Ein emeritierter Hochschullehrer kann Forschungsaufwendungen nicht als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung geltend machen, wenn er außer Versorgungsbezügen keine Einnahmen erzielt, hat das Finanzgericht Hamburg entschieden.
Ein Hochschullehrer im Ruhestand hatte für seine wissenschaftliche Forschung (Besuch von Fachtagungen, häusliches Arbeitszimmer, Fachliteratur, Arbeitsmittel) den Werbungskostenabzug geltend gemacht. Dies hatte das Finanzamt nicht akzeptiert, so dass der Professor nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhob.
Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen, weil die geltend gemachten Forschungsaufwendungen vom Finanzamt zutreffend als steuerlich irrelevant behandelt worden sind. Sie sind weder vorweggenommene Betriebsausgaben zu späteren Einkünften aus selbständiger (freiberuflicher, schriftstellerischer) Tätigkeit (§§ 4 Abs. 4, 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) – s.u. unter I. – noch Werbungskosten zu den bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 9, 19 EStG) – s.u. unter II. – noch Spenden zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (Sonderausgaben gemäß § 10b EStG) oder diesen vergleichbar – s. unten unter III. – noch aus Gründen außerhalb der steuerlichen Systematik abziehbar.
I.
Die Aufwendungen sind nicht abziehbar als Ausgaben mit Bezug zu Einkünften aus schriftstellerischer Tätigkeit, die zu künftigen Einnahmen führt, d. h. als Verluste aus selbständiger Tätigkeit. Denn hierzu fehlt die notwendige Gewinnerzielungsabsicht.
1. Grundsätzlich sind zwar alle Gewinne und Verluste aus einer selbständig ausgeübten schriftstellerischen Tätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen, sofern die äußeren Merkmale einer schriftstellerischen Tätigkeit, eigene Gedanken mit Mitteln der Sprache schriftlich auszudrücken, gegeben sind.
Die hieraus erzielten (positiven oder negativen) Einkünfte können jedoch nur dann bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt werden, wenn die schriftstellerische Tätigkeit auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte dient. Ebenso wie bei der Einkunftsart “Gewerbebetrieb”, bei der die Absicht der Gewinnerzielung zu den ausdrücklich erwähnten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gehört (§ 15 Abs. 2 EStG), ist auch bei der Einkunftsart “selbständige Arbeit” eine Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für das Vorliegen einer einkommensteuerrechtlich relevanten Tätigkeit zu fordern.
Bei Schriftstellern ist, ebenso wie bei Gewerbetreibenden, Land- und Forstwirten sowie bei den auf anderen Gebieten tätig werdenden Angehörigen freier Berufe, zur Bejahung einer Gewinnerzielungsabsicht erforderlich, dass ihre Tätigkeit auf Dauer dazu geeignet und bestimmt ist, Gewinne zu erzielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich bei Schriftstellern – ähnlich wie bei Künstlern – positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Der materielle Erfolg eines Schriftstellers stellt sich in der Regel erst ein, wenn seine Werke auf eine entsprechende Resonanz in der Öffentlichkeit gestoßen sind. Deshalb lässt sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung nicht der Schluss ziehen, es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht.
Wird allerdings nach einer gewissen – nicht zu kurz bemessenen – Anlaufzeit festgestellt, dass die Erzeugnisse eines Schriftstellers trotz entsprechender Bemühungen zu keinen Gewinnen führen und dass unter den gegebenen Umständen keine Aussicht besteht, ein positives Gesamtergebnis aus der schriftstellerischen Arbeit zu erzielen, so muss aus der weiteren Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit der Schluss gezogen werden, dass der Schriftsteller fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur noch aus persönlichen Gründen tätig ist. Die im Zusammenhang hiermit erzielten Verluste dürfen das Einkommen nicht mindern.
An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es auch in den Fällen, in denen eine schriftstellerische Tätigkeit von vornherein nicht um des Erwerbes willen betrieben wird. Oft geht es den Verfassern allein darum, Erkenntnisse, Ideen oder Auffassungen möglichst weitreichend zu übermitteln. Treffen die Verfasser in solchen Fällen mit Verlagen vertragliche Vereinbarungen über das Erscheinen ihrer Werke, so besteht der für sie maßgebende vertragliche Vorteil allein darin, dass ihre Darlegungen überhaupt veröffentlicht werden. Nicht selten entschließt sich ein Verfasser sogar, noch einen Zuschuss zu leisten, um das Erscheinen seines Werkes zu ermöglichen. In diesen Fällen ist eine Gewinnerzielungsabsicht im steuerrechtlichen Sinn von Anfang an nicht vorhanden.
Somit ist der schriftstellerischen Tätigkeit ähnlich wie künstlerischer Tätigkeit eine gewisse persönliche Neigung wesensimmanent und regelmäßiger Antrieb des schriftstellerischen Schaffens.
Die Absicht der Gewinnerzielung ist letztlich also eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Es muss deshalb im Einzelfall anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen oder Fehlen dieser Absicht geschlossen werden.
2. Hier ist zunächst festzuhalten, dass seit der Pensionierung im konkreten Fall bereits sieben Jahre vergangen sind, ohne dass es zu Publikationseinnahmen kam. Hinzu kommt, dass, wie der Kläger selbst erläutert hat, die Verlage regelmäßig Druckkostenzuschüsse vor einer Veröffentlichung verlangen und diese häufig durch die Publikation nicht erlöst werden. Warum nun gerade das vom Kläger beabsichtigte, wissenschaftlich sicherlich bedeutsame und anerkennenswerte Werk einen Gewinn erwirtschaften soll, hat der Kläger nicht dargelegt. Die bloße Hoffnung ersetzt nicht konkrete Umstände, die die Erwartung eines Gewinns plausibel machen könnten.
Lediglich ergänzend und mit geringerem Gewicht ist noch zu bedenken, dass der Kläger mit einem Projektantrag für Fördermittel warten will, bis er einen geeigneten Mitarbeiter gefunden hat. Insofern hat er nicht dargelegt, was er bisher unternommen hat, um geeignete Mitarbeiter zu finden oder warum er nicht zunächst einen Projektantrag stellt, um bei Bewilligung entsprechender Mittel damit zu werben und so vielleicht geeignete Mitarbeiter finden zu können. Der Kläger unternimmt zwar eigene Forschungsanstrengungen im engeren Sinne, um seine eigene wissenschaftliche Erkenntnis voranzubringen, jedoch sind keine zielorientierten Maßnahmen benannt worden, aus denen erkennbar würde, dass der Kläger organisatorisch, finanziell und ggf. auch personell gerade das Buchprojekt voranbringt. Dies ist umso unverständlicher, als aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers dieser sich eigentlich schon von der Zeit zu solchen Maßnahmen gedrängt fühlen müsste.
Bei Würdigung aller Umstände war das Gericht nicht davon überzeugt, dass die anerkennenswerten wissenschaftlichen Leistungen des Klägers von einer Gewinnerzielungsabsicht bezüglich der künftigen Veröffentlichung einer Monographie unterlegt sind.
II.
1. Die Ausgaben sind auch nicht als Werbungskosten zu den Versorgungsbezügen des Klägers abziehbar.
Mit seinem vom Kläger zitierten Urteil von 1974 hat der Bundesfinanzhof nicht über den Werbungskostenabzug, sondern über den Versorgungsfreibetrag entschieden. Das Finanzamt wollte emeritierten (entpflichteten) Professoren keinen Versorgungsfreibetrag zuerkennen, weil diese keine Bezüge für frühere, sondern für gegenwärtige, wenn auch freiwillig geleistete Tätigkeit bekämen. Dem ist der Bundesfinanzhof entgegengetreten und hat die weitgehende Ähnlichkeit von emeritierten Professoren mit Ruhestandsbeamten herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, emeritierte Professoren bekämen ihre Bezüge mindestens teilweise, und zwar zum weitaus überwiegenden Teil für ihre frühere Tätigkeit. Dem sprachlich möglichen und vom Kläger intendierten Schluss, Emeriti bekämen somit ihre Bezüge zumindest teilweise, wenn auch nur zum geringen Teil für eine gegenwärtige Tätigkeit, ist der Bundesfinanzhof aber in einem Urteil von 1993 ausdrücklich entgegengetreten.
Der Bundesfinanzhof hat darin ausgeführt:
“Soweit dies dahin zu verstehen wäre, dass ein bestimmter – geringerer – Teil der Emeritenbezüge doch als Bezüge i. S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG zu beurteilen sei, könnte daran nicht festgehalten werden. Wenn nämlich die steuerliche Zuordnung zu den Einkünften nach § 19 Abs.1 Nr.2 EStG ungeachtet der beamtenrechtlichen Bezeichnung dieser Bezüge zutreffend damit begründet worden ist, dass sie auch ohne Erbringung von Gegenleistungen in derselben Höhe gezahlt worden wären, dann kann keine andere steuerliche Zuordnung erfolgen, falls tatsächlich Leistungen erbracht worden sind. Denn diese haben auf die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Bezüge gezahlt worden sind, keinen Einfluss. Der Umstand, dass tatsächlich erbrachte Leistungen des emeritierten Professors mit den Bezügen als abgegolten betrachtet werden, die er auch ohne die Leistung erhalten hätte, rechtfertigt nicht die Beurteilung, dass diese Bezüge die Gegenleistung für die tatsächlich erbrachte Leistung sind.”.
b) Das Finanzgericht Hamburg schließt sich dem an, auch wenn darin eine Auseinandersetzung mit der älteren, entgegengesetzten Auffassung des Reichsfinanzhofs fehlt. Der Reichsfinanzhof hatte sich seinerzeit darauf gestützt, dass der entpflichtete Hochschullehrer zwar nicht rechtlich, aber moralisch zur Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verpflichtet sei. Das Amt bringe daher auch nach der Entpflichtung die Werbungskosten mit sich, jedenfalls wenn der Emeritus auch weiterhin eine umfangreiche wissenschaftliche Tätigkeit ausübe. Der für den Werbungskostenbegriff notwendige Veranlassungszusammenhang mit den Einnahmen wird heute jedoch objektiv gesehen. Freiwillig ausgeübte Tätigkeiten sind daher nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet.
c) Der Hinweis des Klägers, dass dann auch der Werbungskostenabzug bei Professoren vor der Pensionierung und bei zahlreichen anderen Beamtengruppen zweifelhaft sei, weil diese ihre Bezüge nicht zu sichern bräuchten und die Kausalität selbstbezahlter Anstrengungen für einen weiteren Ruf (bei Professoren) bzw. eine Beförderung (bei anderen Beamten) fraglich sei, ist zwar in der Sache nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Allerdings wäre die Konsequenz, dass auch anderen Steuerpflichtigen der Werbungskostenabzug, der diesen bisher verbreitet und ohne nähere Nachfragen gewährt wird, versagt werden müsste. Keineswegs wäre die steuerliche Schlussfolgerung, dass deswegen dem Kläger der Abzug gewährt werden müsste. Es bedarf daher hier keiner Entscheidung, ob der anderen Steuerpflichtigen gewährte Werbungskostenabzug rechtens erfolgt.
d) Diese Nichtabziehbarkeit von Aufwendungen gilt im Übrigen nicht nur für emeritierte und pensionierte Professoren, sondern auch für Honorarprofessoren, die ohne Vergütung Lehrveranstaltungen an einer Hochschule abhalten und für pensionierte Pfarrer bzw. Pastoren im Ruhestand, etwa bei unentgeltlicher Aushilfsseelsorge, bei denen das moralische Verpflichtungsgefühl bzw. die – hier aus der kirchlichen Gemeinde – hervortretende Erwartungshaltung wohl kaum geringer, eher noch höher sein wird als bei pensionierten Hochschullehrern.
2. Auf die inzwischen mangelnde Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nach der Neufassung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, weil dem Kläger in der Universität ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kommt es nicht mehr an.
III.
Die Aufwendungen des Klägers für seine wissenschaftliche Tätigkeit sind schließlich auch nicht als Spenden für steuerbegünstigte Zwecke abziehbar.
1. Zum einen kann niemand an sich selbst zahlen oder schulden. Die Annahme einer Zahlung an sich selbst wäre eine bloße Fiktion. Es fehlt an einem Mittelabfluss (§ 11 EStG).
2. Außerdem würde der Kläger auch nicht zu den in § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Zuwendungsempfängern, im Wesentlichen steuerbefreite juristische Personen, gehören.
3. Eine analoge Anwendung der Regelungen über den Spendenabzug scheidet aus, weil es an einer planwidrigen Lücke fehlt. Die vom Kläger bemängelte Wirkung ist vom Gesetzgeber intendiert.
4. Das Gericht sieht auch nicht, warum dies unangemessen oder gar verfassungswidrig sein sollte. Die Regelungen dienen der Kontrolle. Auch ein Bürger, der sich entschließt, auf eigene Rechnung für eine Weile in ein Dürregebiet zu fliegen und dort beim Brunnenbohren zu helfen, handelt sicherlich ethisch sehr hochstehend und vielleicht aus einem moralischen Verpflichtungsgefühl heraus, kann seine Aufwendungen deswegen aber nicht steuerlich geltend machen. Warum für Professoren im Ruhestand für ihre als gesellschaftliche Leistung sicher anzuerkennenden wissenschaftlichen Anstrengungen hier weniger sichernde Begrenzungen gelten sollten, erschließt sich nicht.
Der Kläger ist auch nicht schutzlos: Er kann das Geld, statt es selbst auszugeben, der Universität steuerbegünstigt spenden, diese kann ihm nach ihren Regeln seine Aufwendungen erstatten. Oder er kann mit Gleichgesinnten einen gemeinnützigen Verein zur Förderung wissenschaftlicher Tätigkeit von Ruhestandsprofessoren gründen, das Geld diesem spenden, und dieser Verein kann den Kläger dann entsprechend fördern. Wenn der Kläger die mit dem notwendigen Hin- und Herzahlen verbundenen Einschränkungen und Umstände nicht in Kauf nehmen will, muss er es hinnehmen, dass die Ausgaben nicht als gemeinnützige Spende abziehbar sind. Er unterliegt nur denselben Beschränkungen wie andere Personengruppen, die gemeinnützige Aktivitäten beabsichtigen. Eine Begünstigung gerade von pensionierten Professoren dahingehend, dass deren Ausgaben ohne weitere Kontrolle unmittelbar als gemeinnützige Zuwendung abziehbar sind, wie es dem Kläger anscheinend vorschwebt, dürfte nicht nur verfassungsrechtlich nicht geboten, sondern im Gegenteil gleichheits- und damit verfassungswidrig (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) sein.
Finanzgericht Hamburg Urteil vom 19.07.2011 – 3 K 33/11