martina heck

10.03.2015

Fehlerhafte Schätzung bei der Bemessung der Zweitwohnungssteuer

Mit der Frage, wie eine Zweitwohnungssteuer zu bemessen ist, hat sich aktuell das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auseinandergesetzt.

In dem entschiedenen Fall wandte sich eine Klägerin gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid, mit dem der Beklagte die Zweitwohnungssteuer für ihren Bungalow für das Jahr 2010 auf 59,14 Euro festsetzte.

§ 3 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer für die betreffende Gemeinde (im Folgenden: ZwStS) lautet auszugsweise:

Ҥ 3
Steuermaßstab

(1)  Die Steuer wird nach der Jahreskaltmiete berechnet.
(2)  Die Jahreskaltmiete ist das Entgelt, das der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat.
(3)  Statt des Betrages nach Abs. 2 gilt als jährlicher Mietaufwand die übliche Miete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zum vorübergehenden Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Jahreskaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Ist der jährliche Mietaufwand für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung nicht zu ermitteln, wird die übliche Miete gemäß § 12 KAG i.V. mit § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in der jeweils gültigen Fassung auf andere sachgerechte Art geschätzt. […]“

§ 5 Abs. 3 ZwStS lautet wie folgt:

„Die Steuerpflicht endet mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung aufgibt. Die zuviel gezahlte Steuer ist auf Antrag zu erstatten.“

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück.

Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit der Begründung stattgegeben, die Zweitwohnungssteuersatzung sei insgesamt nichtig, weil § 5 Abs. 3 ZwStS gegen höherrangiges Recht verstoße; die Vorschrift sehe vor, dass die Zweitwohnungssteuer u. U. auch noch für Zeiten anfalle, in denen die Zweitwohnung bereits aufgegeben worden sei.

Hiergegen wandte sich der Beklagte mit der Berufung.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen.

Die Zweitwohnungssteuersatzung sei zwar wirksam, indessen liege der konkret vorgenommenen Zweitwohnungssteuerfestsetzung eine fehlerhafte Schätzung zu Grunde.

1. Wirksamkeit der Zweitwohnungssteuersatzung

Gegen die Wirksamkeit der Zweitwohnungssteuersatzung als solche bestehen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg keine durchgreifenden Bedenken.

§ 5 Abs. 3 ZwStS ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Nach § 5 Abs. 1 ZwStS wird die Steuer als Jahressteuer erhoben. Die Steuersätze sind auf das Kalenderjahr bezogen. Beginnt das Innehaben der steuerpflichtigen Wohnung im Laufe des Jahres, so beginnt die Steuerpflicht mit Beginn des folgenden Monats (§ 5 Abs. 2 ZwStS). Sie endet nach § 5 Abs. 3 ZwStS mit Ablauf des Monats, in dem die Wohnungseigenschaft wegfällt. Die in § 5 getroffenen Regelungen sind gleichheitskonform. Zwar entstehen zu Beginn und Ende der Steuerpflicht jeweils Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen mit Blick auf konkrete Besteuerungstage. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch unter dem Aspekt der Vereinfachung der Steuererhebung gerechtfertigt. Die Vorschrift des § 5 ZwStS ist in der Zusammenschau eine Vereinfachungszwecknorm. Es sollen keine zu kleinteiligen Differenzierungen mit entsprechendem Ermittlungsaufwand hinsichtlich des genauen Datums der Wohnungsübernahme oder -übergabe vorgenommen werden. Die stattdessen auf volle Monate abstellende Regelung erscheint akzeptabel, weil es um eine Jahressteuer geht. Ebenfalls akzeptabel ist es, dass hinsichtlich des Beginns der Steuerpflicht zu Gunsten, hinsichtlich des Endes der Steuerpflicht zu Lasten des Bürgers pauschaliert wird. Auch die Tatsache, dass nach Ende der Wohnungseigenschaft kein besteuerbarer Gegenstand mehr vorliegt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr ist die Tatsache des Innehabens und Unterhaltens einer Wohnung während des Besteuerungszeitraums Anknüpfungspunkt für die Besteuerung. Die Monatsregelung gestaltet die Steuererhebung demgegenüber nur pauschalierend aus.

Die in § 3 ZwStS der Satzung enthaltene Regelung über den Steuermaßstab ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer. Sie ist eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es ist weithin üblich und nicht zu beanstanden, den Aufwand nicht in seiner Gänze, sondern gleichsam ausschnittsweise zur Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungssteuer zu machen. Das ist vorliegend zulässigerweise durch den Rückgriff auf die Jahreskaltmiete geschehen. Dabei schadet es nicht, dass es im Satzungsgebiet keine gemieteten Zweitwohnungen gibt. Allerdings kann die Zweitwohnungssteuer im Satzungsgebiet danach weder nach der tatsächlich gezahlten Jahreskaltmiete (§ 3 Abs. 1 und 2 ZwStS) noch nach einer fiktiven Miete für die betreffende Wohnung bemessen werden, die in Anlehnung an die Miete geschätzt wird, die für nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Wohnungen üblicherweise gezahlt wird (§ 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZwStS); vielmehr ist die übliche Miete auf andere sachgerechte Art zu schätzen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 ZwStS in Verbindung mit § 162 Abs. 3 AO). Das führt aber noch nicht dazu, dass der Satzungsgeber die Entscheidung über die Bemessung der Zweitwohnungssteuer – unter Verstoß gegen das Wesentlichkeitsprinzip und das Gebot, den Abgabenmaßstab in der Satzung zu regeln (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG) – unzulässig in die Hand der Gemeindeverwaltung gelegt hätte. Denn die Gemeindeverwaltung ist bei der Schätzung nicht frei, sondern hat mit Blick auf § 3 Abs. 1 und 2 ZwStS gerade die hypothetische Jahreskaltmiete für die jeweils in Rede stehende Wohnung sachgerecht, d. h. im Bemühen um ein möglichst richtiges Ergebnis plausibel zu schätzen. Jahreskaltmiete ist hierbei das Gesamtentgelt, das der Mieter als Steuerschuldner für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat. Ausgenommen bleiben die Nebenkosten, insbesondere Heizung, Wasser- und Abwassergebühren, Müllgebühren und Kabelanschluss. Die Kaltmiete unterscheidet sich begrifflich damit von der Jahresrohmiete, in der entsprechende Nebenkosten teilweise mit enthalten sind.

2. Fehlerhafte Bemessung

Die vom Beklagten konkret vorgenommene Schätzung ist indessen fehlerhaft und der Zweitwohnungssteuerbescheid dadurch rechtswidrig. Der Bescheid ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dabei auch nicht teilweise aufrecht zu erhalten.

Dem Bescheid liegt eine Berechnung zugrunde, die einer ermessensleitenden Verfügung folgt. Danach wurde ein allgemeiner Wert einer ortsüblichen Miete von 3,85 Euro bestimmt und sodann mit verschiedenen Abschlägen gearbeitet. Dies ergab für den in Rede stehenden Bungalow eine fiktive Jahreskaltmiete von 591,36 Euro. Dies ist nicht plausibel. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat zwar mit Beschluss vom 13.05.2011 ausgeführt, dass es methodisch nicht unzulässig ist, ausgehend von der ortsüblichen Miete, die für eine bestimmte Kategorie von vermieteten Erstwohnungen gezahlt wird, auf die hypothetische Miete von Zweitwohnungen zu schließen, indem Zu- und Abschläge nach Art, Lage und Ausstattung vorgenommen werden. Allerdings muss die Bemessung der Zu- und Abschläge nach plausiblen und nachvollziehbaren Parametern folgen. Eine Schätzung muss die Realität nicht in allen Einzelfällen treffen, muss sie aber nach nachvollziehbaren und auf allen zur Verfügung stehenden Erkenntnis- und Erfahrungsquellen fußenden Kriterien abzubilden suchen. Danach muss zunächst einmal diejenige Ausgangsmiete sachgerecht ermittelt werden, die durch Zu- und Abschläge auf eine hypothetische Miete für die in Rede stehende Wohnung “herunter-” oder “heraufgerechnet” wird. Diese Ausgangsmiete darf zwar ein Durchschnittswert sein; der Durchschnitt muss sich aber auf eine nach Art, Lage und Ausstattung fassbare Wohnungskategorie beziehen; ein Durchschnittswert der Mieten für Wohnungen unterschiedlicher Art, Lage und Ausstattung kann nicht Ausgangspunkt für Zu- und Abschläge in Bezug auf Art, Lage und Ausstattung sein. Überdies müssen die Zu- und Abschläge selbst plausibel sein.

Dem wird die auf der ermessensleitenden Verfügung beruhende Schätzung des Beklagten nicht gerecht. Denn dabei wurden die Mieten beliebiger Objekte im Satzungsgebiet herangezogen, um eine durchschnittliche Miete zu ermitteln. Dies führte zu dem fraglichen Wert von 3,85 Euro, der Ausgangspunkt der weiteren Berechnung ist. Es ist mit Blick auf das Vorstehende nicht erkennbar, dass der ermittelte Wert in einem logisch nachvollziehbaren Zusammenhang zu dem bei den vorhandenen Zweitwohnungen zu besteuernden Aufwand steht.

Auch mit dem Versuch, sich der fiktiven Miete für den hier in Rede stehenden Bungalow über den Gedanken der Kostenmiete zu nähern, konnte der Beklagte nicht durchdringen. Das ist zwar nicht per se ausgeschlossen. Allerdings hat der Beklagte verkannt, dass insoweit nicht auf eine geschätzte Kostenmiete bezogen auf die Jahresrohmiete nach § 79 BewG abgestellt werden darf, weil diese nicht die Jahreskaltmiete repräsentiert, sondern weitere, in der Jahreskaltmiete gerade nicht enthaltene Posten umfasst.

Der angegriffene Bescheid ist nicht zu einem – jedenfalls gerechtfertigten – Teil aufrecht zu erhalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.05.2009. Mit diesem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen, nachdem der dortige Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass auch nach der vom Verwaltungsgericht selbst für zutreffend angesehenen Schätzungsmethode immer noch ein Teilbetrag der festgesetzten Zweitwohnungssteuer gerechtfertigt gewesen wäre. So liegt es hier indessen nicht; die bisherigen Überlegungen des Beklagten enthalten keinen Kern, der eine ausreichende Grundlage für die Feststellung bieten würde, dass die festgesetzte Zweitwohnungssteuer jedenfalls in einer bestimmten Höhe gerechtfertigt ist. Auch die Überlegungen zur Kostenmiete geben hierfür nichts her. Sie enthalten nicht nur den Ansatz von Posten, die nicht zur Jahreskaltmiete gehören; vielmehr erscheinen auch die Posten, die der Jahreskaltmiete zurechnen sind, nur gegriffen und nicht plausibel geschätzt. Eine eigene Schätzungsbefugnis auf die Jahreskaltmiete kommt dem Oberverwaltungsgericht ohnehin nicht zu.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2015 – 9 B 7.14