Das Finanzgericht Hamburg hatte im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über die Frage zu entscheiden, ob die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Schulgebühren für ein Internat im Ausland auf den Höchstbetrag von € 5.000 gegen Verfassungs- oder Unionsrecht verstößt.
In dem entschiedenen Fall besuchte der Sohn der Antragsteller im Streitjahr 2011 die A School, eine privates Internat in B (Schottland). Die Kläger zahlten im Streitjahr Schulgebühren in Höhe von insgesamt 17.567,00 € an dieses Internat.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 machten die Antragsteller die Schulgebühren als Sonderausgaben geltend.
Der Antragsgegner (Finanzamt) berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für 2011 schlußendlich das Schulgeld lediglich in Höhe von 5.000,00 € als Sonderausgabe berücksichtigt und setzte die Einkommensteuer auf 26.772,00 € festsetzte. Ferner lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung ab.
Die Antragsteller haben daraufhin Klage erhoben und gleichzeitig bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Sie tragen vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sei das Schulgeld unbegrenzt abzugsfähig.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehugn hatte beim Finanzgericht Hamburg keinen Erfolg.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen.
Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 2011. Der Antragsgegner hat den Sonderausgabenabzug für das Schulgeld zu Recht auf 5.000,00 € begrenzt.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. d. F. des JStG 2009 vom 19.12.2008 sind als Sonderausgaben abziehbar 30 Prozent des Entgelts, höchstens 5.000,00 €, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung (Satz 1). Voraussetzung ist, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die Schule zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt (Satz 2). Der Höchstbetrag nach Satz 1 der Vorschrift wird für jedes Kind, bei dem die Voraussetzungen vorliegen, je Elternpaar nur einmal gewährt (Satz 5).
Ob die Voraussetzungen für diesen Sonderausgabenabzug bzgl. des Schulgeldes für den Besuch des schottischen Internats durch den Sohn der Antragsteller vorliegen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kann offen bleiben, weil der Antragsgegner den Höchstbetrag von 5.000,00 € berücksichtigt hat und sich der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur auf den diesen Betrag übersteigenden Teil des Schulgeldes bezieht.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf einen höheren als den gewährten Sonderausgabenabzug. Der Sonderausgabenabzug für Schulgeld ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf den Höchstbetrag von 5.000,00 € beschränkt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist ein vollständiger Abzug des Schulgeldes auch nach höherrangigem Recht nicht geboten.
Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf einen unbegrenzten Sonderausgabenabzug von Schulgeld besteht nicht, weil der Besuch einer Privatschule nicht zum existentiellen Bedarf eines Schulkindes gehört.
Ebenso wenig ist ein vollständiger Sonderausgabenabzug unionsrechtlich geboten.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. d. F. vor Geltung des JStG 2009 waren als Sonderausgaben abziehbar 30 Prozent des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein berücksichtigungsfähiges Kind für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule entrichtet, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteilen vom 11.09.2007 entschieden, dass dann, wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schickten, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fielen (also keine Privatschulen seien, die sich im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanzierten), Art. 18 EG (jetzt Art. 21 AEUV) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehe, die vorsehe, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden könnten, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließe. Gleiches gelte für Privatschulen, da dann ein Verstoß gegen Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) vorliege. Die Versagung der steuerlichen Vergünstigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten könne nicht durch das Ziel gerechtfertigt werden, die Deckung der Kosten für den Betrieb von Privatschulen zu gewährleisten, ohne dass dadurch der Staat unangemessen belastet werde, da dieses Ziel durch mildere Mittel erreicht werden könne. Zur Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung sei es einem Mitgliedstaat nämlich möglich, die Abzugsfähigkeit des Schulgelds auf einen bestimmten Betrag zu beschränken, der der steuerlichen Vergünstigung entspreche, die dieser Staat für den Besuch von Schulen im Inland gewähre; dies sei ein milderes Mittel als die Versagung der fraglichen Steuervergünstigung.
Daraufhin hat der Gesetzgeber durch das JStG 2009 die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit Wirkung ab 2008 dahingehend geändert, dass nunmehr auch der Besuch von Privatschulen im EU/EWR-Raum begünstigt wird, die Begünstigung insgesamt aber auf einen Höchstbetrag beschränkt ist.
Damit ist den unionsrechtlichen Anforderungen Genüge getan. Aufgrund der unionsrechtlichen Grundfreiheiten hat ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten. Die Grundfreiheiten werden nur dann beeinträchtigt, wenn etwa die Freizügigkeit oder die Erbringung von Dienstleitungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber einem reinen Inlandssachverhalt erschwert ist, weil hieran eine höhere steuerliche Belastung geknüpft ist. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt in einem solchen Fall dazu, dass die fragliche Norm unionsrechtskonform auszulegen und ein unionsrechtswidriges Tatbestandsmerkmal nicht zu beachten ist. Nachdem das an Privatschulen im EU/EWR-Ausland gezahlte Schulgeld nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des JStG 2009 steuerlich nunmehr ebenso behandelt wird wie das an eine inländische Privatschule gezahlte Schulgeld, ist die in der vorherigen Fassung enthaltene Unionsrechtswidrigkeit vollständig beseitigt. Es gibt kein unionsrechtswidriges Tatbestandsmerkmal mehr, das nicht zu beachten wäre. Die Beschränkung auf einen Höchstbetrag trifft alle Unionsbürger in gleicher Weise und beeinträchtigt die Grundfreiheiten daher nicht. Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in dem von den Antragstellern zitierten Urteil ausdrücklich klargestellt, dass die Beschränkung der Abzugsfähigkeit des Schulgelds auf einen bestimmten Betrag zulässig sei, sofern die Beschränkung auch für den Besuch von Schulen im Inland gelte.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 16.08.2013 – 3 V 169/13