martina heck

07.04.2014

Einheitswertbescheid für Studentenwohnheim

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Einheitswertbescheid für ein Studentenwohnheim aufzuheben ist, weil die Feststellung für die Besteuerung nicht von Bedeutung ist.

In dem entschiedenen Fall ist die Klägerin eine Anstalt öffentlichen Rechts. Zu den gesetzlichen Aufgaben gehört auch die Schaffung und Bereitstellung von Einrichtungen des studentischen Wohnens. In Erfüllung dieses gesetzgeberischen Auftrages errichtete die Klägerin ein Studentenwohnheim, bestehend aus mehreren 1 Zimmer-Appartements und Mehrzimmerwohnungen.

Die Nutzung dieser Wohnräume darf nur als studentischer Wohnraum erfolgen. Im Grundbuch ist für die Dauer von 50 Jahren eine entsprechende Dienstbarkeit eingetragen worden. Die Vergabe der jeweiligen „Zimmer“ erfolgt durch die Klägerin; ein Mitspracherecht für die dort bereits wohnenden Studenten / innen ist nicht gegeben.

Bei den Mehrzimmerwohnungen sind die einzelnen Wohnräume von den Gemeinschaftsräumen abschließbar; jeder Wohnraum verfügt über eine eigene Klingel und einen Telefon / Internetanschluss.

Die Klägerin reichte nach Fertigstellung des Objekts eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts ein und beantragte aufgrund der ausschließlichen studentischen Nutzung die Befreiung von der Grundsteuer.

Entgegen diesem Antrag erließ der Beklagte einen Einheitswertbescheid und stellte den Einheitswert mit xxx Euro fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie begründet ihre Klage damit, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG die Befreiung von der Grundsteuer für Grundbesitz gelte, der für steuerbegünstigte Zwecke benutzt werde. Handele es sich dabei um Wohnräume, seien diese von der Grundsteuer befreit, wenn der steuerbegünstigte Zweck nur durch deren Überlassung erreicht werden könne. Von dieser Befreiung ausgenommen seien lediglich Wohnungen, § 5 Abs. 2 GrStG. Das Grundsteuergesetz definiere den Begriff einer Wohnung nicht. Auch aus den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes ergebe sich keine Definition des Begriffs der Wohnung. Der Gesetzgeber habe allerdings in § 181 Abs. 9 BewG nunmehr geregelt, dass eine Wohnung eine Mindestfläche von 23 m² voraussetze. Diese Größe würden die Ein Zimmer-Appartements nicht erreichen. Bei den Mehrzimmer-Wohnungen sei auf den jeweiligen Wohnraum des studentischen Zimmerns und nicht auf die Gesamtfläche der Wohnung abzustellen. Die Gemeinschaftsflächen dienten nämlich nicht dem individuellen Wohnbedürfnis; vielmehr unterlägen die Bewohner sowohl hinsichtlich der Auswahl der Mitbewohner als auch hinsichtlich der gemeinschaftlichen Nutzung der Gemeinschaftsflächen so erheblichen Einschränkungen, dass von einer dauerhaften ungestörten Entfaltung ihres Privatbereichs nicht ausgegangen werden könne.

Da somit keine Wohnungen im Sinn des Bewertungsgesetzes vorlägen, handele es sich um studentischen Wohnraum, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG steuerbefreit sei. Der festgestellte Einheitswert sei für die Besteuerung nicht von Bedeutung und demgemäß aufzuheben.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Klage abgewiesen.

Das Grundstück ist nicht von der Grundsteuer befreit; die Feststellung eines Einheitswerts hat für steuerliche Zwecke Bedeutung, § 19 Abs. 4 BewG (Bewertungsgesetz).

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG ist Grundbesitz einer inländischen Körperschaft, die nach der Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, von der Grundsteuer befreit. Diese Befreiung wird durch § 5 Abs. 1 GrStG für Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, eingeschränkt. Für Wohnungen ordnet § 5 Abs. 2 GrStG einen vollständigen Ausschluss der Steuerbefreiung an. Wohnungen sind danach auch dann von der Steuerbefreiung ausgenommen, wenn ihre Überlassung in Erfüllung mildtätiger oder gemeinnütziger Zwecke erfolgt.

Der Gesetzgeber hat damit entschieden, dass bei einer Mehrheit von Räumen, die den Begriff der Wohnung erfüllen, stets das Überwiegen des Wohnzwecks anzunehmen ist und die Grundsteuerpflicht damit gegeben ist.

Gegen diese Auslegung des § 5 Abs. 2 GrStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Begriff der Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG entspricht dem bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff.

Unter einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinn ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist es u.a. erforderlich, dass die Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet. Darüber hinaus müssen grundsätzlich die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sein. Für die Bewertungsstichtage ab 01.01.1974 ist zudem erforderlich, dass die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden.

Ist die Führung eines selbständigen Haushalts in einer solchen in sich abgeschlossenen Wohneinheit objektiv möglich, ist die Wohneinheit auch dann als Wohnung zu beurteilen, wenn sie baulich nicht auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist oder mehrere Bewohner darin tatsächlich keinen gemeinsamen Haushalt führen. Entscheidend ist, dass fremde Dritte keinen freien Zugang haben.

Nach der Rechtsprechung ist der Begriff einer Wohnung bei studentischen Wohnraum bereits erfüllt, wenn ein Studenten-Appartement über eine Fläche von mindestens 20 m² verfügt. Die 35 1-Zimmer Appartements liegen über dieser Größe und erfüllen daher die Voraussetzungen einer Wohnung im Sinn der Rechtsprechung.

Auch bei den Mehrzimmer Appartement ist der bewertungsrechtliche Begriff einer Wohnung erfüllt. Entgegen dem Vortrag der Klägerin kommt es, so das Finanzgericht Baden-Württemberg, nicht auf die Größe der einzelnen Wohnräume an; maßgebend ist vielmehr die gesamte Fläche der jeweiligen Wohnung.

Zu Unrecht folgert die Klägerin aus dem Umstand, dass die Türen der jeweiligen Wohnräume mit verschiedenen Schlössern versehen sind und sich jeweils mehrere Studenten eine Wohnung teilen, dass die in Rede stehenden Räumlichkeiten nicht zu einer Wohneinheit (Wohnung) zusammengefasst werden könnten. Auch kommt der Tatsache, dass jeder Wohnraum über eine eigene Klingel, einen eigenen Telefon- und Internetanschluss verfügt, keine Bedeutung zu.

Maßgebend für die Zusammenfassung der Räumlichkeiten zu einer Wohnung ist die bauliche Gestaltung, die eine Zusammenfassung aller Räumlichkeiten zu einer Wohneinheit erfordert. Angesichts dieser gebotenen Zusammenfassung der Wohnräume zu einer Wohneinheit mit gemeinsamen Duschen/WC, einem gemeinschaftlichem Flur einen Koch- und Aufenthaltsbereich kommt es für das Vorhandensein der erforderlichen Mindestwohnfläche nicht auf die Größe des einzelnen Wohnraums, sondern auf die Gesamtwohnfläche der Wohnung an.

Wie das Rechtsverhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und den Personen, denen die Wohnung überlassen werden, geregelt ist, ist dagegen unerheblich.

Denn die Tatsache, dass sich die Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Bewohner auf ihr jeweiliges Zimmer und die gemeinsame Nutzung des Aufenthaltsraumes / Küche und der sanitären Einrichtungen beschränkt, beruht auf (einzel-)vertraglichen Bestimmungen, berührt aber nicht die steuerliche Erfassung der Wohneinheit als Ganzes. Denn diese steuerliche Einordnung ist dem Parteiwillen entzogen und richtet sich nach der objektiven Beschaffenheit der Wohneinheit.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sind nach den Verkehrsanschauungen nicht nur solche Wohneinheiten als Wohnungen im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne anzusehen, die in jeder Hinsicht den bauordnungsrechtlichen Vorstellungen und Bestimmungen entsprechen. Der bewertungs- und grundsteuerrechtliche Wohnungsbegriff ist ein spezifisch steuerrechtlicher Typus und deshalb nach den eigenständigen steuerrechtlichen Prinzipien, Zwecken und Zielsetzungen und nicht nach dem Sinn und Zweck anderer Teilrechtsordnungen auszulegen. Auf die Frage, ob anderer als studentischer Wohnraum baurechtlich mangels ausreichender Stellplatznachweise, oder Freiflächen genehmigungsfähig gewesen wäre, kommt es daher nicht an.

Die Klägerin kann sich nicht auf die Regelung des § 181 Abs. 9 BewG stützen.

Nach dieser Vorschrift stellt eine Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist, dar. Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben. Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind. Die Wohnfläche muss mindestens 23 Quadratmeter (m²) betragen.

Der Klägerin ist zwar insoweit beizupflichten, als in R B 181.1 Abs. 3 der Erbschaftsteuerrichtlinien dargelegt wird, dass durch die Regelung des § 181 Abs. 9 BewG die Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne definiert werden solle. Allerdings binden die Erbschaftsteuerrichtlinien lediglich die Finanzverwaltung. Verwaltungsanweisungen sind jedoch keine Rechtsnormen und haben daher für die Finanzgerichtsbarkeit keine bindende Wirkung.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat darauf hingewiesen, dass die Regelung einer Mindestgröße ausschließlich für die Behandlung der 1 Zimmer Appartements in dem streitigen Objekt maßgebend sein könnte. Nur diese verfügen über eine Wohnfläche, die kleiner als 23 m² ist.

Die Regelung einer Wohnungsgröße von 23 m² wurde vom Gesetzgeber in den 6. Abschnitt des Bewertungsgesetzes aufgenommen und gilt für den Bereich der Feststellung von Grundbesitzwerten für Zwecke der Erbschaftsteuer. Ausweislich der Drucksache 16/7918 (Seite 46) wollte der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Definition der Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne einfügen, die die Grundsätze der Rechtsprechung übernehmen sollte. Allerdings hat der Gesetzgeber diese Regelung nur für den Bereich der Bedarfsbewertung getroffen; eine Anwendung dieser Mindestgröße für das Bewertungsverfahren allgemein erfolgte jedoch nicht. Das Finanzgericht Baden-Württemberg geht daher davon aus, dass im Bereich der allgemeinen Bewertung die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze weiterhin gelten.

Im Übrigen beträgt die Abweichung der Wohnungsgröße eines 1 Zimmer Appartements von der „Sollgröße“ des § 181 Abs. 9 BewG nur 0,9 m², oder 3,91%.

Bei einer so geringfügigen Abweichung geht das Finanzgericht Baden-Württemberg davon aus, dass selbst wenn § 181 Abs. 9 BewG eine allgemeine Anforderung an die Größe einer Wohnung darstellen würde, der Wohnungsbegriff erfüllt ist. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um Studentenwohnungen handelt, deren studentische Nutzung durch eine Dienstbarkeit abgesichert ist und die Rechtsprechung für Studentenwohnungen eine Mindestgröße von 20 m² als ausreichend beurteilt hat.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es die grundsätzliche Bedeutung, weil die Bewertungsreferenten des Bundes und der Länder den vorliegenden Fall zum Anlass genommen habe, eine Nutzung zu Wohnzwecken im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG bei Studentenwohnungen bereits dann zu bejahen, wenn die Wohnungsgröße kleiner als 23 m² ist. In Vollzug dieser bundeseinheitlich abgestimmten Vorgehensweise hat die OFD Karlsruhe mit Verfügung vom 26.04.2012 angeordnet, dass im Wege einer Fehlerfortschreibung Einheitswertbescheide für Studentenwohnheime zu erlassen sind.

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2014 – 3 K 2428/12