martina heck

09.04.2013

Die Kosten eines Zivilprozesses in der Einkommensteuererklärung

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen können und dann als aussergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden können. Das Finanzgericht hat sich damit der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen.

In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger zivilgerichtlich einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung geltend gemacht und einen Vergleich (Schadensersatz in Höhe von 275.000 €) erzielt. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben. Im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung begehrte der Kläger, die angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von rund 16.000 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, was das beklagte Finanzamt ablehnte.

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Erwachsen nämlich einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmten Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Kosten eines Zivilprozesses können nach der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Entgegen der früheren Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Vielmehr liegt für den Steuerpflichtigen die Unausweichlichkeit bereits darin, dass er – will er sein Recht durchsetzen – im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten muss. Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist jedoch, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Demgemäß sind Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das zur Entscheidung berufene Gericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen.

Der Höhe nach sind Zivilprozesskosten nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen. Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, d. h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen.

Ausgehend von diesen aus seiner Sicht insgesamt überzeugenden Grundsätzen ist das Finanzgericht Düsseldorf nach Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles zu der Auffassung gelangt, dass die zuletzt geltend gemachten Aufwendungen von 15.885,67 € im Streitjahr 2009 als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind.

Die Rechtsanwaltskosten betreffen einen über zwei Instanzen geführten Schadensersatzprozess, in dem der Kläger den Skateboard-Fahrer „T“ aus unerlaubter Handlung in Anspruch genommen hat. Nach summarischer Prüfung bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten – bei ex ante Betrachtung – hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar ist der Kläger in erster Instanz vor dem Landgericht „E-Stadt” unterlegen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Ausgang des Verfahrens zum Zeitpunkt der Klageerhebung offen war. Was sich am 04.11.2006 genau ereignet hatte, war zwischen den Parteien streitig und erforderte die Durchführung einer Beweisaufnahme. Entsprechend wurden im Berufungsverfahren mehrere Zeugen zu den Geschehnissen und Beiträgen der Parteien vernommen. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Vielmehr bestand durchaus eine hinreichende Erfolgsaussicht, die sich in dem vor dem Oberlandesgericht „F-Stadt” geschlossenen Prozessvergleich, nach dem der Kläger mit seiner Schadensersatzforderung in voller Höhe durchgedrungen ist, realisiert hat.

Der Beklagte kann nicht mit dem Einwand gehört werden, dass der Kläger die Kostenlast im Vergleichswege „freiwillig“ auf sich genommen habe und dies der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegenstehe. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten aus dem staatlichen Gewaltmonopol zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ableitet, kommt es auf die näheren Umstände der Beendigung des Zivilprozesses und der Regelung der Kostenverteilung nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Steuerpflichtige, der die Kosten letztlich zu tragen hat, das Prozesskostenrisiko aus ex ante Sicht mutwillig oder leichtfertig eingegangen ist. Diese Sichtweise trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Einigung hinsichtlich der Kosten die Vergleichsbereitschaft erhöhen kann. Dass der Kläger den Vergleich in der Hauptsache durch ein unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigtes Zugeständnis bei der Kostenverteilung erreicht hat, die Kostenaufhebung mithin nicht der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehenden Sach- und Rechtslage entsprach und damit möglicherweise nicht unausweichlich war, hat der Beklagte nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg, das die Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen trotz geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung versagt hat, gelangt der Senat zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Hamburger Gericht hatte einen Fall zu beurteilen, in dem der Steuerpflichtige einen Anspruch freiwillig – mit dem Ziel seiner Durchsetzung (auch) mit gerichtlicher Hilfe – vom früheren Berechtigten erworben hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist anders gelagert. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des Beklagten hat der Kläger den Anspruch gegen „T“ nicht dadurch freiwillig erworben, dass er den Skateboard-Fahrer verfolgt hat. Der Kläger mag sich zwar aus freien Stücken in eine gefährliche Situation begeben haben. In dem Rechtsstreit ging es jedoch um einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch. Ein solcher Anspruch setzt eine Schädigung durch den Anspruchsgegner voraus und kann vom Geschädigten nur unfreiwillig erworben werden. Abgesehen davon kommt es für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nach der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht mehr auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses an.

Das Finanzgericht Düsseldorf folgt dem Beklagten auch darin nicht, dass die geänderte Bundesfinanzhof-Rechtsprechung abzulehnen sei, weil die Finanzverwaltung die Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses im Veranlagungsverfahren nicht – wie es im Nichtanwendungserlass des BFM vom 20.12.2011 heißt – eindeutig, zuverlässig und rechtssicher einschätzen könne. Der Beklagte übersieht, dass die erforderliche summarische Prüfung zu keinem derart eindeutigen Ergebnis führen muss. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung genügt. Dafür braucht der Erfolg nur ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg zu sein. Darüber hinaus darf die gleichmäßige Besteuerung der Bürger nach ihrer individuellen Leistungsfähigkeit nicht ohne Weiteres hinter Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität zurücktreten. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage vor den Zivilgerichten kann sich die Finanzverwaltung ihrer juristisch ausgebildeten Mitarbeiter oder externer Sachverständiger bedienen.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2013 – 15 K 2052/12 E