ist die jeweilige von den Beteiligten verwendete Bezeichnung unmaßgeblich.
Im Streitfall ist der von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert insofern zu bejahen, als der Leasingnehmer aufgrund der von der Klägerin erbrachten Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs im Rahmen des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks die Leasingraten entrichtet hat.
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ist jedoch nicht gegeben, soweit der Leasingnehmer gemäß Abschnitt XVI der Leasingbedingungen den vereinbarten Schadensersatz gerade deshalb schuldete, weil der Erhaltungszustand des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe nicht seinem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprach.
Danach hat die Klägerin bezogen auf den vom Leasingnehmer gezahlten Minderwertausgleich objektiv keine eigenständige Leistung erbracht.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes liegt auch keine eigenständige Leistung der Leasinggeberin darin, dass sie die Nutzung des Leasingfahrzeugs über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus geduldet habe. Das Finanzamt meint insoweit, die Möglichkeit der Entschädigung sei bereits gedanklich wegen der geplanten “Vollamortisation” im Vertrag angelegt gewesen. Danach habe der Leasingnehmer dem Leasinggeber zivilrechtlich als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung und die entsprechende Duldung der nicht vertragsgemäßen Nutzung grundsätzlich nicht nur die vereinbarten Leasingraten, sondern auch einen Ausgleich für den Ersatz des Minderwerts des Leasingfahrzeugs bei Rückgabe in nicht vertragsgemäßem Zustand geschuldet.
Diese Argumentation überzeugt aus folgenden Gründen nicht:
Zwar kann ein “Dulden” im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine eigenständige sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 UStG sein. Hier hat die Leasinggeberin aber nach den getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen den Leasingnehmer ausdrücklich berechtigt und verpflichtet, das Fahrzeug “im Rahmen des vertraglichen Verwendungszwecks” schonend zu behandeln und “vertragsgemäß” zu nutzen. Anhaltspunkte für die vom Finanzamt angenommene “Duldung” einer darüber hinausgehenden nicht vertragsgemäßen Nutzung durch die Leasinggeberin ergeben sich daraus nicht.
Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit maßgeblich von dem Fall, der dem Bundesfinanzhof bei seinem Urteil in BStBl. II 2005, 802 zugrunde lag. Der Bundesfinanzhof hatte darin geklärt, dass die Ausgleichszahlung für beim Bau einer Überlandleitung entstehende Flurschäden durch deren Betreiber an den Grundstückseigentümer kein Schadensersatz ist, sondern Entgelt für die Duldung der Flurschäden durch den Eigentümer. Bestimmend dafür war, dass wenn ein wirtschaftliches Vorhaben, zu dessen Verwirklichung vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, zwangsläufig zu Schäden bei einem Vertragspartner führt und hierfür ein am Umfang der Schäden orientierter Ausgleich vereinbart wird, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung dann darauf gerichtet ist, dass der “Ersatz” in die Gegenleistung einfließt.
Demgegenüber zielte die Vereinbarung im Streitfall nicht darauf ab, einen “zwangsläufigen” Schaden im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auszugleichen. Die Absprache im Hinblick auf eine etwaige nicht vertragsgemäße Nutzung des Leasingfahrzeugs und den insoweit zu bezahlenden Minderwertausgleich hatten die Beteiligten vor diesem Hintergrund lediglich vorsorglich getroffen, so dass eine entsprechende “Duldungsleistung” der Leasinggeberin nicht angenommen werden kann. Der Bundesfinanzhof folgt damit nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach in vergleichbaren Fällen stets unabhängig von einem etwaigen Leistungswillen von einer “Duldung” der übervertraglichen Nutzung auszugehen ist, weil auch aus Sicht des Leasingnehmers angesichts der im Streitfall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen eine solche “Duldung” nicht gegeben war.
Soweit das Finanzamt darüber hinaus maßgeblich die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur im Leasingvertrag angelegten “Vollamortisation” mit entsprechenden vertraglichen Erfüllungspflichten anwendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zu beantworten ist.
Was die im Vertrag bereits angelegte Entschädigungsregelung betrifft, war schließlich auch in dem vom EuGH entschiedenen Fall in der Rechtssache – Société thermale d’Eugénie-les-Bains – die Möglichkeit des Rücktritts des Hotelgastes von der Reservierung und die Einbehaltung eines entsprechenden Angeldes im Vorhinein durch den Hotelbesitzer vorgesehen. Gleichwohl hat der EuGH insoweit keine eigenständige Leistung des Hotelbetreibers bejaht. Vielmehr hat der EuGH hervorgehoben, dass der Abschluss eines Vertrages und folglich das Bestehen einer rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien normalerweise nicht von der Zahlung eines Angeldes abhängig sei. Dies stelle daher kein konstitutives Element eines Beherbergungsvertrages dar, sondern ein rein fakultatives Element, das in den Bereich der Vertragsfreiheit der Parteien falle.
Der Streitfall ist insoweit dem Sachverhalt des EuGH in der Rechtssache – Société thermale d’Eugénie-les-Bains – vergleichbar, als hier die Durchführung des Leasingvertrages selbst – nämlich die Überlassung des Leasinggegenstandes zur vertragsgemäßen Nutzung gegen entsprechende Leasingraten – unabhängig von einem etwaigen Minderwertausgleich war, der lediglich fakultativ – wie im Streitfall geschehen – von den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbart werden konnte.
Auch in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, wonach sog. Bereitstellungsentgelte, die ein Speditionsunternehmen bei kurzfristiger Absage einer Zwangsräumung erhält, als pauschalierte Entschädigung nicht steuerbar sind, war für den Fall der Absage der Zwangsräumung eine entsprechende pauschalierte Entschädigung – vergleichbar dem Streitfall – bereits im Vorhinein im Vertrag vereinbart. Die pauschalierte Entschädigung hatte auch im dort entschiedenen Fall des Bundesfinanzhofs den wirtschaftlichen Zweck, etwaige außerhalb des Vertrages entstandene Schäden – vergleichbar dem Streitfall – auszugleichen.
Der Bundesfinanzhof teilt deshalb nicht die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach ein entscheidungserheblicher Unterschied des Streitfalls zum EuGH-Urteil in der Rechtssache – Société thermale Eugénie-les-Bains – darin liege, dass hier der Leasingvertrag als Dauerschuldverhältnis grundsätzlich durchgeführt wurde, während bei den in der Rechtsprechung behandelten Fällen die Verträge letztlich nicht erfüllt wurden.
Dieses Ergebnis setzt im Übrigen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs fort, wonach der zu berichtigende Vorsteuerbetrag durch einen Schadensersatz, den der Leasingnehmer für die vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages zu leisten hat, nicht gemindert wird. Der Bundesfinanzhof hatte insoweit bereits geklärt, dass der von der Leasinggeberin geltend gemachte Schadensersatz kein Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung der Leasinggeberin ist. Diese Grundsätze müssen gleichermaßen für eine Entschädigung gelten, die der Leasingnehmer wegen einer nicht vertragsgemäßen Nutzung des Leasingfahrzeuges nachträglich zu leisten hat.
Die hiergegen vorgebrachten weiteren Einwendungen des Finanzamtes greifen nicht durch.
Das Vorbringen des Finanzamts, bei einer Behandlung des Minderwertausgleichs als nicht steuerbare Entschädigung komme es zu einer verfassungswidrigen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Privilegierung derjenigen, die vertragswidrig handelten, gegenüber anderen, die sich vertragstreu verhielten, vermag nicht zu überzeugen. Denn die umsatzsteuerrechtliche Differenzierung zwischen nicht steuerbaren Schadensersatz- bzw. Entschädigungsleistungen und steuerbaren Entgelten ist wegen des insoweit fehlenden Leistungsaustauschs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sachlich gerechtfertigt und begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Entscheidend für die Annahme eines Leistungsaustauschs i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind die unter II.1.a dargelegten Voraussetzungen und nicht, ob einer Geldzahlung ein “Konsumguttransfer” zugrunde liegt oder ob der Geschädigte “ein Gut opfert oder dessen Beeinträchtigung hinnehmen muss” und “der Schädiger dafür einen Wertausgleich zu zahlen hat”.
Soweit das Finanzamt überdies ausführt, es sei bei entsprechenden Leasingverträgen davon auszugehen, dass es wohl sehr häufig zu Fällen der übervertraglichen Abnutzung des Leasingfahrzeugs und damit zu der Zahlung eines leasingtypischen Minderwertausgleichs komme, hat dies kein anderes Ergebnis zur Folge. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es sich bei der nicht vertragsgemäßen Nutzung des Leasingfahrzeugs um ein wirtschaftliches Vorhaben handeln würde, bei dem zwangsläufig Schäden beim Vertragspartner auftreten, wie dies z.B. beim Bau einer Überlandleitung entstehenden Flurschäden der Fall ist, so dass aus diesem Grund der “Ersatz” in die Gegenleistung einfließen müsste. Wie bereits ausgeführt, kann im Streitfall indes nicht von einer derartigen “Zwangsläufigkeit” der Schäden ausgegangen werden.
Das gefundene Ergebnis steht schließlich auch im Einklang mit der Rechtsprechung der Zivilgerichte, die gleichfalls unter Berücksichtigung der vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätze der Auffassung sind, der Minderwertausgleich sei ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil eine eigenständige Leistung des Leasinggebers insoweit fehle und dieser deshalb darauf keine Umsatzsteuer zu entrichten habe.
Die Literatur teilt insoweit ganz überwiegend die schon vom BGH vertretene Meinung.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2013 – XI R 6/11