Das Finanzgericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, in dem zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Klägerin die Frist für die Erstattung von Kapitalertragsteuer versäumt hat, ob ihr ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder hilfsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu gewähren ist.
Die Klägerin hielt im Streitjahr 1999 einen im SInne der Mutter-Tochter-Richtlinie zur Freistellung berechtigenden Anteil an der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen A GmbH in B.
Für die Jahre 1995 bis 1999 fand bei der A GmbH eine Außenprüfung statt. Im Zeitpunkt der Betriebsprüfung war Herr C Geschäftsführer sowohl der A GmbH als auch der Klägerin. Die Prüfer erachteten bestimmte betriebliche Vorgänge („Lizenzen“) als verdeckte Gewinnausschüttungen an die Klägerin. Infolgedessen ergingen am 30.12.2002 geänderte Körperschaftsteuerbescheide. Hiergegen wurde Einspruch eingelegt und schließlich ein Verständigungs- und Schiedsverfahren mit den Niederlanden eingeleitet. Die A GmbH wurde während der Betriebsprüfung und im Verständigungsverfahren durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Q Deutschland, vertreten. Die Inlandssachverhalte wurden während der Betriebsprüfung von dem ständigen steuerlichen Berater der A GmbH, Herrn G, betreut, dem auch die spätere Umsetzung der Verständigungsvereinbarung in der Buchhaltung der A GmbH oblag. Das Verständigungsverfahren führte am 15.08.2006 zu einer Einigung. Daraufhin wurde die Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland teilweise zurückgenommen. Das Finanzamt K übersandte der A GmbH sodann im Oktober 2006 den Inhalt des schriftlichen Protokolls der Verständigungsvereinbarung vom 27.09.2006. Die A GmbH stimmte der Verständigungsvereinbarung und deren Umsetzung im Februar 2007 zu. Der seinerzeit niederländische Bevollmächtigte der Klägerin (Q/NL) wurde mit Schreiben des niederländischen Finanzministeriums vom 15. März 2007 über den Inhalt der Verständigungsvereinbarung informiert. Die Klägerin wurde im Verständigungsverfahren von der niederländischen Q vertreten. Aufgrund der Ergebnisse der Verständigungsvereinbarung und der Änderung der Steuerbescheide änderte die A GmbH im Mai 2007 die bestehende Kapitalertragsteueranmeldung für das Streitjahr 1999 gegenüber dem Finanzamt K. Der für das Streitjahr 1999 angemeldete Steuerbetrag i.H.v. 29.012,23 € wurde am 13. bzw. 22.06.2007 vom Finanzamt K eingezogen.
Am 25.01.2008 stellte die Klägerin per Telefax einen Antrag auf Erstattung dieser Kapitalertragsteuer. Zugleich beantragte sie hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Antrag ist dem Beklagten am 29.01.2008 in Papierform per Post zugegangen. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trug die Klägerin vor, dass sie die Frist ohne Verschulden versäumt habe. Die A GmbH habe trotz der Abgabe der geänderten Kapitalertragsteueranmeldungen versehentlich keine Steuerbescheinigungen ausgestellt und an sie übermittelt. Sie habe daher nicht gewusst, ob und in welcher Höhe Kapitalertragsteuer einbehalten und wann diese gezahlt worden sei. Da die Kapitalertragsteuer von der A GmbH im Jahr 2006 im Hinblick auf verdeckte Gewinnausschüttungen in den Jahre 1998 und 1999 zu zahlen gewesen sei und folglich keine Dividendenzahlungen an sie, die Klägerin, erfolgt seien, sei diese Unkenntnis der Zahlungen nicht verwunderlich. Hinzu komme, dass sie aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht davon habe ausgehen müssen, dass Kapitalertragsteuer einbehalten werde und dass ein entsprechender Antrag auf Erstattung dieser Beträge erforderlich sei. Die dem Antrag zu Grunde liegenden Steuerbescheinigungen seien von der A GmbH erst im Januar 2008 erstellt worden. Erst aufgrund dieser Bescheinigungen habe sie, die Klägerin, mit Sicherheit davon ausgehen können, dass Kapitalertragsteuer tatsächlich abgeführt worden sei und dass ein Handeln erforderlich werde.
Mit Bescheid vom 01.08.2008 wurde der Antrag der Klägerin wegen Versäumung der Antragsfrist abgelehnt.
Hiergegen legte die Klägerin fristgemäß, jedoch erfolglos Einspruch ein.
Das Finanzgericht Köln hat die Klage nun abgewiesen.
Der Ablehnungsbescheid vom 01.08.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 S. 1 FGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Erstattung von Kapitalertragsteuer, da sie die Frist des § 50d Abs. 1 Sätze 7 und 8 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung versäumt hat und ihr keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Können Einkünfte, die dem Steuerabzug u.a. vom Kapitalertrag unterliegen, nach § 43b EStG oder nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind gemäß § 50d Abs. 1 S. 1 EStG die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge ungeachtet der § 43b EStG sowie des Abkommens anzuwenden. Unberührt bleibt nach 50d Abs. 1 S. 2 EStG der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt nach § 50d Abs. 1 S. 3 EStG auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Steuererstattung ist der Freistellungsbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 S. 3 AO, in dem über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung – und damit zugleich des Erstattungsanspruchs – entschieden wird.
Dieser Freistellungsbescheid ist zu erteilen, wenn die bezeichneten Einkünfte nach einem DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden.
Die Klägerin hat von ihrer Tochtergesellschaft, der A GmbH, verdeckte Gewinnausschüttungen bezogen. Verdeckte Gewinnausschüttungen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu den Kapitalerträgen, auf die gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 EStG (bei Körperschaften i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG) Kapitalertragsteuer erhoben wird. Die Kapitalertragsteuer ist vom inländischen vGA-Gewährenden bei der zuständigen Finanzbehörde anzumelden und abzuführen (§ 44 Abs. 1 EStG).
Die Klägerin als ausländische Muttergesellschaft kann unter den Voraussetzungen des § 50d EStG die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer in dem Umfang beim Beklagten beantragen, der durch die Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) oder die einschlägigen DBA-Bestimmungen festgelegt wird.
Die Kapitalertragsteuererstattung nach § 50d Abs. 1 EStG setzt u.a. voraus, dass der Antrag auf Erstattung innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Kapitalerträge oder Vergütungen bezogen worden sind, gestellt wird (§ 50d Abs. 1 S. 7 EStG). Diese Frist endet jedoch nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer (§ 50d Abs. 1 S. 8 EStG).
Diese Frist hat die Klägerin versäumt. Sie hat die verdeckten Gewinnausschüttungen im Jahre 1999 bezogen. Damit liefe die Frist für die Beantragung der Kapitalertragsteuererstattung grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2003 (§ 50d Abs. 1 S. 7 EStG). Da die Kapitalertragsteuer von der A GmbH jedoch erst danach, am 13. bzw. 22.06.2007 entrichtet wurde, ist die Frist nach § 50d Abs. 1 S. 8 EStG zu bemessen. Sie lief folglich am 13. bzw. 22.12.2007 ab. Die Klägerin hat den Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer indes erst später, nämlich am 25.01.2008 per Telefax bzw. 29.01.2008 per Post eingereicht.
Es kann nach Auffassung des Finanzgerichts Köln dahingestellt bleiben, ob § 50d Abs. 1 S. 7 und 8 EStG nach § 52 Abs. 59a EStG im Streitfall nicht anwendbar ist. Denn auch nach der „alten Rechtslage“ hätte die Klägerin die Frist zur Beantragung der Kapitalertragsteuererstattung versäumt.
Nach der „alten Rechtslage“, also der Rechtslage vor Einführung von § 50d Abs. 1 S. 7 und 8 EStG durch das StÄndG 2001 vom 20.12.2001, beträgt die Festsetzungsfrist, soweit für den Streitfall von Interesse, vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO). Sie beginnt regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Kapitalertragsteuer entsteht dabei mit dem Zufluss des Kapitalertrags (§ 44 Abs. 1 S. 2 EStG). Nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO kann jedoch u. a. in denjenigen Fällen, in denen eine Steueranmeldung abzugeben ist, der Anlauf der Festsetzungsfrist durch die Nichtabgabe der Anmeldung gehemmt werden. Die Frist beginnt dann – vorbehaltlich eines späteren Fristanlaufs gemäß § 170 Abs. 1 AO – erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung der Steuer. Dabei war jedoch umstritten, ob sich diese Anlaufhemmung auf das Steuerschuldverhältnis zum Vergütungsgläubigers auswirkt, wenn der Vergütungsschuldner es unterlassen hat, die Steuer beim Finanzamt anzumelden.
Nach dieser „alten Rechtslage“ lief die Frist – selbst unter Anwendung der umstrittenen Anlaufhemmung – bereits am 31.12.2006 ab. Die Kapitalertragsteuer ist 1999 entstanden. Mangels Einreichung einer Steueranmeldung begann die Frist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung, also am 01. 01.2003. Sie endete vier Jahr später, mithin am 31.12.2006. Der Antrag wurde jedoch erst im Januar 2008 gestellt.
Für die Beantragung der Kapitalertragsteuererstattung gilt im Streitfall auch nicht die längere Frist gemäß § 175a AO.
§ 175a AO ist im Streitfall nicht einschlägig.
Nach § 175a S. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit dies u.a. zur Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung geboten ist. Gemäß § 175 a Abs. 1 S. 2 AO endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Verständigungsvereinbarung.
Dabei gilt § 175a AO nur für die Steuerbescheide, die Gegenstand des Verständigungsverfahrens waren.
Hierfür sprechen der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des § 175a AO, der sich insbesondere an die Verwaltung richtet.
§ 175a AO richtet sich an die Verwaltung, weil er vorsieht, dass Steuerbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern sind. Die Norm betrifft hingegen nicht die Einreichung von Anträgen. § 175a AO gibt damit nur der Steuerverwaltung die Möglichkeit, nach Abschluss einer Verständigungsvereinbarung die insoweit erforderlichen, genannten Maßnahmen zu ergreifen. Diese werden dabei ausdrücklich darauf beschränkt, dass sie zur Umsetzung der Verständigungsvereinbarung geboten sind. Mittelbare Folgen, die etwa einen am Verständigungsverfahren nicht beteiligten Steuerpflichtige betreffen, und die sogar ein aktives Tätigwerden des nicht beteiligten Steuerpflichtigen in Form einer Antragstellung erfordern, sind von § 175a AO nicht erfasst.
Eine entsprechende Anwendung des § 175a AO auf Bescheide, die nicht Gegenstand des Verständigungsverfahrens waren, ist nicht möglich.
Angesichts dessen gelangt § 175a AO im Streitfall nicht zur Anwendung. Denn Gegenstand der Verständigungsvereinbarung war die Behandlung der verdeckten Gewinnausschüttungen bei der A GmbH. Die Klägerin war nicht am Verständigungsverfahren beteiligt. Sie begehrt die Erstattung von Kapitalertragsteuer. Der Anspruch der Klägerin auf Kapitalertragsteuererstattung war nicht Gegenstand des Verständigungsverfahrens. Er ergibt sich lediglich als mittelbare Folge aus der Verständigungsvereinbarung. Er ist auch nicht zur Umsetzung der Verständigungsvereinbarung durch die Finanzverwaltung „geboten“. Denn die Kapitalertragsteuererstattung wird nicht von Amts wegen gewährt, sondern erfordert einen Antrag des Vergütungsgläubigers.
Die Fristenregelung des § 50d Abs. 1 S. 7 und 8 EStG ist mit EU-Recht vereinbar.
Die Klägerin wird durch die Fristenregelung des § 50d Abs. 1 S. 7 und 8 EStG im Verhältnis zum inländischen Steuerpflichtigen nicht benachteiligt. Für die Fälle, in denen nicht eine Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG vorgesehen ist, endet für unbeschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger die Frist zur Beantragung der Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 44b Abs. 3 S. 1 EStG am 31.12. des Jahres, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Einnahmen zugeflossen sind. Die Festsetzungsverjährung richtet sich dabei nach § 169 Abs. 2 AO. Unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO ist also unter Umständen eine Kapitalertragsteuererstattung binnen vier Jahren möglich. Dabei beginnt diese Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). In denjenigen Fällen, in denen eine Steueranmeldung abzugeben ist, wird der Anlauf der Festsetzungsfrist durch die Nichtabgabe der Anmeldung gehemmt (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Die Frist beginnt dann erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung der Steuer, wobei dies jedoch in den Fällen der Kapitalertragsteuererstattung strittig ist. Wie bereits zuvor dargelegt, lief diese Frist – selbst unter Anwendung der Anlaufhemmung – im Streitfall am 31.Dezember 2006 ab. Die Klägerin ist damit im Hinblick auf den Erstattungsanspruch gegenüber einem inländischen Vergütungsgläubiger nicht benachteiligt. Denn die für sie geltende Frist nach § 50d Abs. 1 S. 7, 8 EStG lief erst am 31.12.2007 ab.
Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung darin sehen möchte, dass der inländische Steuerpflichtige – im Gegensatz zum ausländischen – nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG die Möglichkeit habe, die Kapitalertragsteuer innerhalb der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist auf die eigene Steuer anzurechnen, vermag dies einen Verstoß gegen EU-Recht nicht zu begründen.
Denn insoweit gelangt beim Steuerinländer das Verfahren der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zur Anwendung. Ein solches Anrechnungsverfahren ist für den im Ausland ansässigen Vergütungsgläubiger nicht vorgesehen, da er im Inland nicht veranlagt wird. Dies ist EU-rechtlich nicht zu beanstanden. Im Streitfall steht dem auch nicht das EuGH-Urteil vom 20.10.2011, C-284/09 entgegen. Denn diese EuGH-Entscheidung betrifft die Besteuerung von im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Gesellschaften, die nicht unter den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie fallen. Die Klägerin hingegen hält einen im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie zur Freistellung berechtigenden Anteil an der im Inland ansässigen A GmbH. Sie ist damit nach nationalem Recht grundsätzlich in vollem Umfang entlastungsberechtigt.
Eine EU-rechtskonforme Auslegung ist mangels EU-Rechtswidrigkeit daher nicht erforderlich.
Der von der Klägerin geforderten Auslegung würden auch der klare Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers entgegenstehen. Nach der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 50d Abs. 1 S. 8 EStG hat der Gesetzgeber das Problem erkannt, dass Steuerabzüge erst kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgen können. Er hat dabei aber den Schutz des Vergütungsgläubigers nicht an die Kenntnis von der Abführung der Kapitalertragsteuer geknüpft. Den Vergütungsgläubiger hat er durch Satz 8 geschützt. Der Gesetzgeber führt hierzu in der Gesetzesbegründung aus, dass Satz 8 sicherstelle, dass die Frist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer abläuft. Damit kann der Gläubiger der Kapitalerträge bzw. der Vergütungen seine Rechte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auch dann noch geltend machen, wenn ein vom Schuldner unterlassener Steuerabzug erst kurz vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist nachgeholt wird, z.B. in Fällen verdeckter Gewinnausschüttungen.
Der Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens ist auch nicht mit einem inzidenten Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung verbunden.
Einem solchen inzidenten Antrag steht bereits entgegen, dass die Klägerin nicht den Antrag auf Durchführung des Verständigungsverfahrens gestellt hat und nicht Beteiligte des Verständigungsverfahrens war. Der Antrag auf Durchführung des Verständigungsverfahrens wurde vielmehr durch die A GmbH gestellt. Die GmbH war jedoch nicht berechtigt, den Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer zu stellen. Hierzu war nur die Klägerin befugt.
Im Übrigen ist im Streitfall nicht der Gedanke des Art. 25 Abs. 2 S. 2 OECD-MA fruchtbar zu machen, wonach die Verständigungsregelung ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchzuführen ist.
Denn zum einen war die streitige Kapitalertragsteuererstattung nicht Gegenstand der Verständigungsvereinbarung und zum anderen enthält das DBA-Niederlande keine dem Art. 25 Abs. 2 S. 2 OECD-MA entsprechende Regelung (vgl. Art. 22 DBA-Niederlande).
Der Klägerin kann im Hinblick auf die versäumte Frist des § 50d Abs. 1 S. 7, 8 EStG keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO gewährt werden. Die Anwendung des § 110 AO ist im Streitfall aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist ausgeschlossen.
Fällt der Ablauf der Frist für die Beantragung einer Steuervergütung mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist zusammen und wird ein entsprechender Antrag erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist und damit nach dem Erlöschen des Vergütungsanspruchs gestellt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO mit der Folge einer rückwirkenden Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO nicht in Betracht.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nicht bereits durch die bloße Möglichkeit gehemmt, dass der Steuerpflichtige innerhalb der in § 110 Abs. 2 und 3 AO festgelegten Fristen einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen könnte. Vielmehr läuft die Festsetzungsfrist unabhängig davon (durch bloßen Zeitablauf) ab, ob der Antrag infolge eines schuldhaften Verhaltens des Steuerpflichtigen oder ohne dessen Verschulden nicht fristgerecht bei der Finanzbehörde eingegangen ist.
Die Frist nach § 50d Abs. 1 Sätze 7, 8 EStG stellt eine Antragsfrist und zugleich auch eine spezielle Festsetzungsfrist dar. Diese Frist lief im Streitfall am 31.12.2007 ab. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde indes mit dem Antrag Erstattung von Kapitalertragsteuer erst am 25.01.2008 per Telefax bzw. am 29.01.2008 per Post gestellt. Die Frist des § 50d Abs. 1 S. 7, 8 EStG war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Folglich scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Selbst wenn man in § 50d Abs. 1 S. 7, 8 EStG keine spezielle Festsetzungsfrist sehen wollte, wäre im Streitfall die allgemeine Festsetzungsfrist nach §§ 169 ff. AO im Zeitpunkt der Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelaufen gewesen. Folglich wäre auch insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen.
Dass die Klägerin innerhalb der Frist des § 50d Abs. 1 S. 7, 8 EStG nach ihrem Vortrag keine positive Kenntnis von der Abführung der Kapitalertragsteuer und folglich von ihrem Erstattungsanspruch gehabt haben mag, ist dabei hinzunehmen. Es entspricht dem Wesen von Verjährungsfristen, formellen Rechtsfrieden herzustellen und zwar unabhängig von den Gründen, die der Herstellung materieller Gerechtigkeit entgegenstehen mögen.
Ungeachtet dessen wäre der Klägerin ohnehin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO zu gewähren.
Die Klägerin hat die Frist unverschuldet versäumt (§ 110 Abs. 1 AO). Denn die Klägerin wurde im März 2007 über das Ergebnis des Verständigungsverfahrens informiert. Wenn hierbei auch nicht ausdrücklich die Kapitalertragsteuer erwähnt wurde, so ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin steuerrechtlich beraten war und auch ihre Berater Kenntnis vom Ergebnis des Verständigungsverfahrens hatten. Der ihnen – nach dem Vortrag der Klägerin – unterlaufene Rechtsirrtum, die Rechtsfolgen der Verständigungsvereinbarung nicht gekannt zu haben, ist nicht entschuldbar. Angesichts dessen, dass sie um die Rechtsfolgen der Verständigungsvereinbarung hätten Bescheid wissen müssen, hätten sie bei Anwendung der insoweit bestehenden Sorgfaltspflichten auch die Pflicht gehabt, sich bei ihrer Tochtergesellschaft über die Entrichtung der Kapitalertragsteuer zu informieren. Die Klägerin muss sich das Verhalten ihrer Berater zurechnen lassen (§ 110 Abs. 1 S. 2 AO).
Finanzgericht Köln, Urteil vom 06.05.2015 – 2 K 3712/10
(nicht rechtskräftig – Bundesfinanzhof: I B 90/15)