Wenn Eltern Schulgeld für ihre Kinder an Schulen im Ausland zahlen, stellt sich natürlich immer die Frage nach der steuerlichen Anerkennung als Sonderausgabe.
Im Rahmen einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs hatte dieser sich mit der Frage der Kosten eines Auslandsjahres an einer englischen Privatschule auseinanderzusetzen.
Kläger waren Eheleute und wurden 2008 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Für ihren Sohn S erhielten sie Kindergeld. Im Anschluss an die Jahrgangsstufe 10 verbrachte S in der Zeit von August 2008 bis Juli 2009 ein Auslandsschuljahr an einer englischen Privatschule. Nach seiner Rückkehr stieg er an seiner bisher besuchten Schule, der Gesamtschule G in C-Stadt, nicht unmittelbar in die Qualifikationsphase (Jahrgangsstufe 12), sondern in die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe (Jahrgangsstufe 11) ein.
Während seines Auslandsjahres hatte S das X-College in Y besucht. Dieses bereitet auf das “General Certificate of Education – Advanced Level/ Advanced Subsidiary Level” (GCE AL/AS) vor. Unter bestimmten Voraussetzungen eröffnet dieser Abschluss den Zugang zum Studium an einer deutschen Hochschule.
Für den Besuch des X-Colleges wandten die Kläger im Streitjahr 2008 (ohne Kosten für Beherbergung und Verpflegung) 8.348 EUR an Schulgeld auf. Ihrer Einkommensteuererklärung fügten sie u.a. eine “Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt” bei. In dieser bestätigte die Schulleiterin der Gesamtschule G das von S in England verbrachte Auslandsschuljahr. Später ergänzte sie die Bescheinigung dahingehend, dass das X-College zum englischen Abitur führe.
Das beklagte Finanzamt erkannte den als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) geltend gemachten Betrag von 2.505 EUR nicht an. Die inländische Schule habe das Auslandsschuljahr nicht anerkannt.
In einem Schreiben vom 07.02.2012 bescheinigte die Schulleiterin zusätzlich, S sei im Anschluss an das Auslandsjahr im August 2009 wieder in der 11. Klasse eingestiegen und hätte bei einem entsprechenden Notenbild auch im 12. Jahrgang einsteigen können.
Auf Nachfrage des Finanzgerichts erklärte sie ferner, S habe am X-College nicht alle Kurse belegt, die in der Fächerbreite den Bewertungsvorschlägen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (BV) entsprächen. Eine Überprüfung durch die Schule zwecks lückenloser Fortsetzung der inländischen Schullaufbahn habe im Übrigen nicht stattgefunden, da die Verweildauer in der Oberstufe nicht um das Auslandsjahr von S habe verkürzt werden sollen.
Die Klage hatte keinen Erfolg, da die Kläger nach Auffassung des Finanzgerichts den erforderlichen Nachweis durch eine der in § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG genannten Institutionen nicht erbracht hatten.
Die hiergegen gerichtete Revision hatte nun beim Bundesfinanzhof zunächst einmal Erfolg: Sie führte nämlich zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht. Dieses hat nun darüber zu entscheiden, ob es den Rechtsstreit gemäß § 74 FGO bis zu einer förmlichen Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Stelle darüber aussetzt, ob der Besuch des X-College durch S zu einem einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anzuerkennenden Schul- oder Jahrgangsabschluss geführt hat.
Eine abschliessende Enrtscheidung konnte der Bundesfinanzhof nicht treffen, da der Abzug von Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben – neben weiteren hier nicht streitigen Erfordernissen – nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG voraussetzt, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet und dass sie zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt. Dem ist der Besuch einer Einrichtung, die auf einen solchen Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss ordnungsgemäß vorbereitet, gleichgestellt (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 EStG).
Dementsprechend ist zu differenzieren zum einen nach der Stelle, die die Anerkennung ausspricht, zum anderen nach der Form der Anerkennung.
Ausländische Bildungsnachweise sind in Deutschland nicht generell anerkannt. Vielmehr ist – so auch für den vorliegenden Fall der steuerlichen Abziehbarkeit von Schulgeldzahlungen an eine allgemeinbildende Auslandsschule – erforderlich, dass der Schul- oder –hier auch möglicherweise vorliegende– Jahrgangsabschluss gegenüber einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannt wird. Mit dem Begriff “gleichwertig” knüpft § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG dabei an einen schulrechtlichen Begriff an.
Das Gesetz spricht zudem von einem “als gleichwertig anerkannten … Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss” und setzt daher einen Verwaltungsakt (Anerkennungs- oder Gleichwertigkeitsbescheid) voraus.
Wie schon unter der Rechtslage bis 2007 ist die Finanzverwaltung nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09.11.2011 auch weiterhin an die jeweilige landesrechtliche Anerkennungsentscheidung gebunden und führt keine eigene Prüfung durch. Damit bedarf es als Nachweis auch nach der seit dem Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Gesetzeslage einer konkreten und verbindlichen Entscheidung durch eine der im Gesetz genannten Stellen – des zuständigen inländischen Ministeriums eines Landes, der Kultusministerkonferenz der Länder oder einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle -. Allein diesen obliegt die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob die besuchte Schule zu einem anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anzuerkennenden allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt oder die besuchte Einrichtung auf einen solchen Abschluss ordnungsgemäß vorbereitet.
Dabei ist nicht allein darauf abzustellen, ob die besuchte Schule oder Einrichtung als solche die Fächer, Lehrgänge oder sonstigen Veranstaltungen anbietet, die die Grundlage für einen (als gleichwertig) anzuerkennenden Abschluss bilden. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob die von dem Kind des Steuerpflichtigen an der Schule oder Einrichtung besuchten bzw. belegten Fächer, Lehrgänge oder Veranstaltungen den für die Erfüllung der in § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 und 3 EStG genannten Voraussetzungen genügen.
Dies folgt daraus, dass sich § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Aufwendungen für den Besuch der Schule oder Einrichtung bezieht. Dagegen setzt das Gesetz gerade nicht voraus, dass der Schüler den Abschluss auch tatsächlich erlangt. Wie bei Inlandsschulen kommt es mithin nicht darauf an, ob das Kind das Veranstaltungsziel erreicht hat, mithin in die nächste Klasse oder Jahrgangsstufe versetzt wurde oder die Abschlussprüfung bestanden hat.
Die steuerliche Anerkennung der Schulgeldzahlungen scheitert im Streitfall entgegen der Ansicht des FG nicht daran, dass in Niedersachsen keine (zentrale) Zeugnisanerkennungsstelle besteht und die “Bescheinigung” von der Schulleiterin der von S nach seiner Rückkehr besuchten Gesamtschule ausgestellt wurde. Dementsprechend geht die Rüge der Kläger, wonach der geforderte konkrete Nachweis in Niedersachsen faktisch nicht zu erbringen sei, ins Leere.
Zwar verlangt § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG eine Entscheidung des zuständigen Landesministeriums, der Kultusministerkonferenz oder der inländischen Zeugnisanerkennungsstelle. Die Benennung der Zeugnisanerkennungsstelle bedeutet bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung der Kulturhoheit der Bundesländer indes nicht, dass eine zentrale Zeugnisanerkennungsstelle vorhanden sein muss. Vielmehr wird mit der Zeugnisanerkennungsstelle lediglich die Behörde bezeichnet, die im jeweiligen Bundesland die von § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 und 3 EStG genannten Verwaltungsakte (Anerkennungs- oder Gleichwertigkeitsbescheide) zu erlassen hat. Wer im konkreten Fall diese zuständige Behörde ist, ist dem einschlägigen Landesrecht zu entnehmen. Die Zuständigkeit kann ggf. auch auf einem Organisationsakt der Landesregierung beruhen. Im Hinblick auf § 118 Abs. 1 FGO obliegt die Prüfung der Zuständigkeit allein dem Finanzgericht.
Sieht das Landesrecht für schulrechtliche Belange keine förmliche Entscheidung vor, hat die zuständige Stelle ggf. allein für steuerliche Zwecke eine solche – von § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 und 3 EStG geforderte – förmliche Entscheidung zu erlassen.
Auch wenn die Zuständigkeit der Schulleiterin nach dem einschlägigen niedersächsischen Landesrecht im Streitfall gegeben sein sollte, stellt die von ihr ausgestellte “Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt” keine die Finanzbehörden und Finanzgerichte bindende Entscheidung dar.
Ob eine Bescheinigung eine bindende Regelung enthält und in welchem Umfang eine solche bindende Entscheidung getroffen wurde, ist durch Auslegung der Bescheinigung aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu ermitteln.
Im Streitfall ergibt sich bereits aus der Art und Weise, wie es zu der zuletzt vorgelegten “Bescheinigung” gekommen ist, sowie dem Inhalt dieser “Bescheinigung”, dass keine rechtsverbindliche Feststellung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 und 3 EStG vorliegt.
So bescheinigte die Schulleiterin zunächst nur, dass der Sohn der Kläger sich ein Jahr in England aufgehalten habe. Später ergänzte sie ihr erstes Schreiben dahingehend, S habe das X-College besucht, das bis zum englischen Abitur führe. Die zuletzt vorgelegte Bescheinigung vom 07.02.2012 wies zusätzlich noch darauf hin, S sei im August 2009 (gemeint ist nach seiner Rückkehr aus England) wieder in die 11. Klasse eingestiegen; “bei entsprechendem Notenbild hätte er auch im 12. Jahrgang einsteigen können”.
Damit schildert die Schulleiterin im Kern den Ablauf des Auslandsschuljahres, ohne eine verbindliche Aussage darüber zu treffen, ob der Besuch des X-College durch S die in § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 und 3 EStG geforderte Eignung für einen einem inländischen Abschluss als gleichwertig anzuerkennenden Schul- oder Jahrgangsabschluss aufwies. Dass eine verbindliche Regelung in diesem Sinn nicht gewollt war, wird auch durch die spätere schriftliche Äußerung der Schulleiterin während des FG-Verfahrens ausdrücklich bestätigt. Danach habe sie keinen Anlass zur Prüfung gesehen, da die Verweildauer in der Oberstufe nicht um das Auslandsjahr habe gekürzt werden sollen.
Gemäß § 74 FGO kann das Gericht nach seinem Ermessen die Aussetzung des Verfahrens u.a. bis zur Entscheidung einer Verwaltungsbehörde anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
Dieses Ermessen hat das Finanzgericht bislang nicht ausgeübt. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass das Finanzgericht die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung in Betracht gezogen hat, obwohl es ausreichende Hinweise für eine Aussetzung gab.
Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat das Finanzgericht bei der Abwägung prozessökonomischer Gesichtspunkte und der Interessen der Beteiligten zu beachten, dass einerseits die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob die besuchte Schule zu einem einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anzuerkennenden allgemein bildenden Schul- oder Jahrgangsabschluss führt oder die besuchte Einrichtung auf einen solchen Abschluss ordnungsgemäß vorbereitet, den Finanzbehörden sowie Finanzgerichten entzogen ist, und damit einer ressortfremden Behörde obliegt. Dabei ist zu beachten, dass nach einer Entscheidung des V. Senats des Bundesfinanzhofs Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AO unterliegen, eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO nur bewirken, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer erlassen worden sind.
Andererseits spielt im Streitfall eine Rolle, dass es nach der Konzeption des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG Aufgabe der Kläger ist – ggf. unter Beschreiten des Verwaltungsrechtswegs -, für eine entsprechende förmliche Entscheidung der zuständigen Institution Sorge zu tragen, der sie trotz wiederholten Hinweises des Finanzamtes bislang nicht nachgekommen sind, da sie lediglich die ersichtlich unverbindlichen und unzureichenden “Bescheinigungen” der Schulleiterin beigebracht haben.
Eine Aussetzung des Klageverfahrens erscheint dem Bundesfinanzhof deshalb nicht zwingend, sondern hängt maßgeblich von den weiteren Anstrengungen der Kläger ab. Das Finanzgericht wird daher im zweiten Rechtsgang abzuwägen haben, ob es die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer noch zu treffenden Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Behörde – ggf. auch befristet – für ermessensgerecht hält oder nicht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.08.2014 – X R 17/13