martina heck

13.05.2016

Du bist tot – ich setze es ab …

… dachte sich ein Kläger bei der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung.

Das Finanzgericht Neustadt sah das weniger entspannt.

Schon mehrfach haben wir – zuletzt gestern hier – über die Problematik der steuerrechtlichen Absetzbarkeit von Prozesskosten berichtet.

Dem Finanzgericht Neustadt lag nun ein Fall vor, in dem es um die steuerliche Berücksichtigung von Strafverteidigungskosten wegen einer Straftat im Strassenverkehr ging.

Der Kläger machte in seiner Steuererklärung – erfolglos – die Kosten für einen Strafverteidiger als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG geltend für ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung, tateinheitlich begangen mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung (Strafurteil: Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten).

Beim Bundesfinanzhof hatte der Kläger keinen Erfolg.

Bei den streitigen Strafverteidigungskosten handelt es sich nicht um Werbungskosten.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Kosten der Strafverteidigung grundsätzlich keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Das folgt aus dem Abzugsverbot der Strafen. Wie die Strafe gehören auch die mit der Strafverteidigung zusammenhängenden Kosten grundsätzlich zu den Aufwendungen für die Lebensführung.

Strafverteidigungskosten sind nur dann – ausnahmsweise – als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist. Dies ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist. Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein. Mithin kommt ein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug nur bei einer eindeutig der steuerbaren beruflichen Sphäre zuzuordnenden Tat in Betracht.

Nach diesen Grundsätzen weisen die streitbefangenen Strafverteidigungskosten keinen hinreichenden Veranlassungszusammenhang zu der Tätigkeit des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf.

Der Bundesfinanzhof konnte offen lassen, ob sich der Kläger – in Ansehung des Unfallortes – überhaupt auf einer durch die Dienstreise bedingten Fahrstrecke befand.

Entscheidend ist jedenfalls, dass die in Rede stehende Straftat des Klägers nicht allein aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist. Die Straftat wurde nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit begangen und hätte sich in gleicher Weise auf einer Privatfahrt ereignen können. Das Fahren des Klägers mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit an teilweise unübersichtlicher Stelle, das den Tod eines Menschen und die tslähmung einer weiteren Person zur Folge hatte, gehörte nicht zum Pflichtenkreis seiner Tätigkeit als Geschäftsführer, sondern findet seine Ursache in einer – seinerzeit – in der Persönlichkeit des Klägers liegenden rücksichtlosen Verkehrsgesinnung.

Soweit die Kläger einen hiervon abweichenden rechtlichen Ansatz vertreten, ist der Bundesfinanzhof dem nicht gefolgt.

Der Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ist hier nicht einschlägig, da er lediglich den Werbungskostenabzug von Unfallkosten betrifft. Der Entscheidung kann kein allgemeingültiger Rechtssatz des Inhalts entnommen werden, dass verkehrswidriges Verhalten den Veranlassungs-zusammenhang mit der beruflichen Sphäre (stets) unberührt lasse. Vielmehr ist ihr Aussagegehalt auf eine Wertung bei „Unfällen“ und den damit zusammenhängenden Unfallkosten beschränkt, wohingegen vorliegend für die Beurteilung an die „Straftat“ anzuknüpfen ist, der von vornherein eine deutliche Tendenz für das Vorliegen eines „privaten“ Hintergrundes innewohnt. Daraus erklärt sich das vom Bundesfinanzhof bei der steuerlichen Berücksichtigung von Strafverteidigungskosten formulierte Regel-Ausnahme-Verhältnis.

Die Auffassung der Kläger, vorliegend könne auf den allgemeinen Werbungskostenbegriff in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zurückgegriffen werden, geht bereits aus systematischen Gründen fehl. Denn die oben genannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konkretisiert die Voraussetzungen eines beruflichen Veranlassungszusammenhangs speziell bei „Strafverteidigungskosten“. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt insoweit allein auf das unmittelbare Ziel, die Verhinderung einer Bestrafung, ab. Ist bei der Straftat selbst keine hinreichende Verbindung zur beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen gegeben, so wird der erforderliche Bezug nicht – mittelbar – durch mögliche strafrechtliche Folgen der Tat für dessen Berufstätigkeit, wie beispielsweise den Wegfall der Einnahmenquelle infolge einer Freiheitsentziehung, hergestellt.

Die streitigen Strafverteidigungskosten sind auch nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Kosten der Strafverteidigung, die einem wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilten Steuerpflichtigen entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Die Strafverteidigungskosten sind nicht unabhängig von Gegenstand und Ausgang des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Denn im Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Es fehlt auch an der Unausweichlichkeit der Aufwendungen. Denn die Strafverteidigungskosten hat der Täter wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zu tragen. Die Straftat war nicht unausweichlich. Der Täter durfte sie nicht begehen. Daher sind auch die Kosten, die ihm durch eine Einflussnahme auf seine Verurteilung entstanden, nicht unausweichlich.

Nach diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Strafverteidigungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

Im Streitfall wurde der Kläger (auch) wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Daher sind ihm die – einheitlich und untrennbar für alle verwirklichten Delikte -angefallenen Strafverteidigungskosten nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Bei der in Rede stehenden vorsätzlich begangenen Straßenverkehrsgefährdung handelt es sich nicht deshalb um eine bloße Fahrlässigkeitstat, weil die Gefahr – wie das Strafgericht erkannt hat – nur fahrlässig verursacht wurde. Insoweit hat der Beklagte zutreffend auf die Regelung in § 11 Abs. 2 StGB hingewiesen. Danach ist vorsätzlich eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen lässt. Diese Voraussetzungen sind bei dem vom Kläger verwirklichten § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB erfüllt, indem er – nach den strafgerichtlichen Feststellungen – mit Vorsatz grob verkehrswidrig und rücksichtlos an einer unübersichtlichen Stelle zu schnell fuhr, bezüglich der Folgen seiner Straßenverkehrsgefährdung aber lediglich fahrlässig handelte.

Schließlich ist die von den Klägern angedachte gesonderte steuerrechtliche Betrachtung einzelner Verfahrensabschnitte des Strafprozesses abzulehnen. Die Überlegung, bei der Frage der Zwangsläufigkeit danach zu unterscheiden, ob der Kläger selbst das Rechtsmittelverfahren angestrengt hat, lässt außer Acht, dass es sich – wie auch die einheitliche Kostenentscheidung zulasten des verurteilten Klägers zeigt – letztlich um ein einheitliches Strafverfahren gegen ihn handelte, das erst mit Eintritt der Rechtskraft abgeschlossen war. Da im Strafprozess hinreichende tatsächliche Feststellungen für die Beurteilung der Rechtsfolgenseite getroffen werden und die vom Strafgericht bestimmten Rechtsfolgen tat- und schuldangemessen sein müssen, bedingen mögliche oder von den Beteiligten lediglich angenommene Fehler zwangsläufig eine weitere Prüfung im Instanzenzug. Dies wird angesichts der Umstände des vorliegenden Streitfalls besonders deutlich, da erst im Rahmen mehrerer Berufungs- und Revisionsverfahren, die teilweise von der Staatsanwaltschaft, teilweise aber auch vom Kläger selbst angestrengt wurden, das genaue Tatgeschehen festgestellt und ein akzeptierter Rechtsfolgenausspruch gefunden wurde. Insoweit entspricht der Vortrag des Klägers, die Kosten der Berufungs- und Revisionsverfahren seien allein auf Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zurückzuführen und durch ihn nicht verursacht, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die klägerische Argumentation zur Unterscheidung zwischen Ausgangs- und Rechtsmittelverfahren ist auch nicht schlüssig: Soweit seine Prozessbevollmächtigte nämlich einräumt, das erstinstanzliche Verfahren sei „möglicherweise“ durch das Verhalten des Klägers herbeigeführt worden, wird hier – abweichend vom sonst vertretenen Ansatz – nicht auf den Umstand abgestellt, wer das Verfahren angestrengt hat, obwohl das erstinstanzliche Verfahren auf der Anklage durch die Staatanwaltschaft beruht. Demnach bildet – letztlich auch aus Sicht des Klägers – die Straftat selbst den Grund für die Strafverfolgung und die – gegebenenfalls erst nach Ausschöpfung des Instanzenzuges mögliche – strafrechtliche Sanktionierung des Täters.

Nach alledem kann der Kläger die finanziellen Folgen seiner Straftat nicht über das Einkommensteuerrecht auf die Allgemeinheit abwälzen.

Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Finanzgericht Neustadt, Urteil vom 22.01.2016 – 4 K 1572/14