Der Bundesfinanzhof hat im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zur Berliner Zweitwohnungsteuer entschieden, dass es sich bei dieser nicht um eine Verbrauchsteuer im Sinne von § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO handelt und hat damit die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.12.2015 aufgehoben.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.
Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe i.S. einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen.
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Berliner Zweitwohnungsteuer vier Jahre beträgt und die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorgesehene Anlaufhemmung anwendbar ist.
Die Festsetzungsverjährung für die Berliner Zweitwohnungsteuer richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Berliner Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AOAnwG) nach den Vorschriften der AO. Die regelmäßige Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Bei der Steuer handelt es sich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, für die die regelmäßige Festsetzungsfrist lediglich ein Jahr beträgt.
Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf eine Steuerfestsetzung, deren Aufhebung und Änderung gemäß § 47 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig ist, beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), für alle anderen Steuern und Steuervergütungen, die keine Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind, vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Weder im Grundgesetz noch in der AO oder sonst im Abgabenrecht findet sich eine Legaldefinition des Begriffs der Verbrauchsteuern oder ein Kriterium für ihre Abgrenzung zu anderen Steuern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kennzeichnet die Verbrauchsteuer, dass sie als Steuergegenstand ein spezielles Gut hat, an welches auch der Steuermaßstab und die Art der Erhebungstechnik anknüpfen; sie kann sowohl Konsum als auch Produktion belasten.
Das Bundesverwaltungsgericht definiert Verbrauchsteuern als Warensteuern, durch die der Verbrauch vertretbarer, in der Regel zur kurzfristigen Verwendung bestimmter Güter besteuert wird. Regelmäßig sind sie dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht direkt beim Verbraucher, sondern bei dem Vertreiber der Waren ansetzen, aber vom Steuerschuldner über den Preis auf den Endverbraucher abgewälzt werden. Dadurch belasten sie indirekt den Verbrauch. Sie knüpfen an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr an und sind regelmäßig durch mengenbezogene Bemessungsmaßstäbe gekennzeichnet. Aufwandsteuern stellen dagegen auf den Gebrauch von – in der Regel nicht verbrauchsfähigen – Gütern und Dienstleistungen ab und besteuern die durch den Gebrauch oder die Innehabung dieser Gegenstände zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Mit der in § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vorgenommenen Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Steuern knüpft die Abgabenordnung an eine abgabenrechtliche Tradition an, deren erkennbares systematisches Konzept darin besteht, dass für das allgemeine Abgabenrecht nicht so sehr die Eigenart der Steuern als vielmehr die Art ihrer Festsetzung und ihrer sonstigen verwaltungstechnischen Behandlung entscheidend ist. Im Geltungsbereich der Reichsabgabenordnung 1919 wurde der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Behandlung von Verbrauchsteuern und damals auch Zöllen einerseits und den übrigen Steuern andererseits darin gesehen, dass die erstgenannten Abgaben mehr summarisch, rechnerisch und oft durch untergeordnete Stellen, bei fehlender bzw. unerheblicher Mitwirkung des Betroffenen, die anderen Steuern dagegen im Rahmen eines formalisierten, unter weitgehender Mitwirkung des Steuerpflichtigen auf erschöpfende Sachverhaltsermittlung ausgerichteten Veranlagungsverfahrens ermittelt werden.
Diese Differenzierung ist auch weiterhin systemgerecht. Es erweist sich noch immer als sinnvoll, dass die einem formalisierten und gründlichen Festsetzungs- bzw. Veranlagungsverfahren zugewiesenen übrigen Steuern i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO einerseits längere Zeit hindurch für eine (zutreffende) endgültige Regelung offengehalten werden, da das Festsetzungsverfahren auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Dauerhaftigkeit angelegt ist, andererseits aber eine Steuerfestsetzung einen stärkeren Vertrauens- und Bestandsschutz genießt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) als bei Verbrauchsteuern, die einem an einfacher und zügiger Massenbewältigung ausgerichteten Abfertigungsverfahren unterworfen sind, in dem die rasche, in engen zeitlichen Grenzen auch noch leicht korrigierbare Verwaltungsentscheidung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) beiderseits ebenso gefragt ist wie ein relativ rasch garantierter Rechtsfrieden durch kurze Festsetzungsfristen.
Verbrauchsteuern i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind danach nur solche Steuern, bei denen das Besteuerungsverfahren die Merkmale einer typischen Verbrauchsteuer aufweist. Die Einordnung anderer Steuern als Verbrauchsteuern i.S. dieser Vorschrift wäre mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar, weil es keinen sachlichen Grund gibt, dafür eine von den übrigen Steuern abweichende kurze Festsetzungsfrist und eine nicht an verfahrensrechtliche Voraussetzungen gebundene Änderungsmöglichkeit bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist vorzusehen.
Typische Verbrauchsteuern sind auf Bundesebene die Stromsteuer, die Energiesteuer, die Tabaksteuer, die Kaffeesteuer, die Schaumweinsteuer, die Alkopopsteuer und die Biersteuer, die jeweils in § 1 Abs. 1 Satz 3 der einschlägigen Gesetze ausdrücklich als Verbrauchsteuern i.S. der AO bezeichnet werden. Allen diesen Steuern ist gemeinsam, dass sie auf Überwälzung auf die Verbraucher angelegt sind. Diese grundsätzlich vom Steuerschuldner bei der Preisbildung kalkulierbare Überwälzbarkeit ist ein wesentlicher Grund für die in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO festgelegte kurze Verjährungsfrist dieser Steuern. Nachforderungen für weit zurückliegende Vorgänge würden den Steuerpflichtigen besonders empfindlich treffen, weil dann die betreffenden Waren bereits verkauft sind und die nachgeforderten Verbrauchsteuern nicht mehr auf den Abnehmer überwälzt werden können. Andere Steuern als derartige Warensteuern fallen nicht unter § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Kernbrennstoffsteuergesetzes auch die Kernbrennstoffsteuer.
Die Berliner Zweitwohnungsteuer erfüllt nicht die Merkmale einer typischen Verbrauchsteuer.
Nach § 1 BlnZwStG unterliegt der Zweitwohnungsteuer, wer im Land Berlin länger als ein Jahr eine Zweitwohnung (§ 2 BlnZwStG) innehat. Steuerpflichtig ist gemäß § 3 Abs. 1 BlnZwStG der Inhaber der Zweitwohnung. Inhaber der Zweitwohnung ist derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Die melderechtliche Anmeldung ist nicht Voraussetzung für die Steuerpflicht (§ 2 Abs. 6 Satz 2 BlnZwStG). Die Zweitwohnungsteuer ist nach § 4 Abs. 1 BlnZwStG eine Jahressteuer. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Besteht die Steuerpflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres, ist Besteuerungszeitraum der Teil des Kalenderjahres, in dem die Steuerpflicht besteht. Ermittlungszeitraum ist gemäß § 4 Abs. 2 BlnZwStG derjenige Besteuerungszeitraum, für den die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln sind. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen findet erstmals für das Jahr des Beginns der Steuerpflicht und sodann für jedes dritte folgende Kalenderjahr statt. Die Ermittlung im Falle einer Änderung von Besteuerungsgrundlagen ist in § 4 Abs. 2 Satz 3 BlnZwStG geregelt.
Die Bemessungsgrundlage der Steuer ergibt sich aus § 5 BlnZwStG. Bei Mietwohnungen bemisst sich die Steuer nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift vorbehaltlich der in Abs. 3 geregelten Sonderfälle nach der aufgrund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldeten Nettokaltmiete, in anderen Fällen gemäß Abs. 2 nach dem Mietwert. Der Steuersatz beträgt nach § 6 BlnZwStG 5 % der Bemessungsgrundlage. Die Steuer entsteht nach § 7 BlnZwStG mit dem Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht für den Rest des laufenden Kalenderjahres. Im Übrigen entsteht die Steuer mit Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist. Der Steuerpflichtige hat gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG für jeden Ermittlungszeitraum jeweils bis zum 31. Mai des Jahres, für das die Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden, eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und darin die in § 8 Abs. 3 BlnZwStG vorgeschriebenen Angaben zu machen. Hat er die Zweitwohnung gemietet, muss er außerdem die in § 8 Abs. 2 BlnZwStG genannten Unterlagen beifügen. Das Finanzamt setzt nach § 9 Satz 1 BlnZwStG die Steuer für den jeweiligen Besteuerungszeitraum durch Bescheid fest.
Ausnahmen von der Zweitwohnungsteuer regelt § 2 Abs. 7 BlnZwStG. Nach Satz 1 Nr. 7 dieser Vorschrift fällt keine Zweitwohnungsteuer an für die Innehabung einer Wohnung, die von einer verheirateten oder in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Person, die nicht dauernd getrennt von ihrem Ehe- oder Lebenspartner ist, aus beruflichen Gründen gehalten wird, wenn die gemeinsame Wohnung die Hauptwohnung ist und außerhalb des Landes Berlin liegt.
Nach dem Inhalt der gesetzlichen Regelungen ist die Zweitwohnungsteuer keine Warensteuer, durch die der Verbrauch vertretbarer Güter besteuert wird und die an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr anknüpft, sondern eine örtliche Aufwandsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2a GG. Sie soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen besteuern, die im Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Hauptwohnung zum Ausdruck kommt. Der Bemessungsmaßstab ist nicht mengenbezogen, sondern richtet sich nach der vereinbarten Nettokaltmiete oder dem Mietwert, der nach den in § 5 Abs. 2 BlnZwStG bestimmten Regelungen zu ermitteln ist. Die Steuer ist auch nicht einem an einfacher und zügiger Massenbewältigung ausgerichteten Abfertigungsverfahren unterworfen, sondern wird für jede einzelne Zweitwohnung aufgrund einer vom Steuerpflichtigen abzugebenden Steuererklärung durch Steuerbescheid regelmäßig für ein Kalenderjahr festgesetzt. Die Besteuerungsgrundlagen werden im Regelfall nur alle drei Jahre ermittelt. Die Steuer ist ferner nicht auf Überwälzung auf Dritte angelegt und braucht vom Steuerpflichtigen nicht bei einer Preiskalkulation berücksichtigt zu werden. Es besteht demgemäß kein Grund, eine Änderung der Steuerbescheide ohne Vorliegen besonderer verfahrensrechtlicher Voraussetzungen zuzulassen und die in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bestimmte Verjährungsfrist von nur einem Jahr anzuwenden.
Soweit in der vom Antragsteller angeführten Rechtsprechung und Literatur angenommen wird, Aufwandsteuern wie etwa an das Halten eines Gegenstandes anknüpfende Steuern seien Verbrauchsteuern im weiteren Sinne, betrifft dies nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die allgemeine Einordnung der Aufwandsteuern in das Steuersystem und nicht die abgabenrechtliche Frage der Festsetzungsverjährung, die allein nach der Entstehungsgeschichte, der systematischen Stellung sowie dem Sinn und Zweck des § 169 Abs. 2 Satz 1 AO zu beurteilen ist.
Die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorgesehene Anlaufhemmung ist ebenfalls anwendbar, wenn der Steuerpflichtige die Steuererklärung für die Zweitwohnungsteuer entgegen seiner Verpflichtung aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG nicht oder nicht fristgerecht einreicht. Bei der Zweitwohnungsteuer handelt es sich ebenso wenig wie im Hinblick auf § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 2 AO.
Es bestehen danach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen für die Besteuerungszeiträume ab 2008. Da die vorgeschriebene Steuererklärung erst im Jahr 2014 abgegeben wurde, begann die vierjährige Festsetzungsfrist für die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2008 nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2011 und endete mit Ablauf des Jahres 2015. Der Steuerbescheid vom 14.07.2015 ist somit vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen.
Ob das Finanzamt in dem entschiedenen Fall zu Recht für die Wohnung Zweitwohnungsteuer festgesetzt hat, ist ernstlich zweifelhaft. Die Steuerfestsetzung wäre nur rechtmäßig, wenn eine leichtfertige Steuerverkürzung vorläge und die Festsetzungsfrist daher nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO fünf Jahre betrüge. Dies ist aber bei summarischer Prüfung nicht hinreichend sicher.
Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, bestimmt sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AOAnwG i.V.m. §§ 370, 378 AO, da § 169 AO diesbezüglich keine Legaldefinition enthält.
Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und somit vom Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab, müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO erfüllt sein.
Die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts sind dabei materiell-rechtlich wie im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht zu beurteilen. Dagegen ist die Frage, ob die jeweiligen Tatbestandsmerkmale im Streitfall tatsächlich erfüllt sind, nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach den Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen, da es sich lediglich um eine Vorfrage im Rahmen der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids handelt. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung trägt das Finanzamt, das sich darauf beruft.
Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt u.a. ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Steuern sind gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 AO namentlich dann i.S. des § 370 Abs. 1 AO verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. § 370 Abs. 4 AO gilt nach § 378 Abs. 1 Satz 2 AO bei der leichtfertigen Steuerverkürzung entsprechend. Eine leichtfertige Steuerverkürzung kann gemäß § 378 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch darin liegen, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt werden. Bloße Untätigkeit schließt Leichtfertigkeit nicht ohne Weiteres aus. Finanzbehörden sind die in § 6 Abs. 2 AO genannten Behörden.
Leichtfertigkeit i.S. des § 378 Abs. 1 Satz 1 AO bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz hierzu auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt. Ein derartiges Verschulden liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Leichtfertig handelt somit, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt.
Hat der Steuerpflichtige die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, so ist bei der Prüfung, ob Leichtfertigkeit gegeben ist, zu berücksichtigen, dass es dem Steuerpflichtigen obliegt, sich bei rechtlichen Zweifeln über seine steuerlichen Pflichten einschließlich der an die Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten bei qualifizierten Auskunftspersonen zu erkundigen. Zu beachten sind auch Ausbildung, Tätigkeit und Stellung des Steuerpflichtigen.
Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt sind, ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen erforderlich.
Ob dem Antragsteller danach eine leichtfertige Steuerverkürzung zur Last liegt, ist ernstlich zweifelhaft und bedarf der Prüfung im Hauptsacheverfahren. Auf eine Verletzung der Meldepflichten nach §§ 11, 15 des Berliner Meldegesetzes wird das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung entgegen der Ansicht des FG schon deshalb nicht gestützt werden können, weil die Meldebehörden (§ 1 des Gesetzes) keine Finanzbehörden i.S. des § 6 Abs. 2 AO sind. Die vom FG angeführte Mitwirkungspflicht nach § 135 Abs. 2 AO setzt voraus, dass eine Personenstands- und Betriebsaufnahme nach § 134 AO stattfindet. Eine solche Personenstands- und Betriebsaufnahme kann nach § 134 Abs. 3 AO nur die Landesregierung oder die von ihr durch Rechtsverordnung dazu ermächtigte oberste Finanzbehörde durch Rechtsverordnung anordnen, die den Zeitpunkt der Erhebungen bestimmt. Eine Personenstands- und Betriebsaufnahme ist seit Jahrzehnten nicht mehr durchgeführt worden. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts handelt es sich somit bei § 135 Abs. 2 AO nicht um eine kraft Gesetzes bestehende und bei jeder melderechtlichen Anmeldung zu erfüllende Pflicht.
Ob der Antragsteller eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat, weil er die vorgeschriebene Steuererklärung zur Zweitwohnungsteuer nicht abgegeben hat, kann nach Aktenlage im summarischen Verfahren nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden und wird im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.04.2016 – II B 4/16