martina heck

09.04.2014

Das Übernachten im Boot ist kein Camping

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Umsätze eines gemeinnützigen Segel-Club Vereins aus der Liegeplatzvermietung an Nichtmitglieder dem Regelsteuersatz unterliegen oder nicht.

Geklagt hatte ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein. Satzungszweck ist das Betreiben des Segelsports. § 2 Buchst. d der Satzung lautet wie folgt: „Die Kameradschaft mit den Mitgliedern anderer Clubs soll dadurch gefördert werden, dass man Gastplätze zur Verfügung stellt“.

In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2010 erklärte der Kläger Umsätze nicht nur zum zum Regelsteuersatz, sondern auch zum ermäßigten Steuersatz. Einer der Umsatzsteuererklärung beigefügten Anlage ist zu entnehmen, dass er Einnahmen aus Übernachtungen von Nichtmitgliedern erzielt und diese nach dem ermäßigten Steuersatz angesetzt hat.

Der Beklagte (Finanzamt) erhöhte die dem Regelsteuersatz zu unterwerfenden Umsätze aufgrund dieser Einnahmen. Zur Begründung führte er aus, die Steuerermäßigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung betreffe nur die Überlassung von Flächen und Räumen zur Beherbergung. Die Überlassung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen sei nicht begünstigt. Somit sei die Überlassung von Bootsliegeplätzen (als Plätze zum Abstellen von Wasserfahrzeugen) nicht als unmittelbar dem Zweck der Beherbergung dienend anzusehen und damit auch nicht mit dem ermäßigten Steuersatz begünstigt.

Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück, das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Zu Recht, so das Finanzgericht Baden-Württemberg, hat der Beklagte die Einnahmen des Klägers aus der Liegeplatzvermietung für Nichtmitglieder dem Regelsteuersatz unterworfen.

Nach § 12 Abs. 1 UStG werden steuerpflichtige Umsätze dem Regelsteuersatz unterworfen, falls nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG vorliegen. Diese Vorschrift ist als Ausnahme von dem Grundsatz, dass der normale Steuersatz gilt, eng auszulegen. Die ermäßigten Steuersätze sind nach Art. 98 Abs. 2 S. 1 MwStSystRL nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Zu diesen Dienstleistungen zählen nach Nr. 12 des Anhangs III die Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen und nach Nr. 15 die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht gemäß Artikel 132, 135 und 136 MwStSystRL von der Steuer befreit sind.

Nach diesen Maßstäben erfüllen die Einnahmen des Klägers aus der Liegeplatzvermietung für Nichtmitglieder weder die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 noch nach Nr. 8 Buchst. a UStG.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für „die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind“. Die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen kann nicht unter die Formulierung „kurzfristige Vermietung von Campingflächen“ nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG subsumiert werden.

Dem Wortsinn entsprechend handelt es sich bei einem Liegeplatz (einer genau abgegrenzten Wasserfläche) um ein Grundstück, wozu, nach dessen bürgerlich-rechtlicher Bestimmung, auch eine mit Wasser bedeckte Fläche, wie bspw. ein Bootsliegeplatz, gehört. Ein Boot ist ein Beförderungsmittel, also ein Fahrzeug. Dem steht nicht entgegen, dass viele Boote auch Einrichtungen zum Übernachten (Kajüten) haben und diese im Streitfall, nach dem Vorbringen des Klägers, auf den Gastliegeplätzen entsprechend genutzt werden können. Die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen fällt daher unter die Formulierung „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ des auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL beruhenden § 4 Nr. 12 S. 2 Alt. 2 UStG und nicht unter die Formulierung „kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen“ des auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL beruhenden § 4 Nr. 12 S. 2 Alt. 3 UStG. Nachdem es sich bei § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG um eine Ausnahme von in § 4 Nr. 12 S. 2 UStG normierten Ausnahmen handelt und die Vorschrift neben der „kurzfristigen Vermietung von Campingflächen“ die „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ nicht nennt, bezieht sich die Ermäßigung des Steuersatzes offenkundig nur auf die über § 4 Nr. 12 Satz 2 Alt. 1 und 3 UStG genannten zwingend steuerpflichtigen Vermietungsumsätze.

Dieses anhand der grammatikalischen und systematischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sowie dessen Sinn und Zweck gestützt.

Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22.12.2009 mit Wirkung vom 01.01.2010 neu in das UStG eingefügt. Der Gesetzentwurf vom 09.11.2009 hatte folgende Fassung der Vorschrift vorgesehen: „11. die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird hierzu ausgeführt: „Mit der Änderung wird der Umsatzsteuersatz für Beherbergungsleistungen auf 7 Prozent gesenkt. Die Ermäßigung umfasst sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und vergleichbaren Einrichtungen. Mit der Maßnahme wird von der Option in Artikel 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Kategorie 12 des Anhangs III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem Gebrauch gemacht“. Es geht dabei um „die Absenkung des Umsatzsteuersatzes bei Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe auf 7 Prozent“.

In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 02.12.2009 heißt es: „Der Finanzausschuss empfiehlt insbesondere folgende Veränderungen: [...] Umsatzsteuerermäßigung für Beherbergungsleistungen: Klarstellende Einschränkung auf die unmittelbar für die Beherbergung notwendigen Leistungen sowie Ausweitung auf die kurzfristige Vermietung von Campingflächen“. Der Finanzausschuss empfahl daher dem Bundestag, die vom Gesetzgeber letztlich verabschiedete Fassung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG zu beschließen. Hierzu wird in dem Bericht des Finanzausschusses vom 03.12.2009 unter anderem ausgeführt: „Zu der im Gesetzentwurf enthaltenen Regelung, den Umsatzsteuersatz für Beherbergungsleistungen auf sieben Prozent abzusenken, führten die Koalitionsfraktionen aus, die Ermäßigung umfasse sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und vergleichbaren Einrichtungen. Mit dieser Maßnahme werde der aktuellen europäischen Wettbewerbssituation des Hotel- und Gaststättengewerbes Rechnung getragen. Die Schlechterstellung der deutschen Unternehmen gegenüber den ausländischen Konkurrenten müsse beseitigt werden. Entsprechende Forderungen seien, darauf wies die Fraktion der FDP im Einzelnen hin, auch von den Parteien SPD und DIE LINKE. sowie von der bayerischen Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt worden. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD habe bereits in der 16. Wahlperiode die Umsätze von Bergbahnen der ermäßigten Umsatzbesteuerung unterworfen. Mit den bisher nicht geänderten tourismuspolitischen Leitlinien der SPD aus dem Jahr 1998 werde ein europaeinheitlich halbierter Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie angestrebt, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE. werde gefordert, den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent unter anderem auf die Hotellerie auszuweiten. Einer Zustimmung zu dieser Maßnahme durch die Fraktion DIE LINKE. stehe demnach nichts im Wege. Ferner setze sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag, Dr. Martin Runge, gemäß einem Beschluss seiner Fraktion dafür ein, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Gaststätten und Hotels eingeführt wird. Damit wären zwar, so sei dort nachzulesen, keine spürbar niedrigeren Preise für Gaststätten- und Hotelgäste zu erwarten. Es würden aber Impulse erwartet für die Frage „reguläre Arbeitsplätze versus Grauarbeit und versus Selbstausbeutung bzw. Ausbeutung von Familienangehörigen“, für den dringend zu beseitigenden Investitionsstau im bayerischen Gastgewerbe und für Wettbewerbsgleichheit im grenznahen Raum sowie in Metropolen. Der Beschluss begründe dies damit, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in 22 der 27 EU-Mitgliedstaaten für Hotels und in elf Mitgliedstaaten für Gaststätten gelte“. Weiter heißt es hierzu: „Die Koalitionsfraktionen brachten einen Änderungsantrag zur klarstellenden Einschränkung auf die unmittelbar für die Beherbergung notwendigen Leistungen sowie zur Ausweitung auf die kurzfristige Vermietung von Campingflächen ein. Die Koalitionsfraktionen betonten, hiermit werde eine eindeutige Abgrenzung des Beherbergungsgewerbes gegenüber den Nebenleistungen des Hotelgewerbes normiert. Gleiches gilt auch für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Finanzielle Auswirkungen ergäben sich hieraus nicht. Die Berücksichtigung der Vermietung von Campingflächen sei bereits im ursprünglichen Finanzansatz berücksichtigt worden“ und „Mit der Änderung wird der Umsatzsteuersatz für reine Beherbergungsleistungen auf 7 Prozent gesenkt. Die Ermäßigung umfasst sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und vergleichbaren Einrichtungen. […] Der Umsatzsteuersatz für die kurzfristige Überlassung von Campingflächen (z.B. Flächen zum Aufstellen von Zelten und Flächen zum Abstellen von Wohnwagen und Caravans) wird ebenfalls auf 7 Prozent gesenkt“.

Nach Auswertung der Gesetzesmaterialien ist die „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ eindeutig nicht von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG umfasst. Jedenfalls taucht diese Fallgestaltung in keiner der o.a. Drucksachen auf. Auch war sie nicht Gegenstand der Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren. Vielmehr ging es ausschließlich darum, mit der neuen Vorschrift der aktuellen europäischen Wettbewerbssituation des „Hotel- und Gaststättengewerbes“ Rechnung zu tragen, Wettbewerbsverbesserungen im Bereich der „Gastronomie“ abzubauen und Impulse „für die Frage „reguläre Arbeitsplätze versus Grauarbeit und versus Selbstausbeutung bzw. Ausbeutung von Familienangehörigen“, für den dringend zu beseitigenden Investitionsstau im bayerischen Gastgewerbe und für Wettbewerbsgleichheit im grenznahen Raum sowie in Metropolen“ zu schaffen. Von diesen Erwägungen ist die Überlassung von Bootsliegeplätzen in keiner Weise betroffen.

Diesem Ergebnis steht der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegen. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass dafür ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund gegeben ist, wenn also eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Für das Finanzgericht Baden-Württemberg ist eine solche Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.

Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Steuerermäßigungstatbestands nicht nachgewiesen hat. So räumte die Klägerseite gegenüber dem Gericht im Erörterungstermin am 7. November 2013 ein, dass nicht nur Mitglieder anderer Clubs die „Gastplätze“ beanspruchen könnten, sondern auch Nichtmitglieder und dass nicht nachgefragt werde, ob es sich bei den Gästen um Mitglieder anderer Clubs handelt oder nicht. Ob mit der Überlassung von Liegeplätzen an Nichtmitglieder § 2 Buchst. d der Satzung des Klägers (Förderung der Kameradschaft mit den Mitgliedern anderer Clubs durch Zurverfügungstellung von Gastliegeplätzen) verfolgt wird, ist daher zweifelhaft. Da aber der Kläger die Anwendung der Steuerermäßigungsvorschrift begehrt, trägt er die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen. Zweifel an deren Existenz gehen deshalb zu seinen Lasten.

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 29.01.2014 – 14 K 418/13