martina heck

23.08.2013

Der verlorene Schlüssel bei Rückgabe der Wohnung

Immer wieder kommt es vor, dass ein Mieter nach Ende der Mietzeit zwar die Wohnung geräumt übergibt, aber nicht mehr alle Schlüssel zurückgeben kann. Besonders misslich ist dies, wenn es sich um einen zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssel handelt. Das Landgericht Heidelberg hat als Berufungsinstanz eine Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg im Ergebnis bestätigt, wonach im Fall eines zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssels nicht nur die erforderlichen Kosten zur Wiederherstellung des fehlenden Schlüssels zu ersetzen sind, sondern darüber hinaus auch die erforderlichen Kosten zur Erneuerung der Schließanlage. Dies gilt nach Auffassung des Landgerichts Heidelberg auch, wenn die Schließanlage tatsächlich nicht erneuert wird.

In dem entschiedenen Fall verlangte der klagende Wohnungsvermieter vom Beklagten, seinem ehemaligen Mieter, restlichen Schadensersatz, da dieser ihm bei Mietende nur einen von zwei Wohnungsschlüsseln zurückgegeben habe. Die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vom Kläger EUR 1.468,- für den Austausch der Schließanlage des Anwesens gefordert; die Schließanlage wurde bislang nicht ausgetauscht.

1.

Der seitens des klagenden Vermieters verfolgte Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus § 1 Nr. 2 Abs. 5 Satz 2 des von den Parteien unterschriebenen schriftlichen Mietvertrags, wonach der Mieter bei Verlust eines Schlüssels verpflichtet ist, auf Verlangen des Vermieters die Kosten für entsprechende Türschlösser bzw. bei einer Schließanlage deren Kosten und auch die Kosten für den Austausch der Schlüssel zu übernehmen, sofern der Mieter nicht nachweisen kann, dass Missbrauch ausgeschlossen ist. Der Kläger hat sich selbst nicht auf diese Klausel berufen.

Die Klausel kann jedenfalls deswegen keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch begründen, weil sie als Allgemeine Geschäftsbedingung den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Bei der Klausel handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, wie sich bereits aus ihrem unspezifizierten Wortlaut („Kosten für entsprechende Türschlösser bzw. bei einer Schließanlage deren Kosten“) hinreichend deutlich ergibt, und die der Kläger als Vermieter dem Beklagten als Mieter bei Vertragsabschluss gestellt hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Klausel stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn die Klausel begründet einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, den der Mieter nur abwenden können soll, wenn er den Ausschluss des Missbrauchs des verlorenen Schlüssels nachweist. Kann er hingegen nur nachweisen, dass er den Schlüssel ohne sein Verschulden verloren hat, etwa durch einen nicht auf einer Sorgfaltspflichtverletzung des Mieters beruhenden Diebstahl, soll er weiterhin haften, solange er nicht auch ausschließt, dass der Dieb oder irgendein Dritter Missbrauch mit dem entwendeten Schlüssel treiben.

Dies ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen (§§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 BGB) nicht vereinbar, nach denen ein vertraglicher Schadensersatzanspruch grundsätzlich ein Vertretenmüssen im Sinne eines Verschuldens seitens des Schuldners voraussetzt. Mietvertragsklauseln, die eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht für einen Schlüsselverlust vorsehen, benachteiligen den Mieter daher unangemessen und verstoßen gegen § 307 BGB.

2.

Der klagegegenständliche Schadensersatzanspruch folgt aber aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 2, 257 BGB.

Der Beklagte hat durch die Nichtrückgabe eines der ihm vom Kläger überlassenen Schlüssel seine Obhuts- und Rückgabepflicht (§ 546 Abs. 1 BGB) verletzt, die sich auch auf mitvermietetes Zubehör der Mietsache erstreckt. Hierzu gehört der vom Kläger vermisste Schlüssel.

Diese Vertragsverletzung ist vom Beklagten auch zu vertreten. Umstände, die die dahingehende gesetzliche Vermutung widerlegten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die endgültige Vorenthaltung eines dem Mieter anvertrauten Wohnungsschlüssels geht über den vertragsgemäßen Mietgebrauch, in dessen Rahmen der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache nicht zu vertreten hat (§ 538 BGB), hinaus.

Dem Kläger ist in Gestalt der Inanspruchnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, der gegenüber der Beklagte Erfüllungsgehilfe im Rahmen der den Kläger als Miteigentümer treffenden Schutzpflichten hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums ist (§§ 241 Abs. 2, 278 BGB), auch ein Schaden entstanden. Diese Verbindlichkeit umfasst über die Wiederherstellung des fehlenden Schlüssels hinaus auch die Kosten der Erneuerung der Schließanlage in dem von dem gerichtlichen Sachverständigen Sch. für erforderlich gehaltenen Umfang. Darauf, dass die Schließanlage bislang noch nicht ausgetauscht ist, kommt es dabei nicht an. Auf den in diesem Sinne zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag hat sich die Eigentümergemeinschaft und damit auch der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zwar einen Abzug „neu für alt“ anrechnen lassen. Die konkrete Höhe dieses Abzugs führt jedoch nicht zu einem Unterschreiten des berufungsgegenständlichen Schadensersatzbetrages.

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Voraussetzung hierfür ist ein Eingriff in die Sachsubstanz.

Die der Vorenthaltung des fehlenden Schlüssels innewohnende Substanzverletzung beschränkt sich nicht allein auf diesen Schlüssel und der geschuldete Schadensersatz damit nicht auf den verhältnismäßig geringfügigen Betrag für das Nachmachen dieses Schlüssels. Vielmehr hat der Beklagte auch in die substanzielle Funktionalität der Gesamtheit der Bestandteile der Sache „Schließanlage“ eingegriffen. Denn diese ist dadurch, dass der Verbleib des fehlenden Schlüssels dauerhaft ungeklärt bleibt, in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Diese Beeinträchtigung kann nicht mit der Erwägung in Abrede gestellt werden, dass sich die Funktion der Sachgesamtheit Schließanlage auf das Auf- und Zusperren der vor ihr umfassten Schlösser mit den verfügbaren Schlüsseln beschränkt und der Substanzschaden folglich durch die Wiederherstellung des fehlenden Schlüssels behoben ist. Diese Auffassung greift insoweit zu kurz, als der Substanz der Schließanlage auch die Funktion innewohnt, dass niemand die zu ihr gehörenden Schlösser auf- und zusperren kann, der nicht berechtigt im Besitz eines zu ihr gehörenden Schlüssels ist. Die durch den unbekannt verbliebenen Schlüssel begründete Missbrauchsgefahr verletzt nicht nur das Eigentum an dem Schlüssel selbst, sondern zusätzlich die Sachgesamtheit Schließanlage für das Gesamtgebäude.

Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter die Schließanlage tatsächlich und zeitnah ausgewechselt hat. Denn soweit er dies unterlässt, handelt er auf eigenes Risiko. Dann steht dem Gewinn der „abstrakt“ liquidierten Schadensersatzsumme der materielle Verlust gegenüber, der sich im Falle der Verwirklichung der Missbrauchsgefahr durch Diebstahl oder Vandalismus Dritter niederschlägt, ohne dass diese Folgeschäden der ursprünglichen Pflichtverletzung des Mieters noch haftungsrechtlich zurechenbar und von diesem zu ersetzen wären. Auf Grund dieser Risikoverteilung ist die Entscheidung des Vermieters, Schadensersatz zu verlangen und die Schließanlage trotzdem (zunächst) nicht zu erneuern, auch nicht etwa treuwidrig.

Schließlich steht der Zulassung der abstrakten Schadensberechnung auch nicht die Rechtsprechung des Reichsgerichts entgegen, nach der § 249 Abs. 2 BGB bei der reinen Gefahr künftiger Beschädigung einer Sache nicht anwendbar und eine abstrakte Schadensberechnung daher in diesem Fall nicht möglich ist. Denn Haftungsgrund ist vorliegend (anders als in dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall) nicht lediglich die Bedrohung der Sache durch künftige Beschädigung, sondern die bereits real eingetretene Substanzverletzung im oben dargelegten Sinne.

Nach alledem erscheint es angezeigt, den Grundsatz, dass der Geschädigte in der Verwendung des Geldschadensersatzes frei ist, auch im vorliegenden Fall Platz greifen zu lassen.

3.

Allerdings ist von dem vom Sachverständigen ermittelten und vom Kläger vor dem Amtsgericht zuletzt auch geforderten Betrag von EUR 1.729,82 ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen. Denn die Voraussetzungen eines solchen Abzugs liegen vor.

Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt oder durch den Einbau von Neuteilen repariert, kann dies zu einer Wertsteigerung führen, die die Schadensersatzpflicht mindert, soweit hierdurch eine messbare Vermögensmehrung eingetreten ist und sich diese Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt. Dies ist vorliegend der Fall.

Ersichtlich handelt es sich bei den in Rede stehenden Schließzylindern und Schlüsseln einerseits um Bauteile, die der täglichen mechanischen Beanspruchung und damit der Abnutzung unterliegen. Auf der anderen Seite ist von einer hohen Lebensdauer einer Schließanlage auszugehen. Der Sachverständige hat sie mit 20 bis 25 Jahren beziffert. Damit tritt eine – allerdings moderate – Bereicherung der Wohnungseigentümer ein, da die auszutauschenden Bauteile nach der notwendigen Erneuerung länger halten und erst in fernerer Zukunft erneut ausgetauscht werden müssen. Bei der Berechnung des für den (partiellen) Austausch der Schließanlage geschilderten Schadensersatzbetrages ist daher ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen.

Das Alter der auszutauschenden Bauteile ist allerdings im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. Indes ist diese Frage der gerichtlichen Schätzung unter Berücksichtigung der sachverständigen Feststellungen zugänglich (§ 287 Abs. 1 ZPO).

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände hält das Landgericht Heidelberg einen Abzug von 15 Prozent von dem vom Sachverständigen ermittelten, für die Wiederherstellung der Schließsicherheit erforderlichen Betrag von EUR 1.729,82 für angemessen.

4.

Gegen dieses Berufungsurteil hat das Landgericht Heidelberg die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob und unter welchen Umständen der Vermieter vom Mieter die Kosten des Austausches einer zentralen Schließanlage ersetzt verlangen kann, insbesondere, ob dies auch noch der Fall ist, wenn die Schließanlage längere Zeit nach dem Schlüsselverlust gleichwohl nicht ausgetauscht wurde, wird in Instanzrechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet und dürfte in der Mietpraxis in einer Vielzahl von Fällen auftreten. Eine höchstrichterliche Entscheidung dieser Frage liegt, soweit ersichtlich, noch nicht vor.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 24.06.2013 – 5 S 52/12