martina heck

18.02.2014

Der Flugzeugführer im Steuerglück – hier: Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass für Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind (hier für Arbeitslohn eines Flugzeugführers nach dem DBA-Irland 1962), die Freistellung der Einkünfte unbeschadet des in § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 angeordneten Besteuerungsrückfalls auch dann gewährt wird, wenn der andere Vertragsstaat (hier Irland) das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht an den Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Flugzeugführers nur für einen Teil der Einkünfte wahrnimmt.

Damit beurteilt der Bundesfinanzhof diese rechtliche Situation anders als das Bundesministerium der Finanzen, welches seine Rechtsauffassung mit Schreiben vom 12.11.2008 kundgetan hat.

In dem entschiedenen Fall war der Kläger in den Streitjahren 2007, 2009 und 2010 als Flugzeugführer bei einer irischen Fluggesellschaft angestellt. Sein Arbeitslohn belief sich in 2007 auf 92.739,37 EUR, in 2009 auf 117.119,76 EUR und in 2010 auf 116.463,63 EUR. Darauf wurden in Irland 27.363,06 EUR (in 2007), 36.715,10 EUR (in 2009) sowie 36.446,08 EUR (in 2010) an Steuern einbehalten. Nachfolgend wurde das in Irland zu versteuernde Einkommen des Klägers nach Maßgabe einer irischen Sonderregelung für die Besteuerung von Flugpersonal auf 4.636,96 EUR für das Jahr 2007, auf 2.252,30 EUR für das Jahr 2009 und auf 2.240,00 EUR für das Jahr 2010 und wurden die dementsprechend zu entrichtenden Steuern auf 927,39 EUR für das Jahr 2007, 450,46 EUR für das Jahr 2009 und 448,00 EUR für das Jahr 2010 herabgesetzt; die darüber hinausgehenden Beträge erhielt der Kläger erstattet.

Das beklagte Finanzamt unterwarf den Arbeitslohn der deutschen Besteuerung. Die Einkünfte seien wegen § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006) bzw. des EStG 2009 nicht gemäß Art. XII Abs. 3 i.V.m. Art. XXII Abs. 2 S. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 17.10.1962 – DBA-Irland 1962 – von der Bemessungsgrundlage für die Steuer in der Bundesrepublik Deutschland auszunehmen.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Köln gab ihr durch Urteil vom 15.05.2013 statt. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamtes zum Bundesfinanzhof wurde nun zurückgewiesen.

Der Kläger hatte in den Streitjahren seinen Wohnsitz in Deutschland. Er unterfällt deswegen gemäß § 1 Abs. 1 EStG 2002 n.F./2009 hier mit seinem Welteinkommen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Dieser Pflicht ist auch der Arbeitslohn (§ 19 EStG 2002 n.F./2009) unterworfen, den er als Flugzeugführer für die irische Fluggesellschaft im Streitjahr vereinnahmt hat.

Das Besteuerungsrecht für diesen Arbeitslohn steht allerdings Irland zu. In Deutschland ist der Lohn hingegen nach Art. XII Abs. 3 i.V.m. Art. XXII Abs. 2 S. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 1 DBA-Irland 1962 von der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auszunehmen, weil es sich hierbei um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handelt, die in Übereinstimmung mit dem Abkommen in Irland besteuert werden können: Dass es sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handelt, ergibt sich aus Art. XXII Abs. 3 DBA-Irland 1962; Dienstleistungen, die eine natürliche Person ganz oder überwiegend an Bord von Luftfahrzeugen erbringt, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, gelten danach als in diesem Vertragsstaat erbracht. Und die Vergütungen für solche Dienstleistungen können nach Art. XII Abs. 3 DBA-Irland 1962 in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, im Streitfall also in Irland. Deutschland verbleibt nach Art. XXII Abs. 2 S. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 2 DBA-Irland 1962 lediglich die Möglichkeit, die Einkünfte gemäß § 32b EStG 2002 n.F./2009 dem sog. Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.

Der in § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 unilateral und “abkommensüberschreibend” angeordnete Besteuerungsrückfall ändert daran nichts; die entgegenstehende Annahme der Finanzverwaltung findet im Gesetz keine Stütze.

Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 wird die Freistellung jener Einkünfte nach Maßgabe des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Mit dieser Formulierung will das Gesetz erreichen, dass das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt, falls der andere Vertragsstaat als Quellenstaat von dem ihm abkommensrechtlich zugestandenen Besteuerungsrecht an bestimmten Einkünften im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht rechtlich keinen Gebrauch macht. Eine derartige Situation ist im Streitfall nach den tatrichterlichen und den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgerichts zu der irischen Rechtslage indessen nicht gegeben. Denn die Arbeitslöhne des Klägers wurden in Irland besteuert. Die Besteuerung erfolgte dort zwar im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, und die Löhne wurden auch (nur) infolge der fehlenden Ansässigkeit des Klägers in Irland lediglich zu einem Teil erfasst, nämlich demjenigen Teil, der eine territoriale Zuordnung der erbrachten Arbeit zum irischen Staatsgebiet ermöglichte. Doch tut dies nichts zur Sache, weil der abkommensüberschreibende Besteuerungsrückfall für die betreffenden Einkünfte nach § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 tatbestandlich nur dann ausgelöst wird, “wenn” – nicht aber “soweit” – die betreffenden Einkünfte aus den Gründen der fehlenden Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind. Von der Unterscheidung nach der Einkunftsart – wie das Finanzamt meint – hängt das nur indirekt und insofern ab, als es sich ausweislich des bezugnehmenden Eingangssatzteiles in § 50d Abs. 9 S. 1 EStG 2002 n.F./2009 für die dadurch bewirkte Rechtsfolge – den Besteuerungsrückfall – um Einkünfte handeln muss, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Das aber sind die Einkünfte, für die das Abkommen dem anderen Vertragsstaat das Besteuerungsrecht gewährt, und diese Einkünfte qualifizieren sich regelmäßig aus den jeweiligen abkommensrechtlichen Einkunftsarten (Art. 6 bis Art. 21 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development). Im Streitfall sind das nach Maßgabe von Art. XII Abs. 3 (i.V.m. Art. XXII Abs. 2 S. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 1) DBA-Irland 1962 die an den Kläger für dessen Dienstleistungen an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr als Arbeitslohn geleisteten Vergütungen, welche infolge der abkommensrechtlich vereinbarten Zuordnung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen sind, und zwar insgesamt und nicht nur teilweise.

Dieses auch von der Vorinstanz gefundene Auslegungsergebnis, das sich – im Hinblick auf Irland (!) – infolge zwischenzeitlicher Änderung des irischen Steuerrechts vom Veranlagungszeitraum 2011 an ohnehin erledigt hat, liegt auf der Hand und ist deshalb nicht von zulassungsbeachtlicher rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.

Bleibt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 für die Konstellation des Streitfalls damit aber unanwendbar, kommt es auf das Verhältnis dieser Vorschrift einerseits und § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F./2009 andererseits, um das es in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.01.2012 ging, nicht mehr an. Und dass ein Besteuerungsrückfall isoliert nach Maßgabe von § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F./2009 ausgelöst würde, behauptet auch das Finanzamt nicht. Das wäre auch unangebracht, weil § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F./2009 die abkommensrechtlich vereinbarte Freistellung von Arbeitslohn nur versagt, soweit der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Beiden tatbestandlichen Anforderungen wird im Streitfall aber genügt: Der Kläger hat nach den tatrichterlichen Feststellungen sowohl nachgewiesen, dass er die in Irland auf den Arbeitslohn festgesetzte Steuer entrichtet hat, als auch, dass Irland darüber hinaus keinen Besteuerungsanspruch erhebt. Ob sich – wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 11.01.2012 beiläufig als mögliche Auslegung erwogen hat – der Verwendung des quantitativ-konditionalen Begriffs “soweit” in § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 entnehmen ließe, dass der danach angeordnete Besteuerungsrückfall sich – abweichend von § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 – auch auf einen Teilbetrag beziehen könnte, kann in Anbetracht dessen dahinstehen; beide Freistellungserfordernisse sind erfüllt. Es ist deswegen im Ergebnis auch ohne Bedeutung, dass sich die Vorinstanz einer derartigen Auslegungsmöglichkeit widersetzt, so der Bundesfinanzhof.

Schließlich braucht auch nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, das wechselseitige Verhältnis von § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 und § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F./2009 durch die rückwirkende Neuregelung in § 50d Abs. 9 S. 3 (i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 9) EStG 2009 i.d.F. der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26.06.2013 nunmehr im Sinne der Finanzverwaltung in einfach- wie verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu bestimmen, und – noch weiter gehend und grundsätzlicher -, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 als sog. Treaty override verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Auch das alles ergibt sich klar aus dem Gesetz und rechtfertigt eine Zulassung der Revision ebenfalls nicht.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.12.2013 – I B 109/13