Nach § 20 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer unter gewissen Voraussetzungen die Umsatzsteuer nicht nach den vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.
Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass ein solcher Antrag auf die sogenannte Ist-Besteuerung auch konkludent gestellt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der Steuererklärung deutlich erkennbar zu entnehmen sein muss, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind, was sich aus einer eingereichten Einnahme-/Überschussrechnung ergeben kann. Hat ein Steuerpflichtiger einen solchen hinreichend deutlichen Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim Finanzamt gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.
In dem konkreten Fall ermittelte der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben und erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Die Umsatzsteuer wurde entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass dem Steuerpflichtigen die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht gestattet gewesen sei und erließ für die betreffenden Jahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet wurde.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Niedersächsische Finanzgericht der hiergegenn gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb nun ohne Erfolg.
Die Steuer für die erbrachten Leistungen ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, entstanden.
Grundsätzlich entsteht die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollbesteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 63 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL . Danach treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.
Gemäß § 20 UStG kann das FA unter bestimmten Umständen auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG – sog. Ist-Besteuerung) hat der Gesetzgeber die ihm nach Unionsrecht eingeräumte Ermächtigung ausgeübt, für die Entstehung des Steueranspruchs nach Art. 66 Buchst. b MwStSystRL (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG) auf die Vereinnahmung des Preises abzustellen. Die Steuer entsteht in diesem Fall mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG).
Gemäß § 20 UStG ist für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anstelle der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten ein Antrag notwendig, auf Grund dessen das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 S. 1 AO) gestattet haben muss. Der Antrag kann auch konkludent gestellt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann aber eine Steuererklärung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind, nur dann als konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung angesehen werden, wenn ihr deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind (BFH-Beschluss vom 11.05.2011 – V B 93/10)).
Die Würdigung des Niedersächsischen Finanzgerichts, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich bindend, weil sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt und, wenn auch nicht zwingend, so doch möglich ist. Aus den Akten ergibt sich ferner, dass das F die Verknüpfung zwischen den Umsatzsteuererklärungen und der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durchaus erkannt hat, denn es findet sich z.B. in der Umsatzsteuerverprobung für das Streitjahr 2006 ein Hinweis des Bearbeiters auf die Gewinn- und Verlustrechnung.
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bb) Das FG konnte auch davon ausgehen, dass das FA dem Antrag des Klägers auf Gestattung der Ist-Besteuerung zugestimmt hat. Bei der Gestattung nach § 20 UStG durch das FA handelt es sich um den Erlass eines begünstigenden Ermessens-Verwaltungsaktes i.S. der §§ 130, 131 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Februar 2013 V B 72/12, BFH/NV 2013, 984). Dieser Verwaltungsakt muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend bekanntgegeben werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 1406; vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH/NV 2003, 210; vom 20. Januar 2000 V B 163/99, BFH/NV 2000, 897). Da die Gestattung einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und die hierauf beruhende Umsatzsteuerfestsetzung (§ 155 AO) zwei verschiedene Verfahren betreffen, kann die Umsatzsteuerfestsetzung nur dann als konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ausgelegt werden, wenn mit ihr nach außen erkennbar auch eine Entscheidung über den entsprechenden Antrag getroffen wurde (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 984; in BFH/NV 2011, 1406; in BFH/NV 2003, 210). Hieran dürfen aber keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Vielmehr ist der Empfängerhorizont der Beteiligten entscheidend. Hat ein Steuerpflichtiger –wie vorliegend der X– einen konkludenten Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim FA gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.08.2015 – V R 47/14