Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass ein Poolarbeitsplatz, bei dem sich acht Großbetriebsprüfer drei Arbeitsplätze für die vor- und nachbereitenden Arbeiten der Prüfungen teilen, nicht als anderer Arbeitsplatz im Sinne von § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG zur Verfügung steht, wenn er zur Erledigung der Innendienst-arbeiten nicht in dem erforderlichen Umfang genutzt werden kann.
In dem entschiedenen Fall war streitig die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, wenn dem Arbeitnehmer an der Dienststelle ein sogenannter “Poolarbeitsplatz” zur Verfügung steht.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war in den Streitjahren 2009 und 2010 als Betriebsprüfer bei einem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung nichtselbständig beschäftigt. Laut Bescheinigung des Dienstherrn stand ihm an der Dienststelle für die Jahre 2009 und 2010 kein fester Arbeitsplatz, sondern lediglich ein Poolarbeitsplatz im Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen zur Verfügung. Die Prüfungen einschließlich der Schlussbesprechungen führte der Kläger regelmäßig in den Unternehmen durch, die vor- und nachbereitenden Arbeiten (Fallauswahl, Fertigen der Prüfberichte etc.) erledigte er in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Den Poolarbeitsplatz nutzte er lediglich für das Abrufen von Emails und das Updaten seines Rechners. Einen Antrag auf Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes an der Dienststelle hatte der Kläger nicht gestellt.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010 machten die Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR (2009) und 930 EUR (2010) als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht der hiergegen gerichteten Klage statt; die Revision des Finanzamtes wurde nun vom Bundesfinanzhof zurückgewiesen.
Das Finanzgericht hat nämlich zu Recht entschieden, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3 EStG). Die genannte Regelung kommt auch im Streitfall zur Anwendung. Denn gemäß § 52 Abs. 12 S. 9 EStG gilt sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.
“Anderer Arbeitsplatz” i.S. des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes sind nicht zu stellen. Die Abzugsbeschränkung setzt insbesondere keinen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus. Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein. So hat der Bundesfinnzhof bereits entschieden, dass ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro auch dann “ein anderer Arbeitsplatz” i.S. des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG ist, wenn er dem Steuerpflichtigen nicht individuell zugeordnet ist.
Entsprechendes gilt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs für einen Poolarbeitsplatz.
Diesen Grundsätzen entsprechend hat das Finanzgericht festgestellt, dass der Poolarbeitsplatz des Klägers aufgrund seiner büromäßigen Ausstattung ein “anderer Arbeitsplatz” ist. Eine individuelle Zuordnung eines der drei vorgehaltenen Schreibplätze war nicht erforderlich.
Der andere Arbeitsplatz (Poolarbeitsplatz) an der Dienststelle stand dem Kläger allerdings nicht in dem zur Verrichtung seiner Innendienstarbeiten erforderlichen Umfang zur Verfügung.
Der andere Arbeitsplatz steht nur dann “für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit … zur Verfügung”, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Denn nur dann ist der Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Muss er hingegen dort einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten, weil er seinen Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen kann, kommt das Abzugsverbot des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Denn auch in einem solchen Fall ist das häusliche Arbeitszimmer notwendig und er kann sich diesen Aufwendungen nicht entziehen.
Allerdings ist eine “jederzeitige Zugriffsmöglichkeit” auf den anderen Arbeitsplatz nicht zwingende Voraussetzung des beschränkten Werbungskostenabzugs. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG, der nicht auf eine “jederzeitige Verfügbarkeit” des anderen Arbeitsplatzes abstellt, sondern auf eine Verfügbarkeit “für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit”. Daher kann grundsätzlich auch ein Poolarbeitszimmer als ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG zur Verfügung stehen, wenn bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere durch eine ausreichende Anzahl an Poolarbeitsplätzen, gegebenenfalls ergänzt durch arbeitgeberseitig organisierte dienstliche Nutzungseinteilungen, gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann.
Unter Anwendung dieser Grundsätze gelangte das Finanzgericht zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Poolarbeitsplatz dem Kläger nicht in dem für dessen Innendiensttätigkeit erforderlichen Umfang zur Verfügung gestanden hat.
Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Finaanzgerichts reichten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Großbetriebsprüfer einen nicht unerheblichen Teil seiner Tätigkeit bei den zu prüfenden Betrieben erbringt, die drei Schreibplätze nicht aus, um alle Innendiensttätigkeiten zu verrichten. Anders als bei einem Arbeitsplatz in einem Großraumbüro, bei dem lediglich ein räumlich abgeschlossener Arbeitsbereich und eine individuelle Zuteilung des Arbeitsplatzes fehlt, war im Streitfall aufgrund der zu geringen Anzahl an Poolarbeitsplätzen gerade nicht gewährleistet, dass dem Kläger in zeitlicher Hinsicht für seine gesamte Innendiensttätigkeit tatsächlich ein anderer Arbeitsplatz an der Dienststelle zur Verfügung stand. Angesichts des Umstands, dass der Kläger nach diesen Feststellungen einen nicht geringen Teil seiner an sich an Amtsstelle zu erbringenden Innendiensttätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer verrichten musste, hat es das Finanzgericht zu Recht als unerheblich angesehen, dass der Kläger dann bei seinen Aufenthalten an Amtsstelle einen freien Schreibtisch oder eine freie Telefonanlage gefunden hat.
Entgegen der Auffassung des Finaanzamts kommt es nicht darauf an, dass der Kläger keinen Antrag auf Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes an der Dienststelle gestellt hat.
Denn § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG setzt schon nach seinem Wortlaut kein “vergebliches Bemühen” um eine feste räumliche Zuweisung eines “anderen Arbeitsplatzes” voraus. Maßgeblich sind vielmehr die objektiven Gegebenheiten, nämlich ob dem Arbeitnehmer am Dienstsitz ein geeigneter Arbeitsplatz tatsächlich zur Verfügung steht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Dispositionsbefugnis über die Räumlichkeiten beim Dienstherrn und nicht beim Kläger lag.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.2.2014 – VI R 37/13