martina heck

30.07.2015

Gefährlicher Hund durch Totbeißen eines Artgenossen

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Frage der unwiderleglichen Gefährlichkeit eines als bissig geltenden Hundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 HuHV BB 2004 zu befassen.

In dem entschiedenen Fall hatte die Behörde (Antragsgegner) einen sofort vollziehbar und unter Androhung eines Zwangsgeldes vorläufig angeordneten Leinen- und Maulkorbzwang für den Hund „Gustav“ (Deutsche Dogge) der Antragssteller verhängt.

Die Antragsteller erhoben nicht nur Klage gegen den Bescheid, sondern wandten sich auch im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat nun in zweiter Instanz die Anordnung bestätigt (über die Klage ist noch nicht entschieden).

Das Verwaltungsgericht Potsdam war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Hund „Gustav“ als gefährlicher Hund im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV einzustufen sei, weil er am 04.06.2014 den Foxterrier „Foxel“ zu Tode gebissen habe, ohne von diesem angegriffen oder in ähnlicher Weise provoziert worden zu sein.

Hiergegen wandten sich die Antragsgegner mit dem Einwand, es sei nicht geklärt, ob der Tod von „Foxel“ auf einen „Beißvorfall“ oder auf ein „buchstäbliches Herausreißen aus dem Fang der Dogge seitens dessen Herrchen“ zurückzuführen sei.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte allerdings bereits betont, dass entscheidend sei, dass „Gustav“ den Foxterrier unstreitig mit seinem Fang zu fassen bekommen habe. Dieses Zufassen sowie die Aufnahme im Maul der Dogge sei ursächlich für den Tod gewesen, was auch durch die ärztliche Bescheinigung der Tierklinik Potsdam vom 05.06.2014 bestätigt werde, der die Feststellung des Todes „nach Hundebiss“ zu entnehmen sei. War damit nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts zumindest ein kurzfristiges Zubeißen von „Gustav“ kausal für den Tod von „Foxel“, liegt es auf der Hand, dass die Antragsteller die daraus resultierende Gefährlichkeit ihres Hundes weder durch das beschriebene Verhalten des Halters von „Foxel“, welches sich im Übrigen als nachvollziehbarer, wenn auch vergeblicher Versuch zur Rettung des Foxterriers darstellt, noch durch eine angeblich bei „Gustav“ bestehende Beißhemmung zu entkräften vermögen.

Keinen Erfolg hatten die Antragsteller auch mit ihrem Vorbringen, „Foxel“ sei pauschal ein arttypisches Verhalten zum Nachteil von „Gustav“ attestiert worden.

Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu dem Schluss gekommen, dass „Gustav“ vor dem Zubeißen weder im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV „angegriffen oder durch Schläge oder in ähnlicher Weise provoziert worden sei“. Das gelte selbst dann, wenn man der Darstellung der Antragsteller folgte, derzufolge „Foxel“ sich angeleint und laut kläffend in Höhe des Kurvenverlaufs zweier Strassen in Richtung „Gustav“ bewegt habe und dieser dann auf „Foxel“ zugesprungen sei. Das bloße Kläffen eines anderen Hundes – zudem im angeleinten Zustand – stelle ein arttypisches Verhalten eines Hundes dar und könne ohne Hinzutreten weiterer Umstände weder als Angriff noch als Provokation gewertet werden. Dieser verwaltungsgerichtlichen Würdigung setzen die Antragsteller nichts Substanziiertes entgegen, soweit sie lediglich darauf verweisen, dass „Foxel“ nicht artgerecht in der Familie gehalten worden sei, weil er auf dem nicht eingezäunten Anwesen seines Halters an einer ca. 10 Meter langen Leine angepflockt frei herum gelaufen sei, auf dem Grundstück diverse Erdmulden gegraben und Personen in Begleitung mit einem Hund lautstark angekläfft habe, wenn sie sich in die Nähe des Grundstücks begeben und es entlang zur Straßenfront passiert hätten. Abgesehen davon, dass dieses in der Vergangenheit liegende Revierverhalten des Foxterriers keinen Rückschluss darauf zulässt, ob er „Gustav“ unmittelbar vor dem Zubeißen provoziert hat, erschöpft es sich gleichfalls im Kern in einem Kläffen, das von dem Verwaltungsgericht gerade als arttypisch gewertet worden ist. Unbeschadet dessen verkennen die Antragsteller, dass „Gustav“ nach ihrer eigenen Einlassung dem Foxterrier „nachgesprungen“ war und ihn mit seinem Fang zu fassen bekam, als dieser von „seinem Halter bzw. dem Anzeigenden an der Leine reflexartig zu sich zurück und in dessen Arme auf Brusthöhe gerissen worden“ war, mithin in einem Moment, in dem weder ein Angriff noch eine Provokation durch „Foxel“ zu gewärtigen war. Dieses Verhalten deutet im besonderen Maße auf eine von dem Hund der Antragsteller ausgehende Gefährlichkeit hin, die auch durch eine vorliegende gutachterliche Beurteilung des Tierarztes bestätigt wird, wonach „Gustav“ auf Grund einer unzureichenden Führung und schlechten Sozialisierung gegenüber Hunden eine über das normale Maß hinausgehende Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Artgenossen aufweist.

Liegen nach alldem auf Grund des tödlich verlaufenden Beißvorfalls vom 04.06.2014 die Voraussetzungen für die Einstufung von „Gustav“ als unwiderlegbar gefährlicher Hund im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV vor, kann dahingestellt bleiben, ob er schon in der Vergangenheit im Umgang mit anderen Hunden durch aggressive Attacken auffällig geworden ist, oder ob er – wie die Antragsteller behaupten – im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 wegen der von ihnen befolgten tierärztlichen Auflagen (dauerhafter Leinen- und Maulkorbzwang beim Führen des Hundes in der Öffentlichkeit, regelmäßiger Besuch einer Hundeschule sowie chirurgische Kastration der Dogge) „nicht mehr derselbe gegenüber Artgenossen“ sein soll.

Schließlich verhilft die Rüge der Antragsteller, dass der angeordnete Leinen- und Maulkorbzwang sowie die Zwangsgeldandrohung sich angesichts der erfüllten tierärztlichen Auflagen als nicht mehr notwendig erweisen würden, ermessensfehlerhaft und zudem unverhältnismäßig seien, weil sie keine Ausnahmen vorsähen, der Beschwerde nicht zum Erfolg:

Das Ergreifen ordnungsbehördlicher Maßnahmen zum Schutz vor gefährlichen Hunden ist Sache des Antragsgegners und wird nicht durch die in Rede stehenden tierärztlichen Auflagen entbehrlich, deren Befolgung ohnehin in das Belieben der Antragsteller gestellt ist. Vielmehr vermag nur eine behördliche Anordnung die jederzeitige Durchsetzbarkeit des gebotenen Leinen- und Maulkorbzwangs sicherzustellen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller war der Antragsgegner bei seiner Entscheidungsfindung angesichts der schon auf Grund des Beißvorfalls gerechtfertigten Einstufung von „Gustav“ als gefährlicher Hund nicht gehalten, den tierärztlichen Vorschlag, eine erneute Wesensprüfung des Hundes durchzuführen, zu berücksichtigen, zumal er den Leinen- und Maulkorbzwang mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung im Erlaubnisverfahren nach § 10 HundehV befristet angeordnet hat. Die angegriffenen Maßnahmen des Antragsgegners sind auch nicht unverhältnismäßig, sondern dienen der Durchsetzung des in § 3 Abs. 1 bis 3 HundehV normierten umfassenden Leinen- und Maulkorbzwangs für gefährliche Hunde außerhalb des befristeten Besitztums, der, anders als die Antragsteller meinen, eine art- und tierschutzgerechte Haltung von „Gustav“ nicht ausschließt.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.07.2015 – OVG 5 S 44.14