martina heck

25.03.2014

Der verselbständigte Zweigverein

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. Main hatte über den Streit zwischen zwei Vereinen zu entscheiden, bei dem es um die “Loslösung” eines Zweigvereins von einem Hauptverein ging.

Die Parteien sind im Vereinsregister eingetragene Vereine. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der satzungsändernde Beschluss des Beklagten vom 24.03.2012 nichtig sei.

Die Satzung des Klägers sieht in § 4 Regelungen zu seiner „Untergliederung“ vor. Nach § 4 Abs. 1 können sich die Mitglieder des Klägers zur Förderung der örtlichen Zusammenarbeit zu Zweigvereinen zusammenschließen. Die Parteien streiten darum, was „Zweigverein“ im Sinne dieser Satzungsbestimmung bedeutet.

Mit Schreiben vom 16.02.2012 empfahl der Vorstand des Beklagten seinen Mitgliedern eine Satzungsänderung und legte dazu den Entwurf einer neuen Satzung vor. Als Ziel der Satzungsänderung nannte der Vorstand in dem Schreiben, dass nach deren Annahme der bisher schon rechtlich eigenständige Verein nicht länger auch ein Zweigverein des Klägers sein werde.

Am 24.03,.2012 hielt der Beklagte eine Mitgliederversammlung ab. In der Tagesordnung zur Mitgliederversammlung heißt es unter Ziffer 6.:

Änderung der Satzung zwecks Verselbständigung des Zweigvereins“.

Das Protokoll über die Mitgliederversammlung des Beklagten weist unter dem „TOP 6“ aus, dass in geheimer Abstimmung über den Antrag auf Satzungsänderung 54 Stimmzettel abgegeben worden seien. Die Auszählung der Stimmzettel habe ergeben, dass sich gegen die Annahme der Satzungsänderung sechs Mitglieder ausgesprochen hätten, zwei hätten sich enthalten und 46 hätten der Satzungsänderung zugestimmt.

Das Landgericht Marburg hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der in der Mitgliederversammlung des Beklagten am 24. März 2012 gefasste Beschluss zur Satzungsänderung nichtig sei. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig. Ein anerkennenswertes Feststellungsinteresse des Klägers sei zu bejahen:

Regelmäßig bestehe ein solches zwar nur bei Mitgliedern eines Vereins oder bei dessen Organen. Es könne jedoch auch bei Dritten bestehen, deren Rechte durch den angefochtenen Beschluss des Vereins berührt seien. Das sei hier der Fall, weil Rechte des Klägers als Hauptverein berührt seien. Die Feststellungsklage sei auch begründet, weil der Beschluss vom 24.03.2012 wegen Verstoßes gegen § 4 der Satzung des Klägers nichtig sei. Anders als der Beklagte meine, könne nicht von einem Gliedschaftsverhältnis des Beklagten zum Kläger ausgegangen werden, aus dem heraus der Beklagte aus eigenem Recht sich vom Kläger lösen könne. Der Beklagte sei nicht selbst dem Kläger als Mitglied beigetreten. Die Struktur des Klägers habe sich vielmehr so entwickelt, dass natürliche Personen sich auf der Grundlage ihrer Mitgliedschaft beim Kläger zur Gründung von Zweigvereinen zusammen geschlossen hätten. So sei auch der Beklagte selbst ursprünglich entstanden als Zusammenschluss von Mitgliedern des Klägers. Demnach sei der Kläger als Gesamtverein und der Beklagte als Gliedverein anzusehen mit der Folge, dass die Mitglieder des Gesamtvereins zugleich Mitglieder des Gliedvereins seien. Zwar sei ein solcher Zweigverein als selbstverantwortliches Rechtssubjekt anzusehen. Das ändere aber nichts daran, dass er Teil der Organisation des Hauptvereins/Gesamtvereins sei. Das Mitglied habe deshalb nicht mehrere Mitgliedschaften (Doppelmitgliedschaft), sondern eine (Mehrfach-) Mitgliedschaft. In rechtlicher Hinsicht folge daraus, dass sich die Zweigvereine dem Größeren im Ganzen einzufügen hätten und im Falle der Kollision von Bestimmungen der Hauptvereinssatzung mit denen der Satzung eines Zweigvereins die Hauptvereinssatzung vorgehe. Dass sich nach dem Vorbringen des Beklagten eine Mehrheit seiner Mitglieder in der inhaltlichen Arbeit des Klägers nicht wiederfinde, könne an der sich aus der Organisation der Parteien als Haupt- und Zweigverein ergebenden Beschränkung der Satzungsgewalt des Beklagten nichts ändern. Die Beschränkung der Autonomie könne auch nicht als unzulässig angesehen werden. Das sei nur der Fall, wenn der rechtliche Fremdeinfluss so stark sei, dass der Verein nicht mehr als vornehmlich von der Willensbildung und Betätigung seiner Mitglieder getragen sei, sondern sich als unselbständige Verwaltungsstelle einer anderen organisatorischen Einheit darstelle. Bei der Abwägung, ob eine solche wesentliche Einschränkung zu bejahen sei, müsse stets berücksichtigt werden, dass ein Verein gerade wegen seiner Autonomie berechtigt sei, sich seine Organisation selbst zu geben. Vereinsautonomie könne deshalb auch in der Weise ausgeübt werden, dass das Selbstverwaltungsrecht eines Vereins satzungsmäßig beschränkt werde. Mit dem Grundsatz der Vereinsautonomie sei es deshalb nach der zugrundeliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere vereinbar, gestufte Verbände zu schaffen, innerhalb deren die unteren Verbände zu Oberverbänden in Abhängigkeit stünden, ohne ihren Vereinscharakter dadurch zu verlieren. Vor diesem Hintergrund sei die in der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 24. März 2012 beschlossene Satzungsänderung an der Satzung des Klägers zu messen. Danach verstoße die Namensgebung im neuen § 1 Abs. 1 der Satzung gegen § 4 Abs. 1 der Satzung des Klägers. Die Änderungen in § 2 Abs. 1 und § 3 der Satzung des Beklagten zielten auf die strukturelle Loslösung vom Kläger ab und seien deshalb nicht vereinbar mit den Regelungen in der Satzung des Klägers unter § 4 Abs. 1, 2 und 5. Die beschlossene Satzungsänderung sei zudem auch nicht mit § 38 S. 2 BGB vereinbar. Nach dieser Vorschrift könne die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht einem anderen überlassen werden. Sollte mit der Satzungsänderung eine Beendigung der Mitgliedschaft beim Kläger herbeigeführt werden, stelle dies eine Ausübung des dem jeweiligen Mitglied höchstpersönlich zustehenden Rechts dar, durch Austritt aus einem Verein auszuscheiden. Das gleiche gelte für den Fall, dass mit der Satzungsänderung das Weiterbestehen einer Mitgliedschaft beim Kläger und eine Mitgliedschaft beim Beklagten habe begründet werden sollen. Auch die Aufhebung der vor der Satzungsänderung bestehenden Mehrfachmitgliedschaft in zwei nebeneinander bestehende Vereinsmitgliedschaften stehe allein dem Mitglied selbst zu.

Gegen diese Entscheidung wandte sich der beklagte Verein mit seiner Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt a. Main.

Der Beklagte rügt im Wesentlichen, das Landgericht Marburg habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass der Beklagte im Jahre 1937 Rechtsfähigkeit erlangt habe und ihm wegen einer Vermögensübertragung (Bickell’sche Sammlung) ein Sonderstatus erwachsen sei. Zudem habe das Landgericht den gesamten erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten mit zahlreichen Beweisangeboten übergangen, wonach im Zeitpunkt der Satzungsänderung am 24.03.2012 eine gedeihliche, den Satzungszwecken entsprechende Zusammenarbeit der rechtlich selbständigen Parteien des Rechtsstreits wegen der Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit ausgeschlossen gewesen sei. Diese Entwicklung habe in jüngster Zeit sogar zu wiederholten Drohungen der Klägerseite mit Strafanzeigen gegen Organwalter des Beklagten geführt. Der vom Landgericht zugrunde gelegte Grundsatz einer „Einheit der Mitgliedschaft trotz Vielheit der Vereine“ sei auf die konkrete organisatorische Situation zwischen Kläger und Beklagten nicht anwendbar. Tatsächlich sei es nämlich so, dass die Zweigvereine als solche Mitglieder des Klägers geworden seien. Dies lasse sich sowohl aus § 6 Abs. 1 der Klägersatzung als auch aus der Regelung in § 9 Abs. 2 der klägerischen Satzung ableiten. Ebenso aus den Organisationsregelungen der §§ 13 ff. der klägerischen Satzung, insbesondere aus der Regelung in § 15 Abs. 1 zum Hauptausschuss, der aus Vertretern der Zweigvereine, dem Hauptvorstand und dem Ehrenvorsitzenden des Vereins bestehe. Gegen die „Einheitsthese“ des landgerichtlichen Urteils spreche auch, dass es sich bei der Kooperation zwischen dem Kläger und dem Beklagten sowie den weiteren Zweigvereinen um einen freiwilligen Zusammenschluss handele, der weder rechtlich, noch faktisch-funktionell eine unauflösbare Einheit bilde. Der Beklagte sei nach alldem als Glied und Mitglied des Klägers entgegen der Auffassung des Landgerichts berechtigt, seinen Austritt gegenüber dem Kläger zu erklären, jedenfalls seine Ausgliederung zu beschließen. Wegen der eigenen Rechtspersönlichkeit des Beklagten müsse die Klägersatzung in § 4 Abs. 2 Satz 3 im Übrigen so interpretiert werden, dass eine Abweichung von der klägerischen Satzung bei wichtigem Grund zulässig sei. Nach alldem bestehe für die Mitglieder des Beklagten eine teilbare Doppelmitgliedschaft, die es zuließe, den Verbund mit dem Kläger zu verlassen und gleichzeitig bei dem Beklagten zu bleiben, ohne dass dies als Akt der Neugründung eines nicht rechtsfähigen Vereins anzusehen wäre. Deshalb sei auch die Annahme des Landgerichts, die Satzungsänderung stelle sich als Verstoß gegen § 39 Satz 2 BGB dar, nicht haltbar. Die Satzungsänderung greife nicht in höchstpersönliche Mitgliedschaftsrechte ein. Die Änderung habe nicht zu einem Ausscheiden der Mitglieder des Beklagten aus dem klägerischen Verein geführt. In Anerkennung dieser Vorstellung einer teilbaren Doppelmitgliedschaft hätten inzwischen einige Mitglieder auch ihre Mitgliedschaft bei dem Kläger durch Austrittserklärung beendet. Das Argument des Landgerichts, die Mitgliedschaft in zwei Vereinen könne zu mehrfacher Beitragszahlungsverpflichtung führen, greife nicht. Diese Situation habe schon vor der Satzungsänderung vom 24.03.2012 für die Mitglieder des Beklagten bestanden. Zudem führe die Entscheidung des Landgerichts Marburg dazu, dass es für den Beklagten keine Möglichkeit zur Lösung des gliedschaftlichen Dauerrechtsverhältnisses zwischen den Parteien gebe. Sie führe zu einem „Festschmieden“ des Beklagten und seiner Mehrheitsmitglieder an den Kläger. Diesen bliebe dann nur, als Mitglieder des Beklagten auszutreten mit der Folge von dessen Liquidationsreife und dem Anfall des Vereinsvermögens bei dem Kläger. Wegen der Regelungen in der klägerischen Satzung zu Wahl- und Entscheidungsvorgängen sei zudem eine unmittelbare Mitgliedereinwirkung auf die Entscheidungsprozesse bei den Klägern im Sinne der Mehrheitsmeinung der Mitglieder des Beklagten nicht möglich.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. Main hat die Entscheidung des Landgerichts Marburg bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.

Das Landgericht hat zu Recht die Nichtigkeit des satzungsändernden Beschlusses des Beklagten vom 24.03,2012 festgestellt, so das Oberlandesgericht.

Der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass der angefochtene Beschluss an der Satzung des Klägers zu messen ist, ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Beklagte seine Rechtsmacht zur organisatorischen Loslösung von dem Kläger daraus herzuleiten versucht, dass er kraft geschichtlicher Entwicklung so zu behandeln sei, wie ein dem Kläger als Mitglied beigetretener Personenverbund, überzeugt das nicht.

Denn der Beklagte gesteht selbst ein, dass er nicht förmlich dem Kläger als Mitglied beigetreten ist. An diesem Umstand vermag sein weiteres Vorbringen, er habe sich aus einer zunächst örtlich gebundenen Gruppe über den Status eines nicht rechtsfähigen Zweigvereins im 20. Jahrhundert zu einem rechtsfähigen Verein entwickelt mit eigenem Vermögen (Erwerb der Bickell’schen Sammlung im Jahre 1936 nach langjährigem Streit), eigener Satzungshoheit und eigener Beitragserhebungsbefugnis, nichts zu ändern. Seine Auffassung, damit habe er sich im Laufe der Zeit nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine rechtliche Selbständigkeit errungen und ausgestaltet, ist zwar richtig, soweit damit zum Ausdruck gebracht wird, dass er auch als Zweigverein Rechtsfähigkeit im Sinne der § 21 ff. BGB aufweist. Mit der Rechtsfähigkeit ist der Beklagte aber nicht zugleich als „Korporation“ ordentliches Mitglied des Klägers geworden. Zum Einen fehlt es an der nach § 6 Abs. 1 der Satzung des Klägers erforderlichen schriftlichen Anmeldung und der Aufnahme durch den geschäftsführenden Hauptvorstand, zum Anderen an einem dahingehenden Beschluss der Mitgliederversammlung des Beklagten. Die Ansicht des Beklagten zugrunde gelegt, bedürfte es außerdem eines satzungsändernden Beschlusses zur (vollständigen) „Loslösung“ des Beklagten vom Kläger auch gar nicht mehr, weil ein Austritt aus dem Kläger gemäß § 7 Abs. 3 der klägerischen Satzung ausgereicht hätte.

Unabhängig davon lässt sich die von dem Beklagten vertretene Auffassung einer Doppelmitgliedschaft aber auch nicht mit den Regelungen zur Vereinsstruktur sowohl in der Satzung des Klägers als auch in seiner eigenen Satzung in der Fassung vor dem angefochtenen Beschluss in Einklang bringen.

Schon die Überschrift des § 4 der Satzung des Klägers „UNTERGLIEDERUNG“ spricht nach Auffassung des Oberlandesgerichts für die „Einheitsthese“ des Landgerichts und gegen die Ansicht des Beklagten von einer teilbaren Doppelmitgliedschaft seiner Mitglieder sowohl im Kläger als auch im Beklagten. Zutreffend ist zwar, dass nach § 4 Abs. 1 sich die Mitglieder des Klägers auf freiwilliger Basis „zur Förderung der örtlichen Zusammenarbeit“ „zu Zweigvereinen zusammenschließen“ können. Auch das spricht allerdings gegen die Auffassung des Beklagten von einer teilbaren Doppelmitgliedschaft, denn danach vollzieht sich die Bildung von Untergliederungen innerhalb des Hauptvereins auf die Initiative von einzelnen Mitgliedern des Klägers hin. Zudem widerspricht es der These des Beklagten, er sei kraft einer über Jahrzehnte dauernden Entwicklung so zu behandeln, als wäre er eigenständiges Mitglied des Klägers. Das würde vielmehr nach § 6 Abs. 1 der Satzung eine Aufnahme als korporatives Mitglied voraussetzen. Ein solcher Aufnahmeakt ist jedoch -wie oben bereits ausgeführt- weder ersichtlich, noch dargelegt.

Außerdem spricht der Wortlaut in § 4 Abs. 2 Satz 1, wonach die Zweigvereine „Glieder des Hauptvereins“ sind, für eine Ein- und Unterordnung des Beklagten in die Organisation des Gesamtvereins unabhängig von seiner Eigenschaft als selbständiges Rechtssubjekt. Dem steht nicht entgegen, dass es in § 4 Abs. 2 S. 2 und 3 weiter heißt, die Zweigvereine regelten „ihr Vereinsleben selbständig“ und könnten eigene Satzungen aufstellen. Denn diese auf den ersten Blick für eine weitgehende Selbständigkeit der Glieder sprechende Regelung erfährt in den folgenden Sätzen eine maßgebliche Einschränkung. In § 4 Abs. 2 S. 3 heißt es nämlich weiter, dass die Satzung eines Zweigvereins „der vorliegenden Satzung nicht entgegenstehen“ dürfe und jene vom Hauptvorstand des Klägers bestätigt werden müsse, und in § 4 Abs. 2 S. 4, dass ohne eigene Satzung des Zweigvereins die Satzung des Hauptvereins sinngemäß anzuwenden sei.

In der Satzung des Beklagten in der Fassung bis zum angefochtenen Beschluss ist dementsprechend die Einordnung des Beklagten als Teil der Organisation des Hauptvereins auch ausdrücklich nachvollzogen und anerkannt. Deren § 3 Abs. 1 lautet:

Mitgliedschaft und Beiträge richten sich nach den §§ 5 ff. der Satzung des ´Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde´ … (im folgenden: Hauptverein).

Eine Regelung zur Mitgliedschaft im Beklagten selbst enthält die Satzung in der Fassung bis zum angefochtenen Beschluss dagegen bezeichnenderweise nicht.

Diese grundlegenden Regelungen zum Verhältnis zwischen dem Kläger und seinen Zweigvereinen lassen eine Auslegung der Satzungen dahingehend, dass ein Zusammenschluss selbständiger Vereine besteht mit der Folge einer Doppelmitgliedschaft für die betroffenen Mitglieder, nicht zu.

Vielmehr ergibt die Auslegung der Satzungen, dass die Organisation von Haupt- und Zweigvereinen in rechtlicher Hinsicht eine sogenannte gestufte Mehrfachmitgliedschaft vorgibt. Diese ist sowohl in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch in der Literatur seit langem anerkannt.

Dazu nimmt das Oberlandesgericht Frankfurt a. Main beispielhaft Bezug auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 05.12.1983 zu einem eingetragenen Verein aus dem Pfadfinderwesen:

„… Der Beklagte ist entgegen der offenbar von der Revision vertretenen Auffassung kein Zusammenschluß selbständiger Vereine, sondern ein Gesamtverein, der organisatorisch untergliedert ist. Nach Nr. 2 der Bundessatzung, die der Senat selbst auslegen kann, weil sie für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, ist der Beklagte ein die Jugenderziehung fördernder und in der Jugendpflege tätiger Jugendverband, der sich über das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Dementsprechend ist er gemäß Nr. 5 der Satzung gebietsmäßig untergliedert in Landesmarken, deren Grenzen in der Regel denen der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland entsprechen, und innerhalb dieser in Gaue (Bezirksverbände), Horste (Kreisverbände) und Stämme (Ortsverbände). Diese Untergliederungen sind zwar nach der Satzung (Nr. 5 Abs. 2) ´je eigene, in der Regel nicht rechtsfähige Vereine´, die das Recht haben, sich eigene Satzungen zu geben, die allerdings der Bundessatzung nicht widersprechen dürfen. Sie sind aber nicht, wie die Revision annimmt, Mitglieder des Beklagten. Dies sind vielmehr gemäß Nr. 3 der Satzung jeweils die einzelnen Kinder und Jugendlichen sowie Erwachsene, die zur Mitarbeit im Sinne der Ziele des Beklagten bereit sind. Mit Hilfe der Untergliederungen, und zwar gleichgültig, ob es sich dabei um rechtlich selbständige Vereine oder unselbständige Organisationseinheiten handelt, erledigt der verklagte Hauptverein seine satzungsmäßigen Aufgaben, soweit er sie nicht auf Bundesebene selbst erfüllen kann. Das Berufungsgericht weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß die Bundessatzung als Mittel der pfadfinderischen Erziehung unter anderem das System der kleinen Gruppengemeinschaft, in der jedes Mitglied Aufgaben wahrnimmt, und dem jeweiligen Alter der Mitglieder angepaßte Leistungs- und Tüchtigkeitsproben anführt. Damit ist vor allem die Erziehungsarbeit auf örtlicher Ebene (Sturm oder Horst) angesprochen, in denen die Mitglieder in Primärgruppen von je sechs bis acht Personen zusammengefaßt werden (Nr. 6 Abs. 1 der Bundessatzung). Soweit die Untergliederungen in diesem satzungsmäßigen Rahmen, in den ohne Zweifel auch die Ferienfahrt und das anschließende Aufhängen der Zelte fiel, tätig werden, erledigen sie Aufgaben des verklagten Hauptvereins. …“

Wenn demgegenüber der Beklagte seine rechtliche Konstruktion des Verhältnisses von Haupt- zu Zweigvereinen damit stützen will, dass nach § 9 Abs. 2 der Zweigverein die Beiträge mit dem Hauptverein abrechne, ist das nicht überzeugend. Damit wird bei der Auslegung dieser Bestimmung der Wortlaut nicht vollständig ausgeschöpft. Es steht dort nämlich, dass „die Mitglieder“ (zu ergänzen: des Hauptvereins) ihren (zu ergänzen: dem Kläger geschuldeten) Beitrag an die Zweigvereine abführen. Wie vom Bundesgerichtshof oben ausgeführt, bedient sich der Hauptverein damit der Mithilfe seiner Untergliederungen vor Ort bei der Abwicklung der an sich von ihm selbst vorzunehmenden Verwaltungsaufgaben. Dies wird auch an anderer Stelle in der Satzung deutlich. § 6 Abs. 1 bestimmt, dass die Einzelmitglieder durch schriftliche Anmeldung durch den Hauptvorstand aufgenommen werden „unter Vermittlung der Zweigvereine“. Nach § 7 Abs. 3 erfolgt der Austritt eines Mitglieds durch schriftliche Abmeldung beim geschäftsführenden Hauptvorstand „durch Vermittlung des Zweigvereins“. Auch die in § 4 Abs. 5 vorgesehene Beitragserhebungsbefugnis für die Zweigvereine spricht gegen eine rechtliche Selbständigkeit dieser Untergliederungen in dem vom Beklagten verstandenen Sinne. Denn diese Befugnis ist nach der Satzungsbestimmung ausdrücklich abhängig gemacht von dem an den Kläger abzuführenden Mitgliedsbeitrag: „Die Zweigvereine erheben für ihre eigenen Bedürfnisse einen Zuschlag zu dem allgemeinen Mitgliedsbeitrag“.

Ebensowenig trägt die These des Beklagten, die Organisationsregelungen in den §§ 13 ff. der klägerischen Satzung, insbesondere § 15 Abs. 1, wonach der Hauptausschuss unter anderem aus Vertretern der Zweigvereine besteht, die einen Vertreter je angefangene hundert Mitglieder, höchstens jedoch drei entsenden, seien „so dominant, dass von einer gliedschaftlichen Doppelstruktur im Rahmen des Klägers ausgegangen werden“ müsse. Denn auch diese Regelung folgt dem Prinzip, dass der Hauptverein sich seiner Untergliederungen bedient, in diesem Falle dadurch, dass für bestimmte Entscheidungen nicht die Versammlung aller Mitglieder zuständig ist, sondern eine Bündelung der Entscheidungsfindung in bestimmten Fällen (§§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 7) unter Heranziehung von Vertretern der Zweigvereine als Repräsentanten vorgesehen ist. Auch das ist im Ergebnis dem Umstand geschuldet, dass nach dem Satzungszweck die örtlichen Bedürfnisse im Zweigverein befriedigt und zusammengefasst werden sollen.

Vor diesem Hintergrund ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht angenommen hat, die Satzungsänderungen in dem angegriffenen Beschluss stellten einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1, 2 und 5 der klägerischen Satzung dar und seien deshalb nichtig.

Entgegen der Auffassung des Beklagten muss nach Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt a. Main die Regelung zur beschränkten Satzungsbefugnis der Zweigvereine auch nicht in verfassungskonformer Weise so ausgelegt werden, dass eine Abweichung von den Vorgaben der Satzung des Hauptvereins aus wichtigem Grund zulässig sein müsse. Selbst wenn dies im Einzelfall geboten sein mag, kann das bei Abwägung der betroffenen Grundrechte auch der übrigen, nicht im Beklagten geführten Vereinsmitglieder des Klägers nicht so weit gehen, dass damit die von der Satzung des Hauptvereins vorgegebene Struktur des Gesamtvereins geändert wird. Das würde vielmehr umgekehrt zu einem ungerechtfertigten Eingriff in die Vereinsautonomie zu Lasten des Klägers führen. Es ist außerdem nicht zutreffend, dass die vom Landgericht getroffene Auslegung und die darauf beruhende Entscheidung, sich als eine Verletzung von Grundrechten darstellen würden.

Die Mitglieder des Klägers, die zugleich auf örtlicher Ebene im Beklagten zusammengefasst sind, sind nämlich nicht an den Kläger „festgeschmiedet“ und jeglicher Einwirkungsmöglichkeit auf die Ausrichtung des Klägers beraubt. So, wie sich die Mitglieder des Klägers nach § 4 Abs. 1 auf örtlicher Ebene zu Zweigvereinen zusammenschließen können, können sie nämlich auch nach § 41 Satz 1 BGB mit der erforderlichen Mehrheit den Verein auflösen und die von ihnen für richtig gehaltenen Ziele in einem neuen Verein verfolgen und fördern. Einfluss auf die Entscheidungen und die Ausrichtung des Klägers sind im Rahmen der satzungsmäßigen Mitgliedschaftsrechte wahrzunehmen (§ 15 Abs. 3: Beratung der Vereinsangelegenheiten im Hauptausschuss; § 16 Abs. 5: Vortrag in der Mitgliederversammlung; § 7 Abs. 5: Antrag an den Hauptvorstand auf Ausschluss eines Mitglieds wegen Verletzung der Vereinsinteressen; ggfs. auch Anfechtung von Beschlüssen des Klägers). Nicht möglich ist dagegen eine Änderung der von der Satzung des Klägers vorgegebenen (und in der Satzung des Beklagten anerkannten) Struktur und Organisation des Gesamtvereins ohne die erforderliche Mehrheit in der Mitgliederversammlung des Klägers allein durch Mehrheitsbeschluss eines Zweigvereins. Die „Mehrheitsmitglieder“ des Beklagten, wie der Beklagtenvertreter formuliert, teilen diesbezüglich das Schicksal sämtlicher Minderheiten in einer demokratisch verfassten Einheit. Ihre Ziele erreichen sie damit, dass sie für ihre Minderheitsauffassung eine Mehrheit organisieren, mag dies auch häufig beschwerlich sein.

Der schwerwiegende Vorwurf, die Entscheidung des Landgerichts stelle sich als „richterliches Achselzucken“ und „vermeintlich dogmatisch begründete“ Feststellung einer Wegelosigkeit dar, ist deshalb nicht haltbar, so das Oberlandesgericht. Das Landgericht hat nach den (vereinsautonomen) Bestimmungen in den Satzungen sowohl des Klägers als auch des Beklagten zu Recht die vom Beklagten behaupteten, aus seiner Sicht unhaltbaren Zustände in Führung und Ausrichtung des Vereinslebens des Klägers als -zumindest für die Entscheidung dieses Rechtsstreits- nicht erheblich angesehen.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt a. Main, Urteil vom 27.02.2014 – 15 U 94/13