Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass der auf konkreten Tatsachen beruhende Verdacht einer Dioxinbelastung von Futtermitteln eine Mangelhaftigkeit der Kaufsache begründet, wobei § 24 LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch) eine verschuldensunabhängige Haftung begründe.
In dem entschiedenen Fall begehrte die Klägerin vom Beklagten Zahlung des Kaufpreises für Futtermittellieferungen im März/April 2012. Der Beklagte macht gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche wegen Umsatzeinbußen infolge früherer Futtermittellieferungen, die seiner Auffassung nach dioxinbelastet waren, in Höhe von 43.438,29 € sowie Erstattung des Kaufpreises für geliefertes Legemehl in Höhe von 6.553,40 € geltend. Insoweit erklärt er die Aufrechnung in Höhe der Klageforderung und macht den überschießenden Betrag von 29.924,01 € im Wege einer Widerklage geltend.
Dem Schadensersatzanspruch des Beklagten liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin belieferte den Beklagten am 23. und 26.11.2010 mit Futtermitteln. Bei einer am 24.11.2010 im Betrieb der Klägerin durchgeführten Untersuchung wurde festgestellt, dass das hergestellte Mischfutter mit Dioxin in einer über dem Grenzwert liegenden Konzentration belastet war. Ursächlich hierfür waren Fette, die die Klägerin von der X-GmbH in Y bezogen hatte. Nach weiteren Untersuchungen wurden am 22.12.2010 im Betrieb des Beklagten zwei Hühnerställe gesperrt. Den durch die Entsorgung der produzierten Eier entstandenen Schaden in Höhe von 54.721,36 € hat die Klägerin dem Beklagten ersetzt. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein weiterer Schaden durch Umsatzeinbußen in Höhe von 43.438,29 €.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin zur Zahlung von 23.370,61 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Der (unstreitige) Zahlungsanspruch der Klägerin sei durch Aufrechnung erloschen. Dem Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.438,29 € wegen dioxinbelasteter Futtermittellieferungen vom 23. und 26.11.2010 zu. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob die Futtermittel tatsächlich dioxinbelastet gewesen seien. Für die Verwertbarkeit der Futtermittel und das Vorliegen eines Sachmangels komme es allein auf den von der Klägerin nicht entkräfteten Verdacht einer Dioxinbelastung an. Im Übrigen habe die Klägerin durch den vorprozessual geleisteten Schadensersatz die Dioxinbelastung zugestanden. Die Klägerin hafte gemäß § 24 LFGB für den adäquat verursachten Schaden verschuldensunabhängig.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.
Der unstreitige Kaufpreisanspruch der Klägerin in Höhe von 20.067,68 € ist durch die Aufrechnung des Beklagten mit dem ihm gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB zustehenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.438,29 € nach § 389 BGB erloschen. Wegen des verbleibenden Differenzbetrages in Höhe von 23.370,61 € ist die Widerklage auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg begründet.
Die Futtermittellieferungen der Klägerin im November 2010 waren mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das Vorliegen eines Mangels ausreichend bestritten hat. Vorprozessual ist sie ausweislich ihres Schreibens vom 08.03.2011 und des von ihr an den Privatsachverständigen S erteilten Auftrags selbst von einer Belastung des von ihr gelieferten Futtermittels mit überhöhten Dioxinwerten ausgegangen und hat deshalb dem Beklagten Schadensersatz geleistet. Weitergehende Zahlungen hat die Klägerin danach nur abgelehnt, weil sie den zusätzlich geltend gemachten Schaden nicht zu vertreten habe.
Das von der Klägerin gelieferte Futter eignete sich schon deshalb nicht zur gewöhnlichen Verwendung, weil der auf konkreten Tatsachen beruhende Verdacht einer Dioxinbelastung bestand. Ein solcher Verdacht kann seinerseits einen Mangel darstellen, wenn er qualitätsmindernd ist. Eine Qualitätsminderung in diesem Sinne kann beispielsweise darin liegen, dass der Verdacht fehlender Eignung den Weiterverkauf gelieferter Lebensmittel hindert. Nichts anderes gilt bei der Lieferung eines in der Lebensmittelkette verwendeten Futtermittels, wenn auf Grund des Verdachts mittelbar die Vermarktung des produzierten Lebensmittels behindert wird. Denn zur Eignung eines in der Lebensmittelkette verwendeten Futtermittels zum gewöhnlichen Gebrauch gehört auch, dass dieses verwendet werden kann, ohne die Weiterveräußerung des produzierten Lebensmittels zu behindern. Es macht keinen Unterschied, ob der Verdacht unmittelbar zur Unverkäuflichkeit der Kaufsache oder – wie hier lediglich mittelbar – zur Unverkäuflichkeit der mit der Kaufsache produzierten Lebensmittel führt. In diesem Sinne spricht auch der Gesetzgeber im Aktionsplan „Verbraucherschutz in der Futtermittelkette“ zusammenfassend von unbedenklichen Futtermitteln und sicheren Lebensmitteln. Insofern ist die Auffassung der Beklagten, die zum Verdachtsmangel bei Lebensmitteln entwickelten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, inhaltlich unzutreffend. Sie ist auch sachlich falsch, weil die Rechtsprechung zum Verdachtsmangel nicht nur Lebensmittel, sondern auch andere Gegenstände wie Hausschwamm oder Feuchtigkeit im Hausfundament betrifft. Unerheblich ist auch, inwieweit tatsächlich eine Gefährdung für den Endverbraucher bestand. Bereits der dahingehende konkrete Verdacht begründet die in der schlechteren Verwertbarkeit liegende Mangelhaftigkeit.
Die Haftung der Klägerin entfällt nicht dadurch, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 24 LFGB begründet eine verschuldensunabhängige Haftung.
Nach der zur Zeit der Futtermittellieferungen geltenden Fassung des § 24 LFGB übernimmt der Verkäufer die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit, wenn er bei der Abgabe von Futtermitteln keine Angaben über deren Beschaffenheit macht. Da die Klägerin derartige Angaben nicht gemacht hat, muss sie sich so behandeln lassen, als hätte sie eine Garantie für die Mangelfreiheit der Futtermittel abgegeben. Bereits für die im Wortlaut identische Regelung des § 6 FMG hat der BGH in solchen Fällen eine Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB a. F. angenommen. Der vom Gesetzgeber gewollte Schutz des Tierhalters sei nur dann gegeben, wenn der Verkäufer nicht nur im Rahmen der allgemeinen Mängelhaftung für handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit einzustehen habe. Damit haftete der Verkäufer im Falle der Unreinheit oder Verdorbenheit des Futtermittels verschuldensunabhängig. Mit den nachfolgenden § 7 Abs. 3 FMG und § 24 LFGB a. F. wurde diese, die Rechte eines Futtermittelkäufers „stärkende Regelung“ beibehalten. Würde die Regelung ein Verschulden voraussetzen, hätte sie praktisch keinen Anwendungsbereich, da die Gewährleistungsansprüche des Käufers bei der Lieferung von nicht der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entsprechendem und damit mangelhaftem Futter sich bereits aus §§ 434 ff. BGB ergäben. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber lediglich aus deklaratorischen Gründen eine Norm übernimmt, ohne ihr eine (eigenständige) Bedeutung zu geben. Das Bedürfnis für eine verschuldensunabhängige Haftung besteht auch nach der Schuldrechtsreform fort. Zwar setzt danach ein Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden keine Zusicherung des Verkäufers mehr voraus. Nach dem Regelungssystem des BGB hängt der Anspruch gleichwohl davon ab, dass der Verkäufer den Mangel gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat. Der vom Gesetzgeber von jeher gewollte Schutz des Käufers wird somit nur durch eine Auslegung des § 24 LFGB erreicht, die ein Verschulden nicht voraussetzt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Antrag des Landes Niedersachsen. Dabei kann dahinstehen, ob es in der Bundesratsinitiative letztlich nur um eine Versicherungspflicht für Futtermittelunternehmer und die Verbesserung behördlicher Koordination und Informationsübermittlung geht. Selbst wenn man die Bundesratsinitiative im Sinne der Beklagten als Indiz gegen eine verschuldensunabhängigen Haftung nach § 24 LFGB für Fälle der vorliegenden Art verstünde, handelte es sich doch nur um eine politische Absichtserklärung, die der – wie bereits ausgeführt – klaren historischen Auslegung des § 24 LFGB widerspräche. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg bedarf es keiner (neuen) gesetzlichen Regelung für Vermarktungsverluste aufgrund von vermeintlichen Verdachtsfällen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Annahme einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung bestehen nicht. Der erforderliche Schutz des Käufers rechtfertigt die Einstandspflicht des Verkäufers, ohne dass dieser unangemessen benachteiligt wird. Das Risiko der Mangelhaftigkeit des Futtermittels auf Grund von Umständen, die in der Sphäre seines Lieferanten liegen, hat der Verkäufer zu tragen. Es bleibt ihm überlassen, seinerseits Regressansprüche gegen den Lieferanten geltend zu machen. Dessen Insolvenzrisiko muss nicht der Endabnehmer des Futtermittels, sondern der Verkäufer als sein direkter Vertragspartner tragen.
Der vom Beklagten geltend gemachte Schaden ist der Klägerin auch als adäquat verursacht zuzurechnen. Der für die Ersatzpflicht gemäß §§ 249 ff. BGB erforderliche Zurechnungszusammenhang wird in der Regel nur dadurch unterbrochen, dass der Schaden erst mittelbar durch die Handlung eines Dritten eintritt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Dritten ein absolut ungewöhnliches, in keinster Weise nachvollziehbares Fehlverhalten anzulasten ist. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Nichtabnahme der vom Beklagten produzierten Eier zum ursprünglich vereinbarten Preis durch dessen Kunden liegt auch nach der Aufhebung der Handelssperre nicht außerhalb der Lebenserwartung. Selbst wenn nach aktuellen Untersuchungen die Grenzwerte wieder unterschritten waren, lag ein zögerliches Kaufverhalten der Verbraucher und ein Einbruch von Markt und Preisen nahe.
OLG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2013 – 12 U 26/13