martina heck

10.08.2015

Dauerbrenner „doppelte Haushaltsführung“ – heute: bei beiderseits berufstätigen Eheleuten

Bezüglich des Themenkomplexes „doppelte Haushaltsführung“ hat sich der Bundesfinanzhof mit der Frage beschäftigt, ob bzw. wann Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind, wenn beide Eheleute berufstätig sind.

In dem konkreten Fall sind die Kläger Ehegatten und wurden für 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH, die er von seinem Wohnsitz aus betreibt. Er erzielte aus dieser Tätigkeit im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin war bis zum 28. Februar 2010 ebenfalls bei der X-GmbH beschäftigt, bezog allerdings kein Gehalt. In den Monaten Januar und Februar 2010 erhielt sie für einige Wochen von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld. Mit Anstellungsvertrag aus März 2010 wurde die Klägerin befristet für die Zeit vom 01.05.2010 bis zum 30.04.2013 von B in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Das Arbeitsverhältnis war mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende auch vor dem vertraglichen Ablauf kündbar. Ausweislich einer Anlage zu dem Arbeitsvertrag erfolgte der berufliche Einsatz der Klägerin ab dem 01.05.2010 für drei Jahre in C/D (Ausland). Sie erzielte im Streitjahr aus dieser Tätigkeit nach dem Auslandstätigkeitserlass steuerfreien Arbeitslohn in Höhe von 34.631 EUR.

Beginnend mit dem 08.07.2010 mietete die Klägerin eine Wohnung in C, die über 110 qm und vier Zimmer verfügte und von der Klägerin im Juli 2010 bezogen wurde.

Die Klägerin hatte eine Aufenthaltserlaubnis für D vom 28.05.2010 bis zum 24.05.2012. Sie hielt sich im Jahr 2010 nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses bei B zweimal in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) auf. Im September 2010 nahm sie an einem von ihrem Arbeitgeber ausgerichteten Treffen der Regionalkoordinatoren teil, das einmal im Jahr in F stattfand. Sie wohnte während dieses zweiwöchigen Aufenthaltes mit Ausnahme des Wochenendes in einem Hotel in F. Die Kosten für diese Dienstreise wurden vom Arbeitgeber übernommen. Ende 2010 hielt sich die Klägerin wegen eines Klinikaufenthaltes in Deutschland auf. Der Kläger verfügte über eine Aufenthaltserlaubnis für D vom 08.07.2010 bis zum 24.05.2012. Er hielt sich Anfang Juli 2010 anlässlich des Einzuges in die Wohnung in C auf. Die Kosten für diese Reise wurden als Umzugskosten sowohl für den Kläger als auch für die Klägerin vom Arbeitgeber der Klägerin übernommen. Des Weiteren hielt sich der Kläger in der Zeit vom 16.11. bis 04.12.2010 in C auf. Im Jahr 2011 reiste der Kläger fünf Mal nach D, unter anderem um eine Urlaubsreise mit der Mutter der Klägerin durchzuführen. Die Tätigkeit der Klägerin in D wurde krankheitsbedingt vorzeitig durch Aufhebungsvertrag Ende 2011 beendet. Die Klägerin kehrte zu diesem Zeitpunkt nach E zurück.

Dort besitzen die Kläger seit dem Jahr 2000 ein Zweifamilienhaus. Die Wohnung im Erdgeschoss (Wohnfläche 140 qm, fünf Zimmer) nutzten sie selbst. Die weitere Wohnung wurde vermietet. Die selbstgenutzte Wohnung ist nach Aufnahme der Beschäftigung der Klägerin in C mit allen Möbeln beibehalten worden. Im Jahr 2010 wurde dort eine neue Massivholzküche eingebaut.

In der beim beklagten Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit erfolglos Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 12.503 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Er gab an, dass er zum 01.05.2010 seinen Lebensmittelpunkt nach C in D verlegt habe und die bisherige Wohnung in E nunmehr als Zweitwohnung am Beschäftigungsort nutze.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Hessische Finanzgericht ab, da keine doppelte Hauzshaltsführung vorliege, weil bei  Würdigung der Gesamtumstände der Kläger seinen Haupthausstand weiterhin in E und nicht nach C verlegt habe.

Der Bundesfinanzhof hat diese Entscheidung bestätigt.

Gemäß § 9 Abs. 1 S, 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Zwischen dem Wohnen in einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort und dem Unterhalten eines eigenen Hausstandes außerhalb dieses Ortes ist zu unterscheiden. Mit dem „Hausstand“ ist der Ersthaushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer – abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten – regelmäßig aufhält, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, also seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist dagegen nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten. Denn eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn am Beschäftigungsort zugleich der Lebensmittelpunkt liegt.

Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen (Haupt)Hausstand darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dementsprechend erfordert die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats eine tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die sich aus einer Zusammenschau mehrerer Einzeltatsachen ergibt. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthaltes am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen (z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten) bestehen. Dies gilt insbesondere auch bei beiderseits berufstätigen (kinderlosen) Eheleuten, die jeweils am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen eine familiengerechte Wohnung unterhalten.

Das Finanzgericht hat im Streitfall unter Beachtung der genannten Grundsätze eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers im Streitjahr nicht in C, sondern in E lag. Diese Würdigung ist nicht nur möglich, sondern nach Auffassung des Bundesfinanzhofs naheliegend und revisionsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.

Denn das Finanzgericht hat seine Auffassung zunächst damit begründet, dass sich der Kläger im Streitjahr lediglich 18 Tage in C aufgehalten und sich nicht von seinem sozialen Umfeld in E gelöst habe. Es hat daraus den nachvollziehbaren Schluss gezogen, dass seine Lebensinteressen jedenfalls im Streitjahr nicht überwiegend nach C ausgerichtet waren. Dabei sah es sich durch den Umstand bestätigt, dass die Ehe der Kläger nicht nur in C, sondern beispielsweise über die Weihnachtsfeiertage auch in Deutschland gelebt wurde. Im Zuge dessen durfte das FG die Aufenthalte des Klägers in D im Ergebnis als Besuchsreisen (umgekehrte Familienheimfahrten) an den Beschäftigungsort der Klägerin und deren Reisen als (Familienheim)Fahrten an den gemeinsamen Wohnsitz (Lebensmittelpunkt) am Beschäftigungsort des Klägers bewerten, ohne dass darin ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zu erblicken ist. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass die Abordnung der Klägerin nach D nur befristet gewesen ist. Denn die vorübergehende Entsendung eines verheirateten Arbeitnehmers in ein Entwicklungsland kann nach allgemeiner Lebenserfahrung gegen eine (sofortige) Wegverlegung des gemeinsamen Lebensmittelpunkts der Eheleute nach dort sprechen. In dieser Vermutung durfte sich das Finanzgericht insbesondere deshalb bestätigt sehen, weil die Kläger ihr (im Vergleich zur Wohnung in C flächenmäßig größeres) Wohneigentum in E weiterhin – wenn auch nur zeitweise – gemeinsam genutzt haben und auch der komplette Hausstand dort verblieben ist.

Insbesondere hat das Finanzgericht die verfassungsrechtlich geschützte Ehe nicht künstlich in zwei unabhängige Lebenssachverhalte „auseinander dividiert“. Denn entgegen der Auffassung der Kläger befindet sich der Haupthausstand beiderseits berufstätiger Eheleute nicht grundsätzlich dort, wo sie sich gemeinsam überwiegend aufhalten. Vielmehr ist der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine dahingehende Regelvermutung fremd. Ein solcher „Automatismus“ wäre auch nicht mit dem Gebot der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls in Einklang zu bringen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.05.2015 – VI R 71/14