Nachdem wir hier von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs hinsichtlich des für die Berechnung des Zusatzzolls maßgeblichen cif-Einfuhrpreises berichtet hatten, liegt nun eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Frage des Zusatzzolls im Fall eines über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreises vor.
In dem entschiedenen Fall erwarb die Klägerin von Verkäufern mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, in Argentinien und in Uruguay (drittländische Verkäufer) im Mai 2006 gefrorene Hühnerteile (Codenummer 0207 1410 00 0). Das Ursprungsland der Hühnerteile war Brasilien bzw. Argentinien.
Die Klägerin meldete die gefrorenen Hühnerteile mit vereinfachten Zollanmeldungen zur Überführung in den freien Verkehr an. Das beklagte Hauptzollamt berechnete die Einfuhrabgaben auf Grundlage der von den drittländischen Verkäufern gestellten Handelsrechnungen sowie der Fracht- und Versicherungskosten. Dies ergab cif-Einfuhrpreise in Höhe von 231,05 EUR/100 kg, 220,54 EUR/100 kg und 233,88 EUR/100 kg.
Da die cif-Einfuhrpreise über den repräsentativen Preisen in Höhe von 172,90 EUR/100 kg bzw. 199,20 EUR/100 kg lagen, legte die Klägerin dem Hauptzollamt ihre Weiterverkaufsrechnungen vor.
Mit geändertem Steuerbescheid forderte das Hauptzollamt Einfuhrabgaben nach. Die Erhöhung resultierte aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den Zusatzzoll, der nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 (VO Nr. 1484/95) der Kommission vom 28.06.1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle und zur Festsetzung der repräsentativen Preise in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier in der für den Streitfall geltenden Fassung zu entrichten war. Das Hauptzollamt führte hierzu aus, dass die Klägerin nicht den über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreis gemäß § 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 habe bestätigen können. Vielmehr hätten die vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen um den Zoll bereinigte Weiterverkaufspreise in Höhe von 201,87 EUR/100 kg, 211,72 EUR/100 kg und 220,72 EUR/100 kg ergeben. Damit sei der Zusatzzoll auf Grundlage der repräsentativen Preise zu ermitteln.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg; die Revision der Klägerin wurde nun vom Bundesfinanzhof zurückgewiesen.
Im Streitfall lagen die cif-Einfuhrpreise über den jeweiligen damaligen repräsentativen Preisen. Deshalb musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 zusätzliche Nachweise vorlegen. Darüber hinaus musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nachweisen, dass die entsprechenden Sendungen zu Bedingungen abgesetzt worden sind, welche die cif-Einfuhrpreise bestätigen. Hierfür gewährt Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 eine Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens jedoch sechs Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr.
Die Klägerin hat die aus Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 folgenden Nachweispflichten weder innerhalb der Monats- noch innerhalb der Sechs-Monats-Frist erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bzw. welche Weiterverkaufsrechnungen innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 vorgelegt worden sind. Darüber hinaus kann offenbleiben, ob die Monatsfrist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht bzw. ob die in Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 geregelten Fristen unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sind, dass regelmäßig die Frist von sechs Monaten anzuwenden ist. Denn die aus den vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen berechneten Weiterverkaufspreise (201,87 EUR/100 kg, 211,72 EUR/100 kg und 220,72 EUR/100 kg) lagen unter den angegebenen cif-Einkaufspreisen (231,05 EUR/100 kg, 220,54 EUR/100 kg und 233,88 EUR/100 kg) und führten somit nicht zu deren Bestätigung. Da Waren regelmäßig zuzüglich einer Gewinnmarge weiterverkauft werden, sprechen die unter den cif-Einfuhrpreisen liegenden Weiterverkaufspreise vielmehr gegen die Richtigkeit der angegebenen cif-Einfuhrpreise.
Das Finanzgericht hat, so der Bundesfinanzhof, zutreffend ausgeführt, dass auch in solch einem Fall weiterhin die Möglichkeit eines Nachweises der Richtigkeit des cif-Einfuhrpreises besteht. Hierfür sind besondere Umstände darzulegen und nachzuweisen, die dazu geführt haben, dass es zu einem Verlustgeschäft kam. Dies können beispielsweise unvorhergesehene Marktentwicklungen oder kalkulatorische Fehleinschätzungen sein. Ob innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ein entsprechender vollständiger Nachweis erbracht werden muss oder zunächst eine grobe – oder zumindest eine substantiierte – Darlegung der zu einem niedrigeren Weiterverkaufspreis führenden besonderen Umstände ausreicht, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist es nicht ausreichend, wenn die niedrigeren Weiterverkaufsrechnungen ohne jegliche Begründung vorgelegt werden. Erst im Rahmen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das im Jahr 2009 begann, hat die Klägerin begründet, weshalb die Weiterverkaufspreise unter den cif-Einfuhrpreisen gelegen haben. Dies war in jedem Fall zu spät, so dass es im Streitfall nicht mehr darauf ankommt, ob diese Begründung ausreichend war.
Der Bundesfinanzhof hält diese Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Demnach sah er keinen Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.04.2014 – VII R 4/13