Welcher Zollwert ist bei der Einfuhr von DVDs mit Spielfilmen für die Berechnung des abzuführenden Zolls zugrundezulegen, wenn für die Verwertung der DVDs eine Lizenzgebühr an den Filmproduzenten zu zahlen ist?
Diese Frage hat der Bundesfinanzhof nun dahingehend entschieden, dass sich der Zollwert solcher DVDs bei Anmeldung des an den in einem Drittland ansässigen Hersteller der DVDs nach Maßgabe der rein physikalischen Herstellungskosten zu entrichtenden Preises nicht ausschließlich nach diesem, sondern auch nach dem Anspruch des Produzenten auf Lizenzzahlungen bestimmt. Dieser kann dabei, so der Bundesfinanzhof, durch Schätzung nach Maßgabe der durchschnittlich für Spielfilm-DVDs an den Produzenten gezahlten Lizenzgebühren ermittelt werden.
In dem entschiedenen Fall wurden im Namen der Schuldnerin (die betreffende Firma befindet sich mittlerweile in der Insolvenz) im Jahr 2000 von zwei Speditionen für aus Taiwan eingeführte DVDs Zollanmeldungen zur Abfertigung zum freien Verkehr abgegeben.
Die DVDs sind von einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin in Taiwan hergestellt worden. Dafür verwendet diese Spritzformen, welche die auf die DVDs zu speichernden Spielfilme enthalten und mit Hilfe der von den us-amerikanischen Filmproduzenten und Urheberrechtsinhabern, nämlich der Z und der Y, der X – angeblich unentgeltlich – zur Verfügung gestellten Filmkopien hergestellt und nach Taiwan geliefert werden. Die Schuldnerin hatte die Aufgabe, die DVDs anschließend auf Mängelfreiheit zu untersuchen, sie einzeln zu verpacken und mit Informationsmaterialien zu versehen; sie liefert sie dann auf der Grundlage der von den europäischen Tochterunternehmen der Filmproduzenten bei der X aufgegebenen Bestellungen an diese weiter. Dabei stellt sie den betreffenden Unternehmen den ihr von der X berechneten Preis in Rechnung, zuzüglich eines ebenfalls von dieser mit den Abnehmern ausgehandelten Preises für ihre eigene Tätigkeit.
Zwischen den vorgenannten Tochterunternehmen und deren Muttergesellschaften, den produzierenden Filmstudios, bestehen Lizenzverträge, mit denen jenen u.a. das Recht gewährt wird, die DVDs mit den Spielfilmen herzustellen, zu verkaufen und zu verleihen. Dafür zahlen sie an die Filmstudios Lizenzgebühren. Um deren Berücksichtigung bei der Ermittlung des Zollwerts geht der Streit.
In den für die Schuldnerin abgegebenen Zollanmeldungen sind die Zollwerte nach den der Schuldnerin von der X berechneten Preisen angegeben worden, welche nach Maßgabe des von der X an die taiwanesische Schwestergesellschaft der Schuldnerin gezahlten Preises zuzüglich eines Aufschlags berechnet sind. Das Hauptzollamt ist jedoch der Ansicht, dass die Zollwerte nach der Schlussmethode zu ermitteln und dabei um die von den Abnehmern der DVDs an die Filmproduzenten gezahlten Lizenzgebühren zu erhöhen seien. Dabei hat das Hauptzollamt teils die für die einzelnen Filme zu zahlenden Lizenzgebühren zugrunde gelegt (so bei den Filmen der Y), teils die durchschnittlich für DVDs entrichtete Lizenzgebühr (so bei den Filmen der Z). Die entsprechenden Berechnungen bzw. Ansätze beruhen auf dem Ergebnis von bei den vorgenannten europäischen Tochtergesellschaften durchgeführten Betriebsprüfungen.
Gegen die entsprechende Nacherhebung von Zoll richtete sich die Klage, die in den entscheidenden Punkten keinen Erfolg hatte. Die Revision wurde nun zurückgewiesen.
Nach Art. 31 Abs. 1 ZK (Zollkodex) ist der Zollwert eingeführter Waren, wenn er nicht nach den Art. 29 und 30 ZK ermittelt werden kann, auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu ermitteln.
Das Finanzgericht ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in Würdigung der im Streitfall gegebenen tatsächlichen Verhältnisse rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Zollwert nicht nach den Art. 29 und 30 ZK ermittelt werden kann. Die Anwendung des Art. 29 ZK scheidet schon deshalb aus, weil die Voraussetzungen des Abs. 1 Buchst. a und b dieser Vorschrift vorliegen. Die Schuldnerin war Einschränkungen bezüglich der Verwendung und des Gebrauchs der Waren unterworfen und hinsichtlich des Kaufgeschäftes lagen Bedingungen vor, deren Wert im Hinblick auf die zu bewertenden Waren nicht bestimmt werden kann. Denn die Schuldnerin war aufgrund vertraglicher Abreden verpflichtet, die DVDs an die ihr von X aufgegebenen Abnehmer weiterzuliefern, erhielt diese von ihrer Tochtergesellschaft bzw. X also nur unter der Bedingung, sie nicht an beliebige Dritte zu verkaufen. Das ist, anders als die Revision meint, offensichtlich keine Bedingung, die sich i.S. des Art. 29 Abs. 1 Buchst. a dritter Anstrich ZK auf den Wert der Ware nicht wesentlich auswirkt, weil sie die Schuldnerin daran gehindert hätte, den durch bestimmungsgemäßen Gebrauch der DVDs erzielbaren Nutzen zu realisieren, nämlich die auf diesen gespeicherten DVDs anzusehen bzw. diese an Dritte zu verkaufen oder zu verleihen, damit diese die Filme ansehen können. Diese Einschränkung wirkt sich auf den Wert einer DVD mehr als wesentlich aus. Sie erschöpft sich auch nicht in einer nach dem zweiten Anstrich vorgenannter Bestimmung unbeachtlichen Vorgabe für den Vertriebsweg, sondern geht ihrer Funktion nach über eine solche hinaus, indem sie den Anspruch des Urheberrechtsinhabers auf ein Entgelt für die Überlassung seines Nutzungsrechts an Dritte sichert.
Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits im Urteil vom 27.02.2007, das einen in den wesentlichen Punkten nahezu gleichliegenden Sachverhalt betrifft, darauf abgestellt, dass im Kaufpreis für eine bespielte DVD üblicherweise auch das dem Filmproduzenten zustehende Entgelt für die gespeicherte Software – den betreffenden Film – enthalten ist. Werde dieses Entgelt in der Weise vom Kaufpreis abgespalten, dass es – wie im Streitfall – nicht vom Käufer zu entrichten sei, liege es im Interesse des Produzenten als des Inhabers des Urheberrechts sicherzustellen, dass die DVD von jenem Käufer nur an solche Käufer weiterverkauft werde, die ihrerseits dieses Entgelt entrichten – nämlich als Lizenzgebühr – oder die, soweit sie eine solche Lizenzgebühr nicht selbst zahlen, die Ware nur an Abnehmer weitergeben, die ihrerseits zur Entrichtung der Lizenzgebühr verpflichtet sind. Ersteres ist im Streitfall geschehen: Sämtliche an der Herstellung und dem Verkauf der DVDs beteiligten Unternehmen waren verpflichtet, einen bestimmten Vertriebsweg einzuhalten, der im Ergebnis zu den europäischen Tochterunternehmen der amerikanischen Filmstudios führte, welche Lizenzgebühren entrichten mussten, wenn sie die DVDs an Endverbraucher verkauften oder verliehen. Bei einer solchen Berücksichtigung des gesamten wirtschaftlichen Vorgangs, wie sie auch der Europäische Gerichtshof für geboten erklärt hat, kann nicht zweifelhaft sein, dass auch im Streitfall der von der Schuldnerin für die DVDs zu entrichtende Preis nicht als Zollwert der Einfuhrabfertigung zugrunde gelegt werden kann. Die vom Kläger auch nur als Mutmaßung vorgetragene Ansicht, der von der X der Schuldnerin vorgegebene Preis enthalte “alle” Elemente, die den Zollwert der DVDs bestimmten, lässt sich mit jener Gesamtbetrachtung schwerlich vereinbaren und sie steht auch in einem offenkundigen Widerspruch zur Höhe der von der Schuldnerin als Zollwert angemeldeten Beträge. Dass für die DVDs erst bei einem späteren, nach der Einfuhr erfolgenden Verkauf (bzw. deren Ausleihe) weitere Zahlungen (an die Filmproduzenten) zu entrichten waren und diese auch nicht der Schuldnerin zur Last fielen, besagt nichts darüber, ob die DVDs nicht bereits im Zeitpunkt der Einfuhr aufgrund eines in ihnen enthaltenen immateriellen Wirtschaftsguts, der Daten des jeweiligen Filmes, einen im von der Schuldnerin entrichteten Preis nicht enthaltenen Wert hatten.
Das Finanzgericht hat zu Recht auch ausgeschlossen, dass der Zollwert gemäß Art. 30 ZK ermittelt werden kann. Der Kläger hat seine Behauptung, eine solche Ermittlung sei gemäß Art. 30 Abs. 2 Buchst. c ZK möglich, nämlich auf der Grundlage “des Preises je Einheit, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder gleichartige Waren in der größten Menge insgesamt in der Gemeinschaft (jetzt: Union) an Personen verkauft werden, die mit den Verkäufern nicht verbunden sind”, nicht substantiiert dargestellt; sollte er meinen, man könne von dem von Endverbrauchern für die DVDs geforderten Preis ausgehen, so könnte dies am Endergebnis schwerlich etwas ändern, weil in diesem Preis selbstredend ein Entgelt für den Filmproduzenten enthalten ist, welches den Preis im Allgemeinen wesentlich bestimmt und in Gestalt vorgenannter Lizenzgebühren zu entrichten ist. Hingegen wäre der von der Schuldnerin von ihren Käufern geforderte Preis aus den gleichen Gründen für die Zollwertbestimmung ungeeignet, wie es der von der Schuldnerin entrichtete Preis ist.
Nach alledem hatte das Finanzgericht die Zollwertermittlung nach Art. 31 ZK vorzunehmen, wie es dies auch getan hat. Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass es in diesem Zusammenhang den in den DVDs verkörperten Wert des beim Verkauf bzw. Verleih derselben an den Endverbraucher diesem eingeräumten Rechts der Nutzung der DVDs durch Abspielen der Filme berücksichtigt, durch Schätzung ermittelt und dabei die vom Hauptzollamt nur eingeschränkt in das Verfahren (nämlich unter Unkenntlichmachung wesentlicher Teile derselben) eingeführten Betriebsprüfungsberichte und die in ihnen ausgewiesenen Lizenzzahlungen als Schätzungsgrundlage herangezogen hat.
Dem Kläger ist, so der Bundesfinanzhof weiter, insofern einzuräumen, dass sich aus den vom Finanzgericht verwerteten Berichten nur grobe Anhaltspunkte für den Wert jenes Nutzungsrechts ergeben, weil eine Zuordnung der Lizenzzahlungen zu einzelnen Spielfilmen und damit zu bestimmten DVDs nicht möglich war und nach den Feststellungen des Finanzgerichts die Höhe der Lizenzzahlungen unterschiedlich ist. Indes ist es Aufgabe des Anmelders des Zollwerts, die für die Zollwertermittlung erforderlichen Angaben zu machen. Tut er dies nicht – z.B. weil er, wie der Kläger im Streitfall geltend macht, über die dafür erforderlichen Informationen nicht verfügt und sie sich auch nicht beschaffen kann -, wirkt sich dies nicht dahin aus, dass ein entsprechender Wertansatz unterbleiben muss, sondern in einer umso weitergehenden Schätzungsbefugnis der Zollbehörde. Im Übrigen wäre die tatsächlich für eine bestimmte DVD geleistete Lizenzzahlung, auch wenn sie sich mit vertretbarem Aufwand ermitteln ließe, nicht ohne Weiteres für den Zollwert der DVD im Zeitpunkt der Einfuhr maßgeblich; denn sie hängt von einer Reihe überhaupt erst nach der Einfuhr eintretender Faktoren ab. Deshalb könnte nicht die tatsächlich später geleistete Lizenzzahlung wie ein fiktives zusätzliches Entgelt dem von der Schuldnerin angemeldeten Zollwert hinzugerechnet werden – was das FG auch nicht getan hat -, sondern die geleisteten Lizenzzahlungen geben nur einen Anhaltspunkt dafür, wie der Wert des in den DVDs enthaltenen immateriellen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Einfuhr zu veranschlagen ist, was die vom Finanzgericht im Anschluss an die Überlegungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 27.02.2007 durchgeführte Schätzung eines (bei allen DVDs gleichen) Wertbetrages zusätzlich rechtfertigt.
Es kann auch keine Rede davon sein, dass die in den Betriebsprüfungsberichten ungeachtet einer genauen Zuordnung der Ermittlungsergebnisse zu bestimmten Filmen enthaltenen Angaben über entrichtete Lizenzzahlungen eine ungeeignete Schätzungsgrundlage wären und die aus ihnen abgeleiteten Durchschnittswerte daher auch unter Berücksichtigung jener weitgehenden Schätzungsbefugnis der Zollwertermittlung nicht zugrunde gelegt werden dürften. Der Bundesfinanzhof hat vielmehr schon im Urteil vom 27.02.2007 darauf hingewiesen, zwar dürften in entsprechender Anwendung des Art. 32 Abs. 2 ZK Zuschläge zum Kaufpreis nur aufgrund objektiver und bestimmbarer Tatsachen gemacht werden, um eine Berechnung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte (vgl. Art. 31 Abs. 2 Buchst. g ZK) zu vermeiden. Dies stehe jedoch einem Ansatz solcher Durchschnittswerte nicht entgegen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.07.2013 – VII R 56/11