martina heck

19.05.2014

Aufteilung der Mietforderung bei Insolvenzeröffnung

Wird über das Vermögen eines Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet und ergeht der Eröffnungsbeschluss im Laufe eines Bemessungszeitraums, so handelt es sich nach einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichts Lichtenfels bei der Miete für diesen Bemessungszeitraum bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens um eine Insolvenzforderung und ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens um eine Masseverbindlichkeit.

Eine GmbH mietete von der Klägerin einen Gewerberaum. Am 01.10.2013 um 8.00 Uhr wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach dem Mietvertrag steht der Klägerin für den Monat Oktober Miete in Höhe von 3.528,36 € zu.

Mit Schreiben vom 03.12.2013 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Masseunzulänglichkeit an.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Mietforderung für den Monat Oktober sei bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (8 Stunden) Insolvenzforderung und ab diesem Zeitpunkt Masseverbindlichkeit (736 Stunden, entsprechend 98,92 % der Gesamtmietzeit des Monats Oktober 2010 von 31 Tagen x 24 Stunden = 744 Stunden, mithin in Höhe von 3.490,25 €).

Sie erhob dementsprechend Feststellungsklage gegen den beklagten Insolvenzverwalter, der der Ansicht war, die Mietforderung für den Monat Oktober 2010 sei wegen ihres Entstehens vor Insolvenzeröffnung insgesamt Insolvenzforderung.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig, weil der Beklagte die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Hiernach kann der streitgegenständliche Anspruch nicht mehr im Wege der Leistungsklage, sondern nur noch als Feststellungsklage geltend gemacht werden. Eines gesonderten Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es insoweit nicht.

Die Klage ist nach Auffassung des Amtsgerichts Lichtenfels auch begründet. Bei der Miete für den Monat Oktober handelt es sich ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.10.2010, 8.00 Uhr, um eine Masseverbindlichkeit, §§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt., 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen Masseverbindlichkeiten, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

Nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO kommt es für die Beurteilung der Miete als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit darauf an, für welchen Zeitraum sie zu zahlen ist. Die herrschende Meinung im Schrifttum teilt insoweit monatlich geschuldete Miete bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Laufe eines Monats in Beträge vor und nach dem Zeitpunkt der Eröffnung auf. Im hinsichtlich der Interessenlage vergleichbaren Fall der Nebenkostenabrechnung für ein Jahr, in dessen Verlauf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters beschlossen wird, hat der Bundesgerichtshof sich dieser Vorgehensweise angeschlossen. Sie entspricht im Übrigen auch der Systematik des Insolvenzverfahrens, wonach derjenige, der seine vollwertige Leistung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin zur Masse erbringen muss, hierfür die ungeschmälerte Gegenleistung erhalten soll. Maßgeblich ist mithin auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift allein, für welchen Zeitraum der Vermieter seine Gegenleistung zu erbringen hat. Der Grundsatz des § 38 InsO wird durch die Wertung des spezielleren § 55 InsO modifiziert; § 108 Abs. 3 InsO stellt insoweit für Mietverhältnisse lediglich klar, wie -  wiederum bezogen auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – rückständige Ansprüche, nicht aber, wie Verbindlichkeiten zu beurteilen sind, die Gegenleistung (Miete, § 535 Abs. 2 BGB) einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erbringenden Leistung (Gebrauchsgewährung an der Mietsache, § 535 Abs. 1 BGB) sind.

Soweit sich der Beklagte auf zwei anderslautende Entscheidungen der Amtsgerichte Spandau und Tempelhof-Kreuzberg und die zustimmenden Auffassungen im Schrifttum beruft, vermag das Gericht der darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht nicht zu folgen.

Zutreffend führen die Amtsgerichte Spandau und Tempelhof-Kreuzberg zunächst wortgleich aus:

Eine Insolvenzforderung liegt vor, wenn die Forderung vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind dagegen Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Speziell für Mietverhältnisse über Räume ist insoweit in § 108 Abs. 1 InsO geregelt, dass diese mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen.

Die nachfolgenden – wiederum im Wesentlichen wortgleichen – Erörterungen beider Gerichte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Entstehungszeitpunkt von Mietzahlungsansprüchen tragen diesen Grundsätzen nicht hinreichend Rechnung. Es kommt gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO gerade nicht darauf an, wann ein Anspruch aus einem gegenseitigen Vertrag entsteht, sondern allein darauf, ob die jeweilige Gegenleistung (des Gläubigers) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (über das Vermögen des Schuldners) zu erbringen ist. Die Mietzahlung für denjenigen Monat, in dessen Verlauf das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gegenleistung für die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages (die Gebrauchsgewährung an der Mietsache nach dem Mietvertrag) nach ebendieser Eröffnung und daher insoweit Masseverbindlichkeit. Stellte man stattdessen auf das Entstehen eines Anspruchs ab, liefe dies dem Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO zuwider: So wäre etwa die im Turnus von 3 Jahren im Voraus zu entrichtende Pacht insgesamt Insolvenzforderung, auch wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Tag nach Entstehung des Anspruchs erfolgte und der Verpächter die Pachtsache für 3 Jahre der Masse zu überlassen hätte. Die Abgrenzung von nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Masse zu erbringenden und daher in der insolvenzrechtlichen Systematik privilegierten Leistungen gelänge für Mietverträge nur bei Vereinbarung einer Stundenmiete. Dieses Ergebnis erscheint nicht sachgerecht und ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Rechtsgedanken des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO zu vereinbaren.

Bei der Miete für die Zeit vom 01.10.2013, 8.00 Uhr, bis 31.10.2013, 24.00 Uhr handelt es sich hiernach um eine Masseverbindlichkeit im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

Amtsgericht Lichtenfels, Urteil vom 14.05.2014 – 2 C 24/14