Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung zum Mietrecht mit der Frage beschäftigt, welche Anforderungen an das Schriftformerfordernis zu stellen sind.
Entspricht der Vertragsschluss nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB, ist aber eine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vorhanden, die inhaltlich vollständig die Bedingungen eines später mündlich oder konkludent abgeschlossenen Mietvertrags enthält, ist nach dieser Entscheidung die Schriftform nach § 550 S. 1 BGB gewahrt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24.02.2010 – XII ZR 120/06).
Die Klägerin verlangt die Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen.
Der Beklagte mietete im Jahre 2000 Büroräume im 4. Obergeschoss des
Anwesens F-Straße in D. Eigentümer des Grundstücks waren zu diesem Zeitpunkt je zur Hälfte G. und eine Erbengemeinschaft nach seiner verstorbenen Ehefrau.
Der Beklagte übersandte einen auf den 10.11.2000 datierenden
und von ihm unterzeichneten Mietvertragsentwurf an G., in dem dieser als alleiniger Vermieter bezeichnet war. Der Vertragsentwurf sah eine zunächst auf fünf Jahre befristete Mietdauer vor. Nach einer ebenfalls vom Beklagten unterschriebenen Anlage zum Mietvertrag sollte der Mieter das Recht haben, mehrmals eine Option von jeweils maximal fünf Jahren zur Fortsetzung des Mietverhältnisses auszuüben. Eine in dem Vertragsentwurf zunächst vorgesehene Regelung zur Mietanpassung hatte der Beklagte gestrichen. G. unterzeichnete die Vertragsurkunde und die beigefügte Anlage jeweils ohne Vertretungszusatz und ergänzte seinerseits die Vertragsurkunde um eine weitere Anlage, die eine Mietanpassungsklausel enthielt. Da der Beklagte die Mietanpassungsklausel nicht akzeptieren wollte, unterzeichnete er die weitere Anlage nicht. In der Folgezeit wurde das Mietverhältnis mit dem vom Beklagten eingefügten Optionsrecht, aber ohne die von G. gewünschte Regelung zur Mietanpassung durchgeführt.
Mit notariellem Vertrag vom 21.09.2006 veräußerten die Eigentümer das Grundstück an die Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt war in dem Objekt
nur die vierte Etage – und zwar an den Beklagten – vermietet. In dem Kaufvertrag ist hierzu folgendes geregelt:
„Das bezüglich des Büros im 4. Obergeschoss bestehende Mietverhältnis wird vom Käufer übernommen. Der Verkäufer tritt mit Wirkung ab Besitzübergang alle Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Mietvertrag, einschließlich der Zahlung des Mietzinses, an den dies annehmenden Käufer ab.“
Die Klägerin wurde am 25.01.2007 als Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen. Mit Schreiben vom 01.12.2006 teilte sie dem Beklagten
mit, dass sie das Mietverhältnis mit ihm übernommen habe.
Die in dem Mietvertrag enthaltene Verlängerungsoption wurde vom Beklagten mehrfach – auch noch gegenüber der Klägerin – ausgeübt.
Mit Schreiben vom 01.12.2011 erklärte die Klägerin unter Berufung auf einen Schriftformmangel die Kündigung des Mietvertrags zum 30.06.2012, hilfsweise zum 31.12.2012.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Räumung und
Herausgabe der Mieträume.
Das Landgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte beim Bundesgerichtshof nun Erfolg.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, der Mietvertrag genüge nicht der Schriftform des § 550 S. 1 BGB und könne daher von der Klägerin ordentlich gekündigt werden, nicht frei von Rechtsirrtum.
Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB für das Zustandekommen eines Vertrags, der einer gesetzlich vorgesehenen Schriftform genügen muss, nicht erfüllt wären. Ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, kommt grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugegangen sind.
Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier nicht vor. Denn G. als Vermieter hat das ihm vom Beklagten durch
die Übersendung des unterzeichneten Vertragsentwurfs übersandte Angebot
auf Abschluss eines Mietvertrags nicht angenommen, sondern um eine Preisanpassungsklausel ergänzt an diesen zurückgesandt. Damit hat er gemäß
§ 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot abgegeben. Dieses hat der Beklagte wiederum nicht angenommen, weil er den Nachtrag, der die Preisanpassungsklausel enthielt, nicht unterzeichnet hat. Auch eine solche Annahme unter Einschränkungen gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Antrag. Ein Vertragsschluss, der den sich aus § 126 Abs. 2 BGB ergebenden Anforderungen an die Schriftform genügt, liegt daher nicht vor. Der Mietvertrag ist vielmehr nur mündlich oder konkludent durch den Vollzug des Mietverhältnisses zustande gekommen.
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht erkannt, dass trotz der fehlenden Einhaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB
im vorliegenden Fall das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr erfüllt ist.
Der Bundesgerichtshof hat bereits für den ähnlich gelagerten Fall der verspäteten Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Mietvertrags für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB entschieden, dass die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ausreicht. Ein Mietvertrag genügt danach
auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur
mündlich oder konkludent abgeschlossen worden ist. Die Auslegung von § 550 BGB führt unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem Ergebnis, dass § 550 BGB über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht voraussetzt, dass der Vertrag durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. § 550 BGB dient in erster Linie dem
Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck erfüllt eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen des später konkludent abgeschlossenen Vertrages enthalten sind. Eine solche Urkunde informiert den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrages, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist und noch besteht, eintritt. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form gewahrt.
Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall. Die von beiden
Mietvertragsparteien unterzeichnete Vertragsurkunde vom 10.11.2000
entspricht in vollem Umfang den Bedingungen des von den Parteien später
mündlich oder jedenfalls konkludent durch Invollzugsetzung des Mietverhältnisses abgeschlossenen Mietvertrags. Ein Erwerber des Grundstücks könnte aus der Vertragsurkunde alle für ihn notwendigen Informationen über das Mietverhältnis entnehmen. Die für die Einhaltung des Schriftformerfordernisses genügende „äußere Form“ des Mietvertrags ist daher gewahrt.
Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Ein Mangel der Schriftform ergibt sich nicht daraus, dass die Mietvertragsurkunde allein von G. unterzeichnet worden ist.
Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein
Vertreter den Mietvertrag, muss dies aus der Urkunde hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Dies gilt aber nur, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde die Unterschrift des Unterzeichners in seiner Eigenschaft als Mitglied des mehrgliedrigen Organs abgegeben ist. Nur dann erweckt die Urkunde den Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften, nämlich diejenigen der übrigen
Organmitglieder, fehlen.
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht den Mietvertrag dahingehend ausgelegt, dass der Vertrag von G. nicht als Vertreter der Miteigentümergemeinschaft, sondern in eigenem Namen abgeschlossen worden ist. Dieser Auslegung, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, hat sich das Berufungsgericht angeschlossen. Nach dem äußeren Anschein der Vertragsurkunde war demnach ein Vertretungszusatz neben der Unterschriftsleistung von G. nicht erforderlich.
Die Einhaltung der Schriftform des Mietvertrags wird auch nicht durch
den in dem notariellen Grundstückskaufvertrag vom 21.09.2006 erklärten Vermieterwechsel in Frage gestellt.
Diese Vereinbarung wahrt die Schriftform, weil der neue Vermieter seine
Vermieterstellung durch eine (notarielle) Urkunde nachweisen kann, die nach
den getroffenen Feststellungen ausreichend deutlich auf den Ursprungsmietvertrag Bezug nimmt und durch die Bezeichnung des veräußerten Grundstücks zugleich die Lage des Mietobjekts kennzeichnet. Allerdings ist der Vermieterwechsel hier nicht durch dreiseitigen Vertrag, sondern durch zweiseitigen Vertrag zwischen altem und neuem Vermieter mit (notwendiger) Zustimmung der Mieterin zustande gekommen, wobei jedoch die Zustimmung des Mieters zu einem zwischen früherem und neuem Vermieter vereinbarten Vermieterwechsel nicht der Schriftform bedarf
und hier jedenfalls konkludent in der Zahlung der Miete an die Klägerin zu sehen ist.
Schließlich ergibt sich ein Mangel der Schriftform auch nicht aus der in
§ 24 Ziffer 9 enthaltenen Regelung, mit der dem Mieter das Recht eingeräumt
wird, mehrmals eine Option von jeweils maximal fünf Jahren zur Fortsetzung
des Mietverhältnisses auszuüben. Die Revision hält diese Regelung für zu unbestimmt, weil dem Adverb „mehrmals“ nicht entnommen werden könne, wie oft der Mieter das Optionsrecht ausüben könne. Dem kann nicht gefolgt werden.
Zwar ist es zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB grundsätzlich erforderlich, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses – aus der Vertragsurkunde ergeben. Regelungen zur Dauer der Mietzeit
wahren nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann die Schriftform, wenn sich Beginn und Ende der Mietzeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in hinreichend bestimmbarer Weise aus der Vertragsurkunde ergeben. Die Einhaltung der Schriftform wird dabei nicht dadurch in Frage gestellt,
dass die Vereinbarung über die Mietzeit auslegungsbedürftige Begriffe enthält
oder die Feststellung, ob die Umstände, an die die Parteien eine Verlängerung
der Vertragslaufzeit geknüpft haben, tatsächlich auch eingetreten sind. Ausreichend ist, dass für einen möglichen Erwerber der Mietsache aus der schriftlich niedergelegten Vereinbarung die für die Mietzeit maßgeblichen Umstände so genau zu entnehmen sind, dass er beim Vermieter oder Mieter entsprechende
Nachforschungen anstellen kann.
So liegt der Fall hier. Mit der in der Vertragsurkunde enthaltenen Optionsregelung haben die Vertragsparteien das, was sie zur zeitlichen Befristung des Mietverhältnisses vereinbart haben, vollständig und richtig niedergelegt. Für einen möglichen Erwerber des Mietobjekts ist ersichtlich, dass dem Mieter das Recht eingeräumt ist, das Mietverhältnis durch einseitige Erklärung mehrfach zu verlängern. Der Erwerber weiß daher, dass das Mietverhältnis möglicherweise nicht bereits nach der zunächst vereinbarten Laufzeit von fünf Jahren enden wird, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, über den er sich noch auf andere Weise Gewissheit verschaffen muss und regelmäßig auch kann. Die hinreichende Bestimmbarkeit der Mietzeit i.S.v. § 550 S. 1 BGB wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der Regelung wegen der Verwendung des Begriffs „mehrfach“ nur durch Auslegung entnehmen lässt, wie oft der Mieter von dem Optionsrecht Gebrauch machen kann. Aufgrund der Vorschrift des § 544 S. 1 BGB, die auch auf Verträge anwendbar ist, bei denen eine Verlängerung der Mietzeit auf über 30 Jahre durch vertraglich vereinbarte Optionsrechte erzwungen werden kann, weiß der Erwerber jedenfalls, dass er das Mietverhältnis nach Ablauf von 30 Jahren durch eine außerordentliche Kündigung mit der gesetzlichen Frist beenden kann. Dem von § 550 S. 1 BGB bezweckten Schutz des Grundstückserwerbers ist damit ausreichend Genüge getan.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.2015 – XII ZR 98/13