martina heck

04.07.2014

Die regelmäßige Arbeitsstätte des Diensthundführers

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Fahrten des als Diensthundführer tätigen Klägers zu seiner Polizeidienststelle in A als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder als Dienstreisen zu beurteilen sind.

Dabei ist das Finanzgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es für die Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte unter Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips allein darauf ankommt, ob der Kläger ständig denselben Betriebsort aufsucht und sich so auf die Fahrtkosten einwirken kann.

In dem entschiedenen Fall wurde der Kläger als Diensthundführer Polizeidirektion B, Diensthundführergruppe C, an die Polizeidirektion D versetzt. Mit einer späteren Verfügung wies die Polizeidirektion D den Kläger zur Dienstverrichtung der neuen Dienststelle Diensthundführergruppe A zu und übertrug ihm den Dienstposten eines Sachbearbeiters Diensthundführerstaffel. Die Diensthundführergruppe betreut die Polizeiinspektionen A und E. Der Kläger verrichtet Bedarfsdienst für den gesamten Bereich A/E. Die unmittelbare Dienst- und Fachaufsicht obliegt der Dienststelle.

Zur Dienstverrichtung sucht der Kläger die Dienststelle in A täglich zu Dienstbeginn und Dienstende auf, um sich dort umzuziehen, das Dienstfahrzeug zu be- und entladen und eventuelle Einsätze abzufragen. Vor Beginn der Streifenfahrten erfolgt eine telefonische Meldung bei der Leitstelle. Soweit keine Einsätze anstanden, führte der Kläger selbständige Kontrollfahrten durch. Die anfallenden Schreibarbeiten erledigt der Kläger in der Regel vor Ort in den einzelnen Polizeirevieren. In der Dienststelle stehen zwei Büroarbeitsplätze für neun Diensthundführer zur Verfügung. Einmal wöchentlich fährt der Kläger mit seinem Diensthund von der Dienststelle zum Ausbildungsplatz in F.

Der Kläger begehrte im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in A nach Dienstreisegrundsätzen zu berücksichtigen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Diensthundführer Klage zum Niedersächsischen Finanzgericht mit der Begründung, es sei von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund dienstrechtlicher oder arbeitsrechtlicher Festlegungen einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet sei. Davon könne im Einzelfall nur abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer an verschiedenen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig werde. Dies ist im Streitfall aber nicht geschehen.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Klage abgewiesen, da die dem Kläger von seinem Dienstherrn zur Dienstverrichtung zugewiesene Dienststelle in A seine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG sei.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht. Allerdings ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer lediglich regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so konnte ein Arbeitnehmer nach früherer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Diese Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof jedoch zwischenzeitlich aufgegeben. Denn der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers kann nur an einem Ort liegen. Nur insoweit kann sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so (etwa durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte) auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Damit stellt sich § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG auch nur insoweit als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Übt der Arbeitnehmer hingegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, ist es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch derartige Maßnahmen gering zu halten. Denn die unter Umständen nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaubt es dem Arbeitnehmer nicht, sich immer auf die gleichen Wege und eine kostengünstige Verpflegungssituation einzustellen. In einem solchen Fall lässt sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) nicht rechtfertigen.

Nach diesen Grundsätzen geht das Niedersächsische Finanzgericht nach Würdigung aller Umstände davon aus, dass die Dienststelle in A die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers ist. Der Kläger ist dieser Dienststelle dienstrechtlich von seinem Dienstherrn zugeordnet worden. Er fährt diese Dienststelle nahezu arbeitstäglich, jedenfalls ganz überwiegend und regelmäßig an. Er erhält hier prinzipiell seine Einsatzbefehle, belädt seinen Dienstwagen und zieht hier seine Dienstkleidung an. In dieser Dienststelle steht ihm für Schreibarbeiten, die nach eigener Auskunft selten anfallen, ein Schreibtisch zur Verfügung. Die Dienststelle in A ist zudem für die unmittelbare Dienst- und Fachaufsicht zuständig, so dass hier der zentrale Ort, die täglich aufzusuchende Dienststelle des Arbeitgebers ist.

Soweit der Kläger meint, dass er seine Tätigkeit im Wesentlichen außerhalb der Dienststelle ausübe, verkennt das Niedersächsische Finanzgericht nicht, dass der zeitliche Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers außerhalb der Dienststelle liegt. Soweit man die Dienstfahrten und Einsätze mit dem Diensthund als qualitativen Schwerpunkt der Arbeit ansieht, liegt dieser zwar ebenfalls nicht in der Dienststelle. Dies ist nach Auffassung des Finanzgerichts indes nicht entscheidend.

Abgesehen davon, dass die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sich nicht am Willen des Gesetzgebers orientiert (vgl. die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung), wirft sie unter dem Gesichtspunkt der Einschränkung des objektiven Nettoprinzips nach den eigenen Maßstäben dieser Rechtsprechung neue, andere sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen auf. So trifft der Aspekt, dass sich der Arbeitnehmer auf seine Fahrten zu einem bestimmten, unveränderlichen Arbeitsort einstellen und so die Fahrtkosten minimieren kann, sowohl bei einer Person zu, die einen Arbeitsort regelmäßig aufsucht und dort ihre Tätigkeit verrichtet als auch für eine Person wie den Kläger, der seinen Dienstort regelmäßig aufsucht und dort ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Fahrzeug besteigt, um seinen Dienst zu verrichten. Wieso es etwa bei einem Krankenpfleger je nachdem, ob er im Krankenhaus seinen Dienst verrichtet oder dasselbe Krankenhaus anfährt und dort einen Einsatzwagen besteigt, um Krankenfahrten durchzuführen, unter dem Gesichtspunkt der anfallenden Fahrtkosten und deren Vermeidung es einen sachlichen Unterschied im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip machen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Zudem lässt sich aus Sicht des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht nachvollziehen, wieso der qualitative Schwerpunkt einer Tätigkeit zwingendes und sachgerechtes Auslegungskriterium für den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte ist, soweit hierdurch abgegrenzt werden soll, ob die Abzugsbegrenzung der Fahrtaufwendungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, insbesondere in den Fällen, in denen die Tätigkeit schwerpunktmäßig unter Zuhilfenahme eines Dienstfahrzeuges ausgeübt wird. Da der Kläger stets dieselbe Arbeitsstätte anfährt, liegt es in seiner Hand, sich auf die anfallenden Wegekosten einzustellen und diese durch geeignete Maßnahmen zu verändern. Dementsprechend ist die Dienststelle in A seine regelmäßige Arbeitsstelle, so dass die Klage abzuweisen war.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.05.2014 – 10 K 109/13