martina heck

22.10.2014

Erstattungszinsen sind zu versteuern

Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass es sich bei Erstattungszinsen nach § 233a AO um steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen handelt und dies auch nicht gegen Verfassungsrecht verstösst.

Der Entscheidung zugrunde lag die Frage, ob im Streitjahr (1996) gezahlte Erstattungszinsen nach § 233a AO gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 i.V.m. § 52a Abs. 8 S. 2 EStG (i.d.F. des JStG 2010 vom 08.12.2010) einkommensteuerpflichtig sind.

Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. Mit der Einkommensteuererklärung erklärte er vom beklagten Finanzamt erhaltene Erstattungszinsen in Höhe von 929.939 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Als Sonderausgaben machten die Kläger Zinsen für die Nachforderung und Stundung von Steuern sowie für Vollziehungsaussetzung in Höhe von 241.087 DM geltend. Das Finanzamt setzte als steuerpflichtige Erstattungszinsen nur 658.868 DM an und kürzte die abzugsfähigen Nachforderungszinsen auf 208.195 DM.

Die Kläger beantragten, die als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte erfassten Erstattungszinsen steuerfrei zu stellen.

Das Finanzgericht gab der Klage statt; die Revision des Finanzamtes hatte nun Erfolg.

Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Erträge aus Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG i.d.F. des JStG 2010. § 12 Nr. 3 EStG steht dem, so der Bundesfinanzhof, nicht entgegen.

Der Bundesfinanzhof hat in Seiner ENtscheidung im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe seines Urteils vom 12.11.2013 -VIII R 36/10- verwiesen.

Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Bundesfinanzhof bezüglich seiner damaligen Würdigung nicht.

Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 verstößt nämlich nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, so der Bundesfinanzhof.

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist nach § 52a Abs. 8 S. 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 in “allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist”. Damit ist das Gesetz rückwirkend auch auf den Streitfall anwendbar.

Der Anwendungsbestimmung (§ 52a Abs. 8 S. 2 EStG i.d.F. des JStG 2010) ist in der Rechtsprechung und von Stimmen der Literatur eine unzulässige echte Rückwirkung beigemessen worden.

Indes erweist sich die angeordnete Rückwirkung als verfassungsrechtlich zulässig. Zwar sind Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen grundsätzlich unzulässig. Jedoch sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.

So verhält es sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im Streitfall. Mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG i.d.F. des JStG 2010, die Erstattungszinsen dem steuerbaren Bereich zuweist, hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zum Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 15.06.2010 -VIII R 33/07- der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Praxis der Finanzverwaltung entsprach.

Vor der Rechtsprechungsänderung durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.06.2010 -VIII R 33/07- konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf die Nichtsteuerbarkeit der Erstattungszinsen entstehen, zumal der Zufluss der streitbefangenen Zinsen bei den Klägern bereits mehrere Jahre zurücklag.

Ein Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb allenfalls seit der Veröffentlichung des die Rechtsprechung ändernden Urteils des Bundesfinanzhofs entwickeln können. Jedoch fehlt es angesichts der Vorgeschichte sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der Veröffentlichung dieses Urteils (am 08.09.2010) und dem Inkrafttreten des JStG 2010 (am 14.12.2010) jedenfalls an der Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsprechungsänderung, zumal in diese Zwischenzeit keine hierauf bezogenen schutzwürdigen Vermögensdispositionen der Kläger fielen.

Die Beurteilung, dass die Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 8 S. 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, liegt bereits der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.11.2013 -VIII R 36/10- zugrunde.

Sie steht auch im Einklang mit dem danach ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Nach dieser Entscheidung findet das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auf frühere Rechtsprechung verwiesen, mit der es das Vertrauen in ein geändertes Verständnis der alten Rechtslage, das durch eine Rechtsprechungsänderung in Abweichung von der bis dahin in Rechtspraxis und Rechtsprechung gefestigten Rechtsauffassung herbeigeführt worden war, als von vornherein nicht gerechtfertigt angesehen hat. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht zur Änderung einer gefestigten Rechtspraxis durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich “ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen” in ein Verständnis der Rechtslage im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts “unter den gegebenen Umständen” nicht habe entwickeln können.

Die Entscheidung des Streitfalls entspricht in den Beurteilungsgrundsätzen und im Ergebnis dieser Rechtsprechung des BVerfG.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.06.2014 – VIII R 29/12