martina heck

09.09.2015

Eine private FH ist keine Schule im Sinne des Einkommensteuerrechts

Handelt es sich bei einer privaten Fachhochschule um eine „Schule“ im Sinne des Einkommensteuerrechts oder nicht? Von dieser Frage hängt es ab, ob Studienentgelte für ein Studium an einer privaten Fachhochschule als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen sind.

In dem nun vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall studierte die Tochter des Klägers nach ihrem Abitur seit Oktober 2013 an einer privaten Fachhochschule P im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs. Die P ist eine nichtstaatliche akademische Bildungseinrichtung, die durch das seinerzeitige Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe der Vorschriften des Hochschulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen als Fachhochschule staatlich anerkannt wurde. Sie finanziert sich im Wesentlichen durch Studienentgelte.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger von ihm für das Wintersemester 2013/2014 getragene Entgelte in Höhe von 3.555,- € als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG geltend.

Das beklagte Finanzamt lehnte den Sonderausgabenabzug ab, da die P keine allgemein- bzw. berufsbildende Schule sei.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage.

 

Das Finanzgericht Münster hat die Klage nun abgewiesen, aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Der Beklagte hat die Entgelte, die der Kläger im Streitjahr 2013 für das Bachelor-Studium seiner Tochter zahlte, zu Recht nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zum Abzug zugelassen. Eine steuerliche Berücksichtigung nach anderen Tatbeständen kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist als Sonderausgabe abzugsfähig 30 % des Entgelts (höchstens 5.000,- €), das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung. Voraussetzung hierfür ist zum einen, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung findet. Zum anderen muss die Schule zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führen (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG). Der Besuch einer anderen Einrichtung, die auf einen Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss im Sinne von Satz 2 der Vorschrift ordnungsgemäß vorbereitet, steht einem Schulbesuch im Sinne von Satz 1 der Vorschrift gleich.

Die vorgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

Bei der P handelt es sich nicht um eine Schule i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 EStG, sondern um eine hinsichtlich der Studienentgelte steuerlich hiernach nicht begünstigte (Fach-)Hochschule.

Die steuerliche Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG wurde durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13.12.1990 mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1991 geschaffen. Anlass hierfür war, dass es die Finanzverwaltung zuvor zugelassen hatte,einen Teil des an Privatschulen zu entrichtenden Schulgeldes als Spende nach § 10b EStG abzuziehen. Dies missbilligte der Bundesfinanzhof, da die von der Schule erbrachte Gegenleistung – Vermittlung von Bildung und Wissen – einer Qualifizierung des Schulgeldes als Spende entgegenstand und ein einheitliches Leistungsentgelt zudem nicht aufgeteilt werden konnte. Dementsprechend knüpfte der Gesetzgeber in der ursprünglichen, ab dem Jahr 1991 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für den Schulgeldabzug an die landesschulrechtlichen Begriffe an. Begünstigt war das Schulgeld für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule. Erforderlich war (und ist nach wie vor), dass die sich in freier Trägerschaft befindliche Schule den Schulformen der jeweiligen Landesschulgesetze zuweisen ließ bzw. lässt (vgl. z.B. §§ 10 ff. SchulG NRW, d.h. Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen, Gymnasien, Orte der sonderpädagogischen Förderung sowie Kollegschulen). Hochschulen, d.h. insbesondere (private) Universitäten und Fachhochschulen, unterfallen grundsätzlich nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der Schulgesetze, sondern vielmehr demjenigen der Hochschulgesetze der Länder; sie sind auch nicht vom verfassungsrechtlichen Schutzbereich des Art. 7 Abs. 4 GG zugewiesen. Aus diesem Grund ging die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für die ursprüngliche Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG davon aus, dass private Hochschulen, deren staatliche Anerkennung ausschließlich auf Vorschriften des jeweiligen Landes-Hochschulgesetzes beruhte (d.h. die nicht bzw. nicht auch als private Ersatzschulen anerkannt wurden), nicht als „Schule“ i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. galten.

Diese Zweiteilung zwischen Schulen und Hochschulen wurde durch die Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 nicht in Frage gestellt. Anlass für die Gesetzesänderung war die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11.09.2007, wonach die ursprüngliche Fassung der Vorschrift deshalb gegen die EU-Grundfreiheiten verstieß, da durch das Erfordernis einer staatlichen Genehmigung, Erlaubnis bzw. Anerkennung im EU-Ausland belegene Privatschulen steuerlich nicht begünstigt werden konnten. Im Gesetzgebungsverfahren verdeutlichte der Gesetzgeber sogar explizit seinen Willen, Hochschulen – einschließlich der Fachhochschulen – nicht dem Begriff der „Schule“ i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zuzuordnen.

Bei der P handelt es sich ausweislich der im Internet abrufbaren Stellungnahme des Wissenschaftsrats zur Akkreditierung um eine Fachhochschule, die durch das seinerzeitige Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen als solche staatlich anerkannt wurde. Auch auf der Homepage der P erfolgt der Hinweis auf die staatliche Anerkennung als Fachhochschule.

Darüber hinaus führt der von der Tochter des Klägers an der P belegte Studiengang  auch nicht – wie von § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG nunmehr vorausgesetzt – zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss.

Allgemeinbildend sind solche Abschlüsse, bei denen die Vermittlung von Allgemeinwissen als Bildungsziel im Vordergrund steht. Ein solches Ausbildungsziel ist nicht Gegenstand des von der Tochter des Klägers belegten Studiengangs. Nach den auf der Homepage der P angeführten Inhalten des Studiums liegt der Schwerpunkt auf einer fachspezifischen Ausbildung in Medien, Public Relations, Unternehmenskommunikation, Marketing und Management. Dass – wie die Kläger anführen – auch interkulturelle und fremdsprachliche Kenntnisse vermittelt werden, rechtfertigt nicht die Annahme eines allgemeinbildenden Abschlusses. Jene Fähigkeiten werden nach Auffassung des Senats lediglich begleitend zu den o.g. Schwerpunktlernfeldern fachlich bedient.

Ebenso wenig wird der Tochter durch den Studiengang ein berufsbildender Berufsabschluss vermittelt. Bei erfolgreichem Abschluss des Studiums wird ein „Bachelor of Science“ verliehen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Berufsbezeichnung, sondern um einen akademischen Grad.

Der Ausschluss privater Hochschulen von der steuerlichen Begünstigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG entspricht ganz herrschender Meinung. Sie ist auch gerechtfertigt. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist eine Lenkungs- bzw. Subventionsnorm, die im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 GG der Förderung der von ihr erfassten Privatschulen dient. Sie deckt imWesentlichen Zeiträume der gesetzlichen Schulpflicht des Kindes und – bei typisierender Betrachtung – ebenso Zeiten ab, in denen Entgelte für Bildungsmaßnahmen des Kindes unmittelbar durch dessen Eltern erfolgen, die Berechtigte des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind. Der Besuch einer Hoch- bzw. Fachhochschule knüpft dagegen an einen allgemeinbildenden Schulabschluss; die Aufwendungen hierfür liegen oftmals – einerlei ob öffentliche oder private Hochschule – bereits in der Finanzierungsverantwortung des studierenden Kindes. Insoweit kommt entweder der eigene (vorweggenommene) Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug oder in Fällen des Erststudiums der eigene Sonderausgabenabzug des Kindes nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Betracht.

Der vom Kläger begehrte Kostenabzug ist auch nach anderen Tatbeständen nicht möglich.

Ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist ausgeschlossen, da die vom Kläger entrichteten Studienentgelte nicht seiner eigenen Berufsausbildung dienten. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG kommt nicht in Betracht, da Ausbildungsunterhalt im Sinne von § 1610 BGB – zu dem auch Studiengebühren gehören können – kein atypischer, außergewöhnlicher Unterhaltsaufwand ist.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.08.2015 – 4 K 1563/15 E