Dies hat das Finanzgericht Baden-Württemberg nun entschieden.
Wie es dazu kam?
Der spätere Kläger erschien beim Zollamt und meldete mündlich einen in der Schweiz für 303 SFr. (252,26 EUR) erworbenen Pkw der Marke Lancia zum freien Verkehr an. Das Zollamt teilte ihm daraufhin Abgaben i.H.v. 77,94 EUR (25,22 EUR Zoll sowie 52,72 EUR Einfuhrumsatzsteuer) mit. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Mitteilung von Abgaben in Höhe von 77,94 EUR im Zusammenhang mit der Einfuhr eines gebrauchten Pkw aus der Schweiz in das Zollgebiet der Europäischen Union mit der Begründung, er habe das Fahrzeug im Rahmen des Reiseverkehrs eingeführt; Einfuhrabgaben seien nicht zu erheben gewesen.
Die Abgabenfreiheit ergebe sich insbesondere aus Artikel 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2007/74/EG. Die Formulierung „im persönlichen Gepäck“ stelle einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der unionsrechtskonform auszulegen sei. Ungeachtet dessen habe die Erhebung von Abgaben wegen Geringfügigkeit zu unterbleiben. Gemäß Artikel 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2007/74/EG seien sämtliche mitgeführten Waren bis zum Wert von 300 EUR von Abgaben befreit. Entsprechend weit sei der Begriff des Reisemitbringsels in § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a der Einreise-Freimengen-Verordnung zu fassen. Die Richtlinie 2007/74/EG gehe ausweislich ihrer Erwägungen auf die Richtlinie 69/169/EWG zurück. Aus Artikel 3 Nr. 1 dieser Richtlinie gehe hervor, dass die gesamte Reiseausrüstung zum Regelungsgegenstand gehöre. Zweck dieser Befreiung sei die Entlastung der zollamtlichen Überwachung und die Erleichterung des Reiseverkehrs. Zudem diene die Befreiung der Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Allen drei Aspekten würde es nicht gerecht, wenn eine Abgrenzung dahingehend stattfinde, ob eine Ware zum Reisegepäck gehöre oder nicht. Auch das Bundesministerium für Finanzen differenziere in seinen Publikationen nicht danach, ob eine Sache zum Reisegepäck gehöre oder nicht. Es werde lediglich vorausgesetzt, dass der Reisende die betreffenden Waren mit sich führe und sie für den persönlichen Ge- oder Verbrauch bestimmt seien. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Er habe den streitgegenständlichen Pkw als Reisender mit sich geführt. Er sei auch zu dem persönlichen Gebrauch bestimmt gewesen, nämlich um aus der Schweiz zurück nach Deutschland zu gelangen. Auch die Wertgrenze von 300 EUR habe er eingehalten.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist zu dem Schluss gekommen, dass das Hauptzollamt gegenüber dem Kläger zu Recht Einfuhrabgaben i.H.v. 77,94 EUR (25,22 EUR Zoll sowie 52,72 EUR Einfuhrumsatzsteuer) festgesetzt hat.
Der Kläger hat das Kfz am 21.06.2012 beim Zollamt X mündlich zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet. Das HZA hat die Zollanmeldung angenommen. Damit ist nach Art. 201 Abs. 1 und 2 Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK -) eine Zollschuld entstanden, deren Schuldner nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK der Kläger als Anmelder ist. Eine Befreiung von den Einfuhrabgaben kommt weder hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer noch hinsichtlich des Zolls in Betracht.
1. Die vom Kläger zur Begründung seines Vorbringens angeführte Richtlinie 2007/74/EG sieht in Kapitel II „Befreiungen“, Abschnitt 1 unter den gemeinsamen Bestimmungen in Art. 4 Abs. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt werden, auf der Grundlage von Schwellenwerten oder Höchstmengen von der Mehrwertsteuer und den Verbrauchsteuern befreien, sofern es sich um nichtgewerbliche Einfuhren handelt. In Art. 7 der Richtlinie werden die anzuwendenden Schwellenwerte vorgegeben, u.a. der vom Kläger zitierte Gesamtwert von 300 EUR pro Person (Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 2007/74/EG).
Was unter dem Begriff „persönliches Gepäck von Reisenden“ zu verstehen ist, regelt Art. 5 der Richtlinie. Danach gelten als persönliches Gepäck sämtliche Gepäckstücke, die der Reisende der Zollstelle bei seiner Ankunft gestellen kann, sowie die Gepäckstücke, die er derselben Zollstelle später gestellt, wobei er nachweisen muss, dass sie bei seiner Abreise bei der Gesellschaft, die ihn befördert hat, als Reisegepäck aufgegeben wurden. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Richtlinie 2007/74/EG durch § 29 ZollVG i.V.m. der EF-VO umgesetzt. Dabei enthält § 29 ZollVG keine eigenen Regelungen, sondern lediglich die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der EF-VO.Danach kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, soweit das Recht der Europäischen Gemeinschaften dies vorsieht, Zollfreiheit anordnen für Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden, die zum persönlichen Ge- oder Verbrauch von ihnen oder den Angehörigen ihres Haushalts oder als Geschenk bestimmt sind (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollVG). In § 1 Abs. 1 EF-VO hat der nationale Verordnungsgeber aufgrund der Ermächtigung Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden, die aus einem Drittland oder aus einem Drittlandsgebiet eingeführt werden, nach Maßgabe der Verordnung von Einfuhrabgaben befreit. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 EF-VO sind unter dem Begriff „persönliches Gepäck“ sämtliche Gepäckstücke zu verstehen, die Reisende der Zollstelle bei Ankunft, sowie die Gepäckstücke, die derselben Zollstelle später gestellt werden, wobei nachzuweisen ist, dass sie bei Abreise bei der Gesellschaft, die den Reisenden befördert hat, als Reisegepäck aufgegeben wurden.
Bereits aus der Wortbedeutung ergibt sich, dass ein Kfz kein Gepäckstück sein kann. Nach dem Wörterbuch Duden ist unter einem Gepäckstück ein „einzelner Gegenstand, (Koffer, Tasche, Paket o. Ä.)“, zu verstehen, „der als Gepäck mitgeführt, weiterbefördert wird“. Ein Gegenstand ist im Duden definiert als „[kleinerer, fester] Körper; nicht näher beschriebene Sache, Ding“. Anderen Definitionen zufolge sind Gepäckstücke zum Transport persönlicher Gegenstände vorgesehene Behältnisse. Ein Kfz fällt weder unter die beispielhaft genannten Behältnisse, noch ist es den genannten Behältnissen ähnlich. Auch fällt es bereits aufgrund seiner Größe aus der Definition eines Gepäckstückes heraus. Das Kfz ist vielmehr als Transportmittel von den mitgeführten Gegenständen abzugrenzen. Denn wenn es auch einzelne Gepäckstücke aufnehmen kann, ist es gleichwohl selbst nicht als Gepäckstück zu qualifizieren.
Auch eine europarechtliche Auslegung des Begriffs „persönliches Gepäck von Reisenden“ führt zu keinem anderen Ergebnis. Sowohl die englische Fassung („personal luggage of travellers“) als auch die französische (les bagages personnels des voyageurs“) haben die gleiche Bedeutung wie die deutschen Begriffe.
Dieses Verständnis widerspricht dem Sinn und Zweck der Richtlinie nicht. So heißt es im ersten Erwägungsgrund in Satz 2 der Richtlinie 2007/74/EG zum System der Steuerbefreiungen:
„Dieses System ist zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und in den Fällen aufrechtzuerhalten, in denen in Anbetracht der Umstände, unter denen die Waren eingeführt werden, auf den normalerweise erforderlichen Schutz der Wirtschaft verzichtet werden kann, sollte aber auch weiterhin nur für nichtgewerbliche Einfuhren von Waren im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden gelten.“
Der Kläger hat nicht dargetan, inwieweit eine Doppelbesteuerung vorliegen soll. Eine Rechnung hat er nicht vorgelegt, lediglich einen Internetausdruck über ein Kaufangebot. Ob es sich dabei tatsächlich um das nämliche Fahrzeug handelt, ist den Akten nicht zu entnehmen. Zudem könnte der Kläger einer etwaigen Doppelbesteuerung entgehen, indem er sich ggf. die schweizerische Mehrwertsteuer erstatten lässt.
Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die einen Verzicht auf den normalerweise erforderlichen Schutz der Wirtschaft rechtfertigen würden. Die in der Verordnung vorgesehenen Befreiungen dienen der Erleichterung der Zollabfertigung im grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Eine Abgabenerhebung für alle Waren, die ein Reisender üblicherweise mit sich führt, würde nicht nur durch zusätzliche Kosten den Reiseverkehr einschränken, sie stünde auch außer Verhältnis zu dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand. Diese Waren sind daher von den Einfuhrabgaben befreit. Gerade unter diesen Gesichtspunkten gibt der Erwerb eines Gebrauchtwagens keinen Anlass, auf die Erhebung von Einfuhrabgaben zu verzichten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Wirtschaftszollgedankens.
Anders als der Kläger meint, enthält Art. 7 der Richtlinie 2007/74/EG – umgesetzt durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 EF-VO – auch keine allgemeine Geringfügigkeitsklausel. Er konkretisiert vielmehr die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2007/74/EG enthaltene Beschränkung der Mehrwertsteuer- und Verbrauchsteuerbefreiung von Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt werden, die die Befreiung nur auf der Grundlage von Schwellenwerten anordnet. Dementsprechend gilt die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EF-VO genannte Wertgrenze von 300 EUR nicht allgemein, sondern nur im Rahmen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EF-VO.
2. Auch eine Befreiung des Kfz vom festgesetzten Zoll ist ausgeschlossen.
Die Befreiung von Zoll richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16.11.2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen. Diese regelt in ihrem Art. 41 die Befreiung von Waren im persönlichen Gepäck aus Drittländern kommender Reisender von den Einfuhrabgaben, wenn die eingeführten Waren gemäß den im Einklang mit der Richtlinie 2007/74/EG des Rates vom 20.12.2007 über die Befreiung der von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführten Waren von der Mehrwertsteuer und den Verbrauchsteuern verabschiedeten nationalen Rechtsvorschriften von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Da eine solche Befreiung von der Mehrwertsteuer wie oben dargestellt nicht in Betracht kommt, ist auch eine Befreiung von dem festgesetzten Zoll ausgeschlossen.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2013 – 11 K 2960/12