martina heck

18.07.2013

Kein Vorsteuerabzug für (vielleicht) böse Buben

Die an seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer kann ein Unternehmer, der sich gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben, nicht als Vorsteuer abziehen – so der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung.

Der Kläger, ein Bauunternehmer, hatte mutmaßlich eine Zuwendung an einen Entscheidungsträger eines potentiellen Auftraggebers geleistet, um einen Bauauftrag zu erlangen. Gegen ihn und einen seiner Angestellten wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger und sein Angestellter ließen sich durch Strafverteidiger vertreten. Das Bauunternehmen machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beider Strafverteidiger geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Das Finanzgericht gab der Klage statt.

Der Bundesfinanzhof hat nun die Auffassung des Finanzamts bestätigt.

Abziehen kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer “für sein Unternehmen” ausgeführt worden sind. Streitig war, ob die Strafverteidiger Leistungen für das Unternehmen oder für die Privatpersonen erbracht hatten. Deswegen hatte der Bundesfinanzhof in derselben Sache zuvor bei dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angefragt, ob es für den Vorsteuerabzug auf den maßgeblichen Entstehungsgrund der Aufwendungen ankomme, dass nämlich die mutmaßliche Straftat im Interesse des Unternehmens begangen wurde oder ob das unmittelbare Ziel der erbrachten Leistung, eine Bestrafung zu verhindern, entscheidend sei.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21.02.2013 entschieden:

Für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 geänderten Fassung ‘für Zwecke seiner besteuerten Umsätze’ verwendet wurden, bestimmt sich das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen.

Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.

Dem hat sich der Bundesfinanzhof nun angeschlossen.

1. Der Unternehmer ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 1 und 2 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Im Hinblick auf den weiter erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ist dabei wie folgt zu differenzieren.

aa) Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einem einzelnen Ausgangsumsatz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, der steuerpflichtig ist (gleichgestellt: Umsatz i.S. von § 15 Abs. 3 UStG und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG), kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes.

bb) Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder – ohne Anwendung von § 15 Abs. 3 UStG (Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG) – steuerfrei ist, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer eine Leistung z.B. für einen steuerfreien Ausgangsumsatz bezieht, um mittelbar seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu stärken, da der von ihm verfolgte endgültige Zweck unerheblich ist.

cc) Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und –als solche– Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug.

2. Im Streitfall ist der Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistungen der beiden Strafverteidiger nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers standen. Ohne dass insoweit eine Bindung des Bundesfinanzhofs an eine Einzelfallbeurteilung durch den EuGH besteht, ist dabei von Folgendem auszugehen.

a) Nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil bestimmt sich der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Leistung. Dabei eröffnen Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu vermeiden, die “Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens” sind, dem Kläger als Organträger der GmbH keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug. Dies gilt zumindest dann, wenn es – wie im Streitfall – um den Vorwurf der Begehung einer Straftat durch verbotene Zuwendungen an potentielle Auftraggeber geht.

Der EuGH begründet dies damit, dass die Anwaltsdienstleistungen direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der beiden Beschuldigten dienten, die wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegender Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurden, und dass die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen sie persönlich und nicht gegen die “GmbH” gerichtet waren.

b) Dass der Kläger nicht nur Geschäftsführer der GmbH, sondern zugleich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch Organträger der GmbH und damit umsatzsteuerrechtlich Träger des Unternehmens der GmbH als Organgesellschaft war, ändert hieran nach dem Urteil des EuGH nichts, da die Strafverteidigungsleistungen gleichwohl dem “Schutz der privaten Interessen”, nicht aber der wirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers in seiner Eigenschaft als Organträger dienten. Danach ist z.B. auch nicht danach zu differenzieren, ob es sich bei den “privaten Interessen”, die durch die Anwaltsleistung geschützt werden sollen, um die eines Geschäftsführers einer juristischen Person oder um die eines Einzelunternehmers handelt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.04.2013 – V R 29/10