martina heck

16.12.2015

Betriebliche Direktversicherung und Lohnsteuerhaftung

Das Finanzgericht Köln hatte sich im Rahmen der Lohnsteuerhaftung mit der Behandlung von regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen, die kein laufender Arbeitslohn sind, zu beschäftigen.

In dem entschiedenen Fall ist die Klägerin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); sie war Arbeitgeberin des Herrn A.

Zwischen Herrn A und der Klägerin wurde im Jahr 2010 eine Entgeltumwandlung und der entsprechende Abschluss einer Direktversicherung vereinbart.

Unter dem 08.122010 bot die M eine betriebliche Direktversicherung an. Das Angebot enthielt den Hinweis, dass noch für 2010 Steuervorteile gesichert werden könnten, sofern der Antrag bis zum 14.12.2010 zurückgesandt würde.

Mit Versicherungsantrag, eingegangen bei der Versicherung am 10.12.2010, beantragte die Klägerin für den Arbeitnehmer A den Abschluss einer entsprechenden Direktversicherung.

Der Versicherungsantrag enthält folgende Formulierung:

…Beitragszahlung jährlich… Der Beitrag wird von unserem Konto eingezogen… Kto. 1 BLZ 2 C-Bank…

Der Antrag ist mit Datum 09.12.2010 von Herrn A als Geschäftsführer der A Consultant unterschrieben; er ist ferner von A als zu versichernde Person (Arbeitnehmer) unterschrieben.

Der Versicherungsschein der M wurde mit Datum vom 22.12.2010 ausgestellt.

Den Beitrag zur Versicherung für 2010 i.H.v. 4.440 € behielt die Klägerin vom Dezemberlohn des Herrn A ein.

Am 07.01.2011 wurde ein Betrag von 4.440 € vom Konto der Klägerin abgebucht. Hierbei handelt es sich um den Jahresbeitrag 2010. Im Dezember 2011 wurde der Beitrag für 2011 in Höhe von ebenfalls 4.440 € abgebucht.

Die Klägerin behandelte die Beträge in den abgegebenen Lohnsteueranmeldungen 2010 und 2011 als steuerfrei.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2013 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, im Jahr 2011 seien dem Arbeitnehmer A 8.880 € zugeflossen. Es sei hiervon lediglich ein Betrag von 4.440 € steuerfrei; ein Betrag von 4.440 € sei mithin steuerpflichtig. Es seien insoweit Lohnsteuern in Höhe von 1.865 €, sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. 102,57 € entstanden. Der Bericht enthält die Formulierung

Die Steuernachforderungen sind an den GGF weiterzubelasten“.

Der Beklagte nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 13.06.2013, mit welchem sie gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich der abgegebenen Lohnsteueranmeldungen aufhob, in Anspruch. Er führte aus, die Klägerin werde als Haftender anstelle des Arbeitnehmers in Anspruch genommen, weil

…ein Haftungsausschluss nicht vorliegt und

Sie sich hiermit einverstanden erklärt haben und

eine Haftung nicht unbillig erscheint; insbesondere ein entschuldbarer Rechtsirrtum nicht vorliegt…

 

Gegen den Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Sie führte aus, bei der Zahlung des Versicherungsbeitrages im Jahr 2011 handelt es sich um laufenden Arbeitslohn des Geschäftsführers für 2010. Nach Richtlinie 39 b der Lohnsteuerrichtlinien bzw. § 11 Abs. 1 S. 2 EStG sei der Zufluss bereits im Vorjahr, nämlich im Jahr 2010 anzunehmen. Hieraus ergebe sich, dass der Höchstbetrag i.H.v. 4.440 € für das Jahr 2010 und für das Jahr 2011 zur Anwendung gelange, so dass die Zahlungen insgesamt steuerfrei seien.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahrenhatte die Klage der GmbH beim Finanzgericht Köln nun Erfolg.

Zu Unrecht hat der Beklagte die Klägerin nämlich für Lohnsteuer für die Beitragszahlung 2010 zur Direktversicherung des Arbeitnehmers A als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen.

Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO). Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Der Arbeitgeber hat gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 EStG die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.

Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme sind nicht erfüllt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Haftungsbescheid bereits deswegen rechtswidrig ist, weil der Beklagte sein bestehendes Ermessen (§ 5 AO), mangelhaft ausgeübt hat.

Die Klägerin war nicht verpflichtet für die Beitragszahlung 2010, abgebucht am 07.01.2011, Lohnsteuer einzubehalten (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) und an das Finanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 S. 1 EStG). Denn die Beitragszahlung stellt steuerfreien Arbeitslohn des Jahres 2010 dar.

Die Jahreslohnsteuer bemisst sich nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezieht (Jahresarbeitslohn). Laufender Arbeitslohn gilt in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet; in den Fällen des § 39b Absatz 5 S. 1 EStG tritt der Lohnabrechnungszeitraum an die Stelle des Lohnzahlungszeitraums. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38a Abs. 1 EStG).

Steuerfrei sind Beiträge zu einer Direktversicherung bis höchstens 4 % von 66.000 zzgl. 1.800,- mithin 4.440 € (§ 3 Nr. 63 EStG) im Kalenderjahr.

Zutreffend hat der Beklagte angenommen, die Zahlung des Beitrags für das Jahr 2010 in Höhe von 4.400 € stelle Arbeitslohn dar. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und geldwerte Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung).

Die Zahlung des Beitrags für das Jahr 2010 stellt Arbeitslohn des Jahres 2010 dar; sie ist dem Arbeitnehmer bereits im Jahr 2010 zugeflossen.

Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres zu dem sie wirtschaftlich gehören zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen (§ 11 Abs. 1 S. 2 EStG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das Finanzgericht Köln folgt, führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Anspruch auf die Leistung begründet noch keinen gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Ein Vorteil ist dem Arbeitnehmer erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. So ist mit der Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, der Zufluss eines geldwerten Vorteils in der Regel noch nicht verwirklicht. Der Zufluss von Arbeitslohn ist zu bejahen, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Ansprüche rechtlich und wirtschaftlich als sicher anzusehen sind. Auch in diesem Fall wird der Zufluss aber nicht durch das Versprechen des Arbeitgebers, z.B. Versicherungsschutz zu gewähren, herbeigeführt, sondern erst durch die Erfüllung dieses Versprechens, insbesondere durch die Leistung der Versicherungsbeiträge in der Weise, dass ein eigener unentziehbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf die Versicherungsleistung entsteht.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen das Finanzgericht Köln folgt, ist die Beitragszahlung (steuerfreier) Arbeitslohn des Arbeitnehmers A im Jahr 2010. Der Zufluss ist im Jahr 2010 erfolgt, da die Einnahmen als in diesem Jahr bezogen gelten (§ 11 Abs. 1 S. 2 EStG).

Die Beitragszahlung an die Hannoversche ist eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme des Arbeitnehmers A i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 2 EStG. Denn es handelt sich bei den Beitragszahlungen um Zahlungen, die aufgrund des ihnen zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses wiederkehrend, d.h. nach bestimmten Zeitabschnitten und in bestimmten Zeitabständen zu zahlen waren; die Wiederholung stand von Anfang an fest. Die Beitragszahlungen an die M sollten wiederkehrend jährlich erfolgen. Auch die erste Einnahme ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig wiederkehrend.

Die Einnahmen sind auch kurze Zeit nach Beendigung des Jahres 2010 tatsächlich zugeflossen. Als kurze Zeit i.S.d. § 11 EStG ist ein Zeitraum von 10 Tagen anzusehen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung, der der Senat folgt. In seinen bislang hierzu ergangenen Entscheidungen hat der BFH als „kurze Zeit“ stets einen Zeitraum von „höchstens zehn Tagen“ angesehen; einige Entscheidungen weisen die Formulierung „in der Regel ein Zeitraum bis zu zehn Tagen“ auf; in anderen Entscheidungen ist der BFH stillschweigend von einem zehn Tage nicht überschreitenden Zeitraum ausgegangen. Diese Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 11.11.2014 bestätigt. Dass der Beitrag 2010 bis zum 10.01.2011 bei der M eingegangen und damit der Kläger tatsächlich Verfügungsmacht über den Betrag hatte, ergibt sich aus der Bescheinigung der M und ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Dass die Beitragszahlung bereits am 10.12.2010 (unverzüglich nach Vertragsschluss) fällig war, steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Für die Anwendung des § 11 Abs. 1 S. 2 EStG ist eine Fälligkeit innerhalb eines 10-Tageszeitraums vor Ablauf des Kalenderjahres keine Voraussetzung.

Die Anwendung des § 11 Abs. 1 S. 2 EStG wird nicht durch 11 Abs. 1 S. 4 EStG i.V.m. § 38 a EStG ausgeschlossen.

Die Voraussetzungen des § 38 a S. 2 EStG, der für laufenden Arbeitslohn Spezialregelung zu § 11 Abs. 1 S. 2 ist sind nicht gegeben. Der Versicherungsbeitrag ist kein laufender Arbeitslohn sondern stellt einen sonstigen Bezug i.S.d. § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG dar. Laufender Arbeitslohn ist der, dem Arbeitnehmer in regelmäßigen Abständen zufließende Arbeitslohn für den Lohnzahlungszeitraum. Da im Streitfall der Kalendermonat Lohnzahlungs- und abrechnungszeitraum für den Arbeitnehmer A war, stellt die jährliche Zahlung der Versicherungsbeiträge keinen laufenden Arbeitslohn in diesem Sinne dar.

Für sonstige Bezüge verbleibt es bei der Anwendung von § 11 Abs. 1 S. 2 EStG. Die Anwendung des § 11 Absatz 1 S. 2 EStG wird insoweit nicht durch § 11 Abs. 1 S. 4 EStG ausgeschlossen. Zwar verweist § 11 Abs. 1 S. 4 EStG auf § 38a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG. Damit ist aber kein Ausschluss des § 11 EStG für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit insgesamt gemeint. Vielmehr verweist § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG für Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge) ausdrücklich auf das Zuflussprinzip. Unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der §§ 38 ff EStG und des § 11 EStG ergibt sich hieraus für sonstige Bezüge ein (Rück-) Verweis auf § 11 EStG.

Der Beitrag ist als Beitrag zu einer Direktversicherung nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei da er den Höchstbetrag (4 % von 66.000 zzgl. 1.800,- mithin 4.440 €) im Kalenderjahr nicht überschreitet.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 24.09.2015 – 15 K 3676/13