Das Finanzgericht Köln hat das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen dazu verpflichtet, Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären. Diese Entscheidung stützt das Finanzgericht Köln auf die Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 S. 2 AO.
In dem entschiedenen Fall streiten die Beteiligten zum einen über die Frage, ob der Kläger, der Deutsche Bridge Verband e.V., wegen Förderung des Sports nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO oder anderer im Katalog des § 52 Abs. 2 S. 1 AO genannten Zwecke als gemeinnützig anzuerkennen ist. Zum anderen streiten sie über die Frage, ob der Kläger nach der sogenannten „Öffnungsklausel“ des § 52 Abs. 2 S. 2-3 AO als gemeinnützig anzuerkennen ist oder er jedenfalls einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines diesbezüglichen Antrags hat.
Der Kläger machte geltend, dass er als Dachverband der deutschen Bridge-Vereine, die den Bridgesport in der Bundesrepublik auf gemeinnütziger Grundlage pflegen und fördern, ebenso als gemeinnützige Körperschaft anzuerkennen sei, wie z.B. ein Schachverein. Bridge erfülle bereits den Sportbegriff des geltenden Gemeinnützigkeitskatalogs (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO). Der Weltbridgeverband sei Mitglied des IOC und strebe eine volle Anerkennung als olympische Sportart an. Die körperliche Ertüchtigung sei nicht mehr ausschließliches Element des aktuellen Sportbegriffs.
Zumindest aber müsse Turnierbridge über die Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 S. 2 AO für gemeinnützig erklärt werden, weil es die Allgemeinheit ebenso fördere, wie die im Gemeinnützigkeitskatalog des § 52 Abs. 2 S. 1 AO aufgeführten Zwecke.
Das Finanzgericht Köln schloss sich dem zweiten Argument des Verbandes an.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind u.a. Körperschaften, die nach ihrer Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen, von der Körperschaftsteuer befreit. Was gemeinnützige Zwecke sind, bestimmt sich nach § 52 AO. Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 AO sind unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die in Nr. 1-25 genannten Zwecke („Katalogzwecke“) als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Nach § 52 Abs. 2 S. 2 AO („Öffnungsklausel“) kann ein von der Körperschaft verfolgter Zweck, der nicht unter den Katalog nach Satz 1 fällt, durch den aber die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird, für gemeinnützig erklärt werden.
Das vom Kläger geförderte Turnierbridge fällt nicht unter den abschließenden Katalog des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-25 AO. Der Kläger fördert nach Auffassung des Finanzgerichts Köln nicht den Sport i.S.d. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO. Die Förderung von Turnierbridge entspricht auch nicht den anderen Katalogzwecken (2.). Turnierbridge ist aber eine Tätigkeit, die nach der Öffnungsklausel als gemeinnützig anzuerkennen ist (3.).
1. Die Förderung von Turnierbridge ist keine Förderung des Sports gem. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO.
Nach dieser Regelung ist die Förderung des Sports unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Schach gilt nach einem Zusatz in Klammern als Sport.
Der Bundesfinanzhof hat Sport zunächst so definiert, dass dieser als wesentliches Element die körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen voraussetze. Die Tätigkeit müsse unmittelbar und planvoll auf die körperliche Ertüchtigung von Menschen gerichtet sein, weshalb der Bundesfinanzhof bloße mittelbare Effekte (z. B. das Mitlaufen, -kriechen oder -springen des Hundeführers beim Hundesport) als nicht ausreichend gewertet hat. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1987 hat er die Förderung von Bridgeturnieren ausdrücklich als Sport abgelehnt. Bridge sei keine körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen. Auch mache die Ausführung eines Spiels in Form von Wettkämpfen und unter einer besonderen Organisation dieses nicht zum Sport im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts. Einen Gleichheitsverstoß wegen der Anerkennung von Schützenvereinen und Billardclubs lehnte der Bundesfinanzhof ab. Die letztgenannten Tätigkeiten würden körperliche Fertigkeiten erfordern, weshalb eine willkürliche Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte nicht erkennbar sei. Im Jahre 1997 hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil zum Motosport an der „körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübungen“ nicht mehr festgehalten. Nach seiner neueren Definition umfasse Sport alle Betätigungen, die die allgemeine Definition des Sports erfüllen und der körperlichen Ertüchtigung dienen. Erforderlich sei eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet sei. Der vom Bundesfinanzhof beurteilte Motorsport verlange Körperbeherrschung, z. B. hinsichtlich des Wahrnehmungsvermögens, der Reaktionsgeschwindigkeit und der Feinmotorik, die in der Regel nur durch Training erlangt und aufrechterhalten werden könne. Entscheidend für den Sportbegriff sei, dass eine körperliche Ertüchtigung angestrebt werde und die ausgeübte Tätigkeit hierfür geeignet sei.
Basierend auf dieser „jüngeren Sportdefinition“ hat der Bundesfinanzhof im Jahre 2000 das Kartenspiel Skat nicht als Sport anerkannt. Skat diene – wie das Bridgespiel (!) – neben seinem Unterhaltungswert ausschließlich der Übung intellektueller Fähigkeiten. Eine körperliche Ertüchtigung werde nicht angestrebt. Hierdurch unterscheide sich Skat von anerkannten Sportarten wie etwa Schießsport, Bogenschießen und Billard. Bei diesen Tätigkeiten würden Fähigkeiten geübt, die besondere, nur durch langes Training zu erreichende, körperliche Fertigkeiten erfordern. Eine Analogie zum Schachspiel lehnte der Bundesfinanzhof ab. Es handele sich um eine gesetzliche Fiktion, die nicht im Wege einer Analogie ausgeweitet werden könne. Zugleich zeige die Fiktion, dass auf das Erfordernis der körperlichen Ertüchtigung nicht verzichtet werden könne. Auch lehnte der Bundesfinanzhof einen Gleichheitsverstoß nach Art. 3 Abs. 1 GG ab.
Die Verwaltungsanweisungen (AEAO zu § 52 AO, Tz. 6) und die Kommentarliteratur folgen dem Bundesfinanzhof. Im Einzelnen wird mit Verweis auf die Motive des Gesetzgebers argumentiert, Sport bedürfe stets einer gewissen körperlichen Betätigung, der reine Denksport sei nicht begünstigt. Dass Schach im Wege einer Fiktion als Sport gelte, sei der historisch-traditionellen Sonderstellung geschuldet. Die gesetzgeberische Entscheidung zu Schach sei nicht auf andere Denksportarten übertragbar.
Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist Bridge, auch in der wettkampfmäßig organisierten Form des „Turnierbridge“, nicht als Sport anzuerkennen. Dieser Rechtsprechung schließt sich das Finanzgericht Köln an, weil nach seiner Auffassung eine zutreffende Auslegung des Begriffs „Sport“ im gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinne keine Denksportarten (ausgenommen Schach) umfasst.
Ausgangspunkt einer Auslegung ist der Wortlaut (Wortsinn) einer Norm. Der Begriff „Sport“ kann, wie der Kläger überzeugend ausführt hat, begrifflich auch Denksportarten umfassen. Für ein solches Verständnis mag sprechen, dass Denksportarten wie Bridge in anderen Ländern als Sport anerkannt sind. Gleiches gilt für die Ausübung von Bridge als „Hochschulsport“, die Aufnahme von Bridgeliteratur in „Sportbibliotheken“ oder die Mitgliedschaft von Bridgeverbänden im IOC oder internationalen Sportorganisationen („SportAccord“). Auch mögen der „europäische Sportbegriff“ (Art. 165 AEUV) und der „abkommensrechtliche Sportbegriff“ (Art. 17 OECD-MA einem solchen weitergehenden Sportbegriff folgen.
Dieser weite Sportbegriff entspricht jedoch nicht der Systematik des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO, der Schach im Wege einer Fiktion („Schach gilt als Sport“) ausdrücklich als Sport aufnimmt. Einer solchen Fiktion hätte es nicht bedurft, wenn Denksportarten schon originär unter den Sportbegriff fielen. Schon aufgrund dieser Systematik ist von einem engeren Begriffsverständnis auszugehen. Es ist dabei auch rechtsmethodisch nicht zu beanstanden, dass der Begriff „Sport“ im Kontext des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51-68 AO) anders ausgelegt wird als etwa im Europarecht oder im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen. Jeder Rechtssatz ist mit Rücksicht auf seinen jeweiligen Normzweck und den jeweiligen Zusammenhang mit anderen Rechtssätzen auszulegen, weshalb die unterschiedliche Bedeutung gleichlautender Begriffe eines Gesetzes nichts Besonderes ist. Das vom Kläger benannte Prinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen (§ 2 AO) stehen einem engeren Begriffsverständnis nicht entgegen, weil sich die Anwendungsbereiche im Streitfall nicht decken. Die vom Kläger benannten Regelungen im OECD-MA betreffen die Zuordnung von Besteuerungsrechten und nicht die Anerkennung einer gemeinnützigen Tätigkeit.
Eine enge Auslegung des Sportbegriffs steht auch im Einklang mit der Gesetzgebungshistorie. Die Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung der AO 1977 zeigen, dass der Gesetzgeber die körperliche Ertüchtigung als Wesensmerkmal des Sports angesehen hat.
Diese Wertungsentscheidung wurde vom Bundesrat zeitweise abgemildert, indem er bei der Aufnahme von Schach in den Gemeinnützigkeitskatalog ausführte, dass seit dem Verzicht auf die ausdrückliche Erwähnung der körperlichen Ertüchtigung als Merkmal des Sports diskutiert werde, ob die Förderung des Schachs ein gemeinnütziger Zweck sei. Zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten sollte der Satz „Schach gilt als Sport“ zu Klarstellung angefügt werden. Gleichwohl wurde nach den Gesetzgebungsunterlagen nicht erwogen, andere Denksportarten ebenso zur Klarstellung aufzunehmen oder den Zusatz „Denksport gilt als Sport“ aufzunehmen. Ein klarer gesetzgeberischer Wille, sich vom körperbezogenen Sportbegriff zu lösen, kann aufgrund der auf Schach beschränkten Änderung nicht angenommen werden. Die Aufnahme von Schach kann ebenso gut konstitutiv und nicht bloß deklaratorisch gewesen sein. Hiervon geht auch der Bundesfinanzhof aus, wenn er im Urteil zu Skat die Sonderregelung für Schach als Kernargument für einen auf körperliche Ertüchtigung gerichteten Sportbegriff verwendet.
Jedenfalls spricht die weitere Rechtsentwicklung für einen engeren Sportbegriff. Im Entwurf des Vereinsförderungsgesetzes des Jahres 1989 wurde zunächst erwogen, Bridge und andere Spiele als dem Sport nahestehende Tätigkeiten zu begünstigen. Hierzu sollte der Klammerzusatz „Schach gilt als Sport“ gestrichen werden und die „Förderung dem Sport nahestehender Tätigkeiten“ in einer eigenen Ziffer zusammen mit anderen Freizeittätigkeiten genannt werden. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahren änderte der Finanzausschuss den Entwurf, die geänderte Fassung wurde im Gesetz umgesetzt. Spätestens im Jahre 1989 war damit wieder ein klarer Wille des Gesetzgebers festzustellen, Denksportarten (wie Bridge) außerhalb des Schachs nicht als Sport anzuerkennen. Bei späteren Änderungen der AO ist ein hiervon abweichender Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar.
Die vom Kläger benannten Gründe für ein anderweitiges Sportverständnis hält das Finanzgericht Köln dagegen für nicht durchgreifend. So bemängelt der Kläger etwa, dass andere als Sport anerkannte Tätigkeiten (z.B. Liegendschießen, Motorsport, Billard) kaum mit körperlicher Anstrengung verbunden seien. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass diese Tätigkeiten aber ein körperliches Geschick erfordern und damit körperbetonter als die rein auf intellektueller Anspannung beruhenden Denksportarten sind.
Auch kann der Argumentation des Klägers, das Gehirn sei ein Körperteil und dieses werde ertüchtigt, nicht gefolgt werden. Aus den vorgenannten Gründen gibt es eine vom gesetzgeberischen Willen getragene Unterscheidung von physischen Anstrengungen und intellektuellen/psychischen Anstrengungen, weshalb die letztgenannten Anstrengungen nicht als körperliche Ertüchtigung angesehen werden können. Andernfalls wäre nahezu jedes menschliche Verhalten als Sport einzustufen. Aus dem gleichen Grunde können auch die vom Kläger vorgetragene körperliche Beanspruchung durch lange Turniere und die Vorbereitungen hierfür nicht ausreichen. Zwar sind nach außen hervortretende intellektuelle Tätigkeiten stets mit einer gewissen körperlichen Anstrengung verbunden, für den Sportbegriff bedarf es jedoch einer unmittelbar angestrebten körperlichen Ertüchtigung und nicht einer mittelbaren Ertüchtigung durch bloße „Reflexwirkungen“ der im Vordergrund stehenden intellektuellen Anspannung. Andernfalls könnten auch Unterrichts-, Vortrags- oder Diskussionstätigkeiten als Sport eingestuft werden, da solche Tätigkeiten oftmals mit erheblicher körperlicher Beanspruchung verbunden sind.
Soweit der Kläger vorträgt, Turnierbridge werde wettkampfmäßig und unter einer besonderen Organisation durchgeführt, führt dies nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Die bloße Ausübung einer Tätigkeit in Wettkampfform oder unter einer besonderen Organisation erfüllt nicht den Sportbegriff, da andernfalls jegliche Freizeittätigkeiten durch die bloße turniermäßige Ausgestaltung zum Sport „erstarken“ würden. Das Wettkampfelement kann allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn eine mit körperlicher Anstrengung verbundene Tätigkeit entweder als Freizeitbeschäftigung oder als Sport ausgeübt werden kann (z. B. „Baden vs. Schwimmen“; „Tanzkurs vs. Turniertanz“). Bei einer auf intellektuellen Leistungen beruhenden Tätigkeit kann das Wettkampfelement dagegen nicht den Ausschlag geben, da es bereits an der körperlichen Ertüchtigung im vorgenannten Sinne fehlt.
Der Vortrag des Klägers, Bridge habe positive gesundheitliche Auswirkungen, kann in diesem Zusammenhang auch nicht überzeugen. Viele gesellige Freizeittätigkeiten haben positive Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden, sind aber gleichwohl kein Sport. Soweit der Kläger vorträgt, das von ihm betriebene Turnierbridge sei um Zufallselemente eliminiert und unterscheide sich dadurch vom Skat, ist dies für den Senat bei der Auslegung des Sportbegriffs unbeachtlich. Das fehlende Zufallselement einer Tätigkeit ist kein Merkmal des Sportbegriffs. Eine Vielzahl von Sportarten (z. B. Fußball) beinhaltet auch gewisse Zufallselemente, ohne dass hierdurch ihre Eigenschaft als Sport infrage gestellt wird.
Das Finanzgericht Köln sieht auch keine Veranlassung, wegen der isolierten Begünstigung von Schach einen Gleichheitsverstoß nach Art. 3 Abs. 1 GG zu bejahen, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 BVerfGG hat ein Gericht, welches ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, das Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs besteht diese Vorlagepflicht jedoch nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht dagegen nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden. Vorliegend ist das Finanzgericht Köln schon deshalb nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt, weil es – s. u. – in der Öffnungsklausel (§ 52 Abs. 2 Sätze 2-3 AO) eine geeignete Möglichkeit sieht, Gleichheitsverstöße zu vermeiden und damit den Katalog des § 52 Abs. 2 AO verfassungskonform auszugestalten.
2. Die Förderung von Turnierbridge ist keine Förderung von anderen in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-20, 22-25 AO genannten Zwecken.
Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass Turnierbridge Ähnlichkeiten zur Förderung anderer in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannter Tätigkeiten aufweise (z. B. Nr. 3 – Gesundheitswesen; Nr. 4 – Jugend- und Altenhilfe; Nr. 7 – Förderung der Erziehung; Nr. 13 – Völkerverständigung). Das Finanzgericht Köln kann an dieser Stelle dahinstehen lassen, ob Turnierbridge alle vom Kläger benannten Zwecke auch fördert. Die Satzung des Klägers führt diese Zwecke nicht auf (vgl. § 60 AO zur Satzungsanforderung und Anlage 1 zu § 60 AO), auch ist die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) nicht auf eine ausschließliche und unmittelbare Förderung dieser steuerbegünstigten Zwecke gerichtet. Die vorgenannten Zwecke werden allenfalls mittelbar oder „zufällig“ mit verwirklicht.
(Turnier-)Bridge ist auch nicht in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 als sog. „privilegierte Freizeitbeschäftigung“ aufgeführt. Diese Katalogziffer führt in loser Aufzählung eine Reihe von Freizeittätigkeiten auf. Durch den Bundesfinanzhof ist indes geklärt, dass diese Aufzählung abschließend ist und es nicht ausreicht, wenn eine Tätigkeit Ähnlichkeiten aufweist. Das Finanzgericht Köln braucht deshalb nicht zu klären, ob das Bridgespiel beispielsweise dem traditionellen Brauchtum ähnlich und deshalb begünstigt ist.
3. Die Förderung von Turnierbridge ist aber gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig zu erklären, weil Turnierbridge die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend wie die unter § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-25 AO genannten Zwecke fördert, so das Finanzgericht Köln. Dies ergibt sich sowohl aus einem Vergleich von Turnierbridge mit den in § 52 Abs. 2 S. 1 AO genannten „Katalogzwecken“ als auch aus der „Generalklausel“ des § 52 Abs. 1 AO.
Turnierbridge weist erhebliche Ähnlichkeiten zum Schachsport (Klammerzusatz in § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO) auf. Das vom Kläger organisierte Bridgespiel ist aufgrund der im Tatbestand geschilderten Spielweise weitestgehend von Zufallselementen befreit. Durch das System der „Boxen“ spielen Turnierparteien an wechselnden Tischen mit identischen „Teilungen“, wodurch der Spielerfolg vom persönlichen Können der Spieler abhängt. Das komplexe System der Auktion und des Abspiels erfordert dabei erhebliche intellektuelle Anstrengungen, insbesondere hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten. Die Aufnahme von Schach in den Gemeinnützigkeitskatalog ist gerade damit begründet worden, dass die intellektuelle und willensmäßige Anspannung beim Schach zu folgerichtigem Denken erzieht, Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit übt und Entschlusskraft und kritische Selbsteinschätzung fördert. Diese Kriterien treffen nach Auffassung des Senats ebenso auf Turnierbridge zu. Das Finanzgericht Köln sieht – auch aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen (Art. 3 Abs. 1 GG) – keinen Grund, zwischen dem von einigen als „königlich“ bezeichneten Schachspiel und Turnierbridge zu unterscheiden. Soweit der Bundesfinanzhof eine Analogie von Bridge und Schach bislang abgelehnt hat, sieht das Finanzgericht Köln in seiner Entscheidung keinen Widerspruch zum Bundesfinanzhof. Das Finanzgericht Köln erklärt Turnierbridge nicht alleine deshalb für gemeinnützig, weil es dem Schach ähnelt. Die Ähnlichkeit ist nur ein Kriterium, welches das Finanzgericht Köln im Rahmen der von § 52 Abs. 2 S. 2 AO vorgesehenen Prüfung beachtet.
Turnierbridge weist überdies andere dem Sport (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO) nahestehende Elemente auf. Der Kläger und seine Mitglieder praktizieren Bridge in Turnieren in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben. Das System ist in Anlehnung zu anderen Sportarten organisiert, international wird Bridge vielfach als Sportart angesehen, wie die Aufnahme als „Recognized Member“ in das IOC sowie auch der europarechtliche und abkommensrechtliche Sportbegriff zeigen. Der Kläger organisiert Turnierbridge dabei in einer Art und Weise, die der Förderung des Breitensports durch Sportvereine sehr nahe kommt und ähnlich positive Wirkungen für die Allgemeinheit hat.
Turnierbridge fördert mittelbar überdies weitere in § 52 Abs. 2 S. 1 AO genannte Zwecke. Der Kläger hat dargelegt, dass Turnierbridge Bezüge zur Förderung des Gesundheitswesens (Nr. 3), der Jugend- und Altenhilfe (Nr. 4), der Erziehung (Nr. 7) und des Völkerverständigungsgedankens (Nr. 13) aufweist. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Auch wenn die Tätigkeit des Klägers keine unmittelbare und zielgerichtete Förderung der vorgenannten Belange bedeutet und der Senat deshalb eine Förderung von „Katalogzwecken“ auch insoweit abgelehnt hat, so sieht er die Berührungspunkte gleichwohl als Vergleichskriterium an, um zu beurteilen, ob die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichen Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird. Der Kläger hat insbesondere dargelegt, dass Turnierbridge ein Mittel zur Gesundheitsförderung darstellt (Prävention gegen Alzheimer, Demenz u.ä.) und durch seine sozialen Elemente (Turniersystem) auch der Vereinsamung vorbeugt. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass es sich bei Turnierbridge um eine Tätigkeit handelt, die den Zielen des Gemeinnützigkeitsrechts entspricht.
Insgesamt wird Turnierbridge dadurch den Zielen des Gemeinnützigkeitsrechts gerecht.
Nach § 52 Abs. 1 AO sind gemeinnützige Zwecke darauf gerichtet, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (Satz 1). Materielle Werte decken den Bereich des wirtschaftlichen Lebensstandards ab, während mit Geistigem und Sittlichem der ideelle Bereich, der Bereich der Vernunft und des Schöngeistigen, angesprochen wird. Die Förderung darf nicht bloß einem begrenzten oder kleinen Personenkreis zugutekommen (Satz 2). Auch darf sich die Förderung nicht in der bloßen Zuführung von Mitteln an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erschöpfen (Satz 3).
Turnierbridge fördert durch die bereits beschriebenen intellektuellen Anforderungen den Bereich der Vernunft und stellt dadurch eine Förderung der Allgemeinheit auf geistigem Gebiet dar. Die Mitgliedschaft (über die Mitglieder des Klägers) steht auch einem nicht eingegrenzten und breiten Personenkreis offen. Auch dient die Tätigkeit des Klägers nicht bloß der Mittelzuführung zu Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Die Gemeinnützigkeitserklärung durch das Finanzgericht Köln stellt keinen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz dar. Der aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG hergeleitete Gewaltenteilungsgrundsatz verbietet es der Rechtsprechung, in originäre Kompetenzen der Gesetzgebung oder der vollziehenden Gewalt einzugreifen. Der „Gemeinnützigkeitskatalog“ des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO, der seit 2007 abschließend ist, basiert auf Wertungsentscheidungen des Gesetzgebers und ist aufgrund dessen weitreichenden Gestaltungsspielraums grundsätzlich zu akzeptieren. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sich dazu entschlossen, eine „Öffnungsklausel“ in § 52 Abs. 2 S. 2-3 AO aufzunehmen. Nach der Gesetzesbegründung möchte er den Finanzbehörden ausdrücklich die Gelegenheit geben, auf sich ändernde gesellschaftliche Verhältnisse ohne Gesetzesänderung zu reagieren. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, wonach zu prüfen ist, ob ein nicht unter Satz 1 fallender Zweck die Allgemeinheit „entsprechend“ selbstlos fördert, zeigt überdies, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs. 2 AO eine Systematik erblickt, an der sich die Verwaltung und im Streitfall auch das Gericht sich zu orientieren haben.
Da keine Gründe erkennbar sind, warum die Finanzgerichte Verwaltungsentscheidungen nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO nicht unbeschränkt überprüfen und ersetzen dürfen, sieht der Senat in seiner Entscheidung auch keinen unzulässigen Eingriff in den Kompetenzbereich der vollziehenden Gewalt. Vielmehr ist er nach der aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleiteten Rechtsweggarantie berechtigt und verpflichtet, die die belastende Verwaltungsentscheidung zu überprüfen und nötigenfalls zu korrigieren.
Mit seiner Entscheidung weicht das Finanzgericht Köln auch nicht von einem erklärten oder mutmaßlichen anderweitigen Willen des Gesetzgebers ab. Das Finanzgericht Köln erkennt keinen Willen des Gesetzgebers, Turnierbridge nicht anzuerkennen.
Die letzte erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers zu „Bridge“ datiert aus dem Jahre 1989. Im Zuge des Vereinsförderungsgesetzes konnte sich die anfangs erwogene Gleichstellung von Denksportarten („dem Sporte nahestehende Tätigkeiten“) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht durchsetzen. In der Folgezeit hat der Gesetzgeber keine erkennbaren positiven oder negativen Entscheidungen zur Anerkennung von Turnierbridge getroffen. Der Senat ist vorliegend davon überzeugt, dass der Gesetzgeber die Eigenheiten des „Turnierbridge“ im Unterschied zum „Freizeitbridge“ nicht gekannt hat. Dies zeigt sich daran, dass in den vorgenannten Gesetzgebungsmaterialien nicht zwischen Turnier- und Freizeitbridge unterschieden wird.
Soweit die Beklagten vortragen, das Thema müsse dem Gesetzgeber wegen Tz. 6 AEAO zu § 52 AO und der „politischen Initiativen“ der Klägers bekannt gewesen sein, kann das Finanzgericht Köln dem nicht folgen. Zureichende Anhaltspunkte für eine solche Feststellung sind nicht vorhanden. Es ist nach Überzeugung des Senats ebenso wahrscheinlich, dass dem Gesetzgeber die Anerkennung von Bridge gleichgültig oder unbekannt war und er gerade mit der Öffnungsklausel der Verwaltung (und subsidiär der Gerichtsbarkeit) eine Möglichkeit geben wollte, derartige Detailfragen in eigener Kompetenz zu entscheiden.
Soweit teilweise vertreten wird , dass eine Katalogerweiterung nur unter der eingeschränkten Bedingung „sich ändernder gesellschaftlicher Verhältnisse“ zulässig ist, kann das Finanzgericht Köln diese Streitfrage dahinstehen lassen. Ein solches Kriterium ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht aus der gesetzlichen Regelung. Die Motivation des Gesetzgebers, den Katalog der gemeinnützigen Zwecke für weitere Entwicklungen offen zu halten, spricht nur dafür, dass keine ausdrücklich vom Gesetzgeber abgelehnten Zwecke anerkannt werden sollen. Die Situation des Turnierbridge stellt sich aber anders dar. Wie oben ausgeführt, datiert die letzte erkennbare gesetzgeberische Entscheidung zu „Bridge“ aus dem Jahre 1989, wobei der Gesetzgeber auch dort zwischen Freizeitbridge und Turnierbridge nicht differenziert hat. Seitdem fehlt eine klare Entscheidung für oder gegen Bridge, so dass das Finanzgericht Köln davon überzeugt ist, dass gerade über die Öffnungsklausel die Möglichkeit besteht, Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären, weil es der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO entspricht und mit einer Vielzahl von Katalogzwecken in § 52 Abs. 2 S. 1 AO vergleichbar ist.
Das Finanzgericht Köln erklärt Turnierbridge mit seiner Entscheidung nicht zu einer weiteren „privilegierten Freizeittätigkeit“ nach § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO.
Die Aufzählung des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO ist heftiger Kritik ausgesetzt. Das Finanzgericht Köln schließt sich dieser Kritik an und folgt dem Bundesfinanzhof, wenn dieser die Aufzählung in § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO für nicht analogiefähig hält. Die Entscheidung des Finanzgerichts Köln, Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären, basiert jedoch nicht auf Analogien zu den in § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO genannten Tätigkeiten, sondern auf der Vergleichbarkeit mit anderen in § 52 Abs. 2 S. 1 AO genannten Zwecken sowie einer Vereinbarkeit mit der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO.
Aus diesem Grunde sieht das Finanzgericht Köln nicht die Gefahr, mit seiner Entscheidung eine „konturlose Erweiterung des Förderungskatalogs“ zu betreiben. Das Finanzgericht Köln erklärt nur die Förderung des Turnierbridge für gemeinnützig. Es hält dies für gerechtfertigt, weil Turnierbridge als „Denksportart“ eine dem Sport nahe stehende Tätigkeit ist und durch die vom Kläger organisierte wettkampfmäßige Ausgestaltung unter einer besonderen Organisation der Tätigkeit anderer Sportorganisationen ähnelt. Das bloße freizeitmäßig betriebene Bridgespiel wird hingegen nicht für gemeinnützig erklärt. Eine hinreichende Abgrenzung von „Freizeitbridge“ und „Turnierbridge“ ist nach Auffassung des Finanzgerichts Köln bereits dadurch gewährleistet, dass nur Körperschaften nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. §§ 51 ff. AO für gemeinnützig erklärt werden können und neben der Förderung eines gemeinnützigen Zweckes eine Vielzahl weiterer Anforderungen erfüllt werden müssen. Dem aus bloßen Unterhaltungsgründen betriebenen „Freizeitbridge“ bleibt die Gemeinnützigkeit deshalb zu Recht verwehrt.
Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen da die Anwendung der Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Sätze 2-3 AO nicht höchstrichterlich geklärt ist. Offen ist auch, ob die Regelung ein eigenständiges Verfahren mit Verwaltungsaktqualität und ob die Vorschrift eine Ermessensregelung ist. Überdies ist zweifelhaft, welche Behörde zu verklagen ist, wenn ein Land entgegen § 52 Abs. 2 S. 3 AO keine zentral zuständige Finanzbehörde benannt hat. In diesem Zusammenhang ist ferner umstritten, ob bei der Zuständigkeit zwischen Anerkennung und Ablehnung neuer Zwecke zu unterscheiden ist. Darüber hinaus weicht das Finanzgericht Köln von Tz. 2.6 des AEAO zu § 52 AO („Bundeseinheitliches Abstimmungsverfahren bei der Anerkennung neuer Zwecke“) ab.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 17.10.2013 – 13 K 3949/09